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Südkorea beabsichtigt, bis 2024 insgesamt 14 neue Kernkraftwerke zu errichten, so Planungen von Ende Dezember 2010. Hinzu sollen weitere Projekte im Ausland kommen. Den ersten Exportauftrag zum Bau von Atomkraftwerken in Milliardenhöhe erhielt das Land Ende 2009 aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Im Inland wurde mittlerweile ein neuer Standort für ein Atomlager ausgewählt. Bereits heute erzeugt Südkorea mehr Strom aus Kernenergie als Deutschland.
Südkorea will bis 2024 insgesamt 14 neue Atomkraftwerke bauen und dafür 33.200 Milliarden Won (fast 22 Mrd. Euro, 1 Euro = 1,515 Won, 3-Monatsmittel) investieren. Derzeit verfügt das Land über 20 Kernreaktoren mit einer Kapazität von 18,4 Gigawatt (GW), welche sich bis 2024 fast verdoppeln soll (35,9 GW). Damit würde der Anteil der Kernenergie von 2010 bis 2024 von knapp einem Viertel auf fast ein Drittel der gesamten Kraftwerkskapazitäten steigen. Der Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung soll von 31,4 auf 48,5 Prozent zunehmen. In absoluten Zahlen ist ein Zuwachs von 144,9 TWh im Jahr 2010 auf 295,4 TWh in 2024 geplant.
Diese Details gehen aus dem "5th Basic Plan of Long Term Electricity Supply & Demand" hervor, den das Ministry of Knowledge Economy Ende Dezember 2010 in koreanischer Sprache veröffentlicht hat. Noch langfristigere Pläne bis 2030 gehen von 38 oder 39 Kernkraftwerken aus. Demnach soll die Kernkraft dann bis zu 60 Prozent des benötigten Stroms liefern.
Bereits 2009 lag Südkorea weltweit auf Rang sechs bei den installierten Kernkraftwerkskapazitäten hinter den USA, Frankreich, Japan, Russland und Deutschland. In den Jahren 2009 und 2010 produzierte das Land mehr Strom aus Nuklearenergie als Deutschland. Sollten die Ausbaupläne realisiert werden, würde Südkorea 2024 mehr Strom aus Kernenergie erzeugen als nach derzeitigem Stand Japan.
Noch in den 70er- und 80er-Jahren bauten ausländische Firmen in Südkorea Kernkraftwerke als Turnkey-Projekte. Mit der Zeit hat das Land jedoch beträchtliches eigenes Know-how aufgebaut und fertigt seit 1995 Kernreaktoren des Typs Optimized Power Reactor (OPR) mit einer Kapazität von 1 GW. Als Nachfolger dient der 2002 in Südkorea entwickelte Advanced Power Reactor (APR) mit einer Kapazität von 1,4 GW. Die ersten Kraftwerke dieser Bauart werden derzeit in der Nähe von Busan (Shin Kori) und Ulsan (Shin Uljin) errichtet. Darüber hinaus will das Land bis 2012 ein APR-Modell mit einer Leistung von 1,5 GW entwickeln.
Nach einer Einschätzung der Korea Development Bank (KDB) verfügt Südkorea mittlerweile über 95 Prozent der Technologien, die für den Bau eines Kernkraftwerks notwendig sind. Jedoch bleiben Abhängigkeiten von ausländischen Lieferanten bei Kernkomponenten wie der Reaktorsoftware, Kühlungspumpen für den Reaktor und Mensch-Maschine-Interfacesystemen bestehen.
In Südkorea werden die Kraftwerke von der Korea Hydro & Nuclear Power (KHNP) betrieben, während für die Planung die KEPCO (Korea Electric Power Corporation) Engineering and Construction zuständig ist. Die Brennstoffversorgung ist Domäne von Korea Nuclear Fuel. Die Reaktoren werden von Doosan Heavy Industries & Construction geliefert. Im Baubereich steht eine ganze Reihe von Unternehmen zur Verfügung. Ende 2010 nahm das erste Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Müll des Landes in Gyeongju (Provinz North Gyeongsang) seinen Betrieb auf. Für hochradioaktiven Abfall gibt es bisher kein Endlager.
Ende 2009 erhielten koreanische Firmen erstmals einen Großauftrag aus dem Ausland. So sollen in den Vereinigten Arabischen Emiraten vier Kernkraftwerke entstehen. Die Baukosten betragen 18,6 Milliarden US$. Einschließlich Folgeaufträgen unter anderem für den Betrieb, die Brennstoffversorgung und die Müllentsorgung könnte das Vorhaben ein Volumen von rund 40 Milliarden US$ erreichen. Die Projektleitung obliegt der KEPCO. Den Reaktor liefert Doosan Heavy Industries & Construction, und die Bauarbeiten werden von Hyundai Engineering & Construction sowie von Samsung C&T ausgeführt. Hauptbestandteile des Reaktors werden bei Westinghouse (einer US-amerikanischen Tochterfirma von Toshiba) eingekauft.
Das Ministry of Knowledge Economy veröffentlichte im Januar 2010 einen Plan zum Export von 80 Kernkraftwerken bis 2030 im Wert von 400 Milliarden US$. Bis dahin soll Südkorea nach dem Willen des Ministeriums einen Anteil an den weltweiten Neubauten von 20 Prozent erreichen. Bei der Ausfuhr in finanzschwächere Länder kommen nach einer Studie der KDB auch Parallelgeschäfte wie die Lieferung von Kernkraftwerken gegen den Bezug von Rohstoffen in Frage. Denkbar wäre dies beispielsweise mit Südafrika.
Südkorea setzt auch Hoffnungen auf den Export kleiner Kernkraftwerke und entwickelt kleine Druckwasserreaktoren mit einer Leistung von 100 MW (sogenannte system-integrated modular advanced reactor, SMART). Die Entwicklungsphase soll Ende 2011 abgeschlossen sein.
Im Juni 2010 teilte das Ministry of Eduation, Science and Technology (MEST) mit, dass ein privates Konsortium für das SMART-Projekt gegründet wurde. Unter der Projektleitung des Korea Atomic Energy Research Institute (KAERI) beteiligen sich daran KEPCO, KEPCO Engineering & Construction, Korea Hydro & Nuclear Power, Korea Nuclear Fuel, POSCO, POSCO Engineering & Construction, POSCO ICT, Daewoo Shipbuilding & Marine Engineering, Samchang sowie Iljin Energy.
Daneben forscht das Land an natriumgekühlten Schnellreaktoren ("sodium-cooled fast reactor", SFR), an der Wiederaufbereitung von Brennstäben ("pyroprocessing") und an Hochtemperaturreaktoren (VHTR). Für die Entwicklung dieser Technologien und den Aufbau der dafür notwendigen Infrastruktur stellt das MEST 2011 insgesamt 65 Milliarden Won bereit. Nach einem 2014 auslaufenden Abkommen mit den USA darf Südkorea keine nuklearen Brennstäbe aufbereiten. Deshalb wird seit 2010 mit den USA über eine Änderung des Abkommens verhandelt.