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Asien Kurier  6/2010 vom 1. Juni 2010
Vietnam

Zuversichtliche Bauwirtschaft

Viele Projekte sind f�r private Investoren aufgrund hoher Investitionen und Risiken uninteressant. Die Art und Weise, in der Aufträge vergeben werden, bleibt zumeist undurchsichtig.

Von Dr. Stefanie Schmitt, Germany Trade & Invest in Hanoi

Die Bauwirtschaft zählt in Vietnam zu den Stützen des Wachstums. Die höhere Binnennachfrage aufgrund niedrigerer Preise für Baumaterial und die staatlichen Konjunkturmaßnahmen glichen 2009 die Zurückhaltung ausländischer Investoren mehr als aus. Deutsche Firmen haben Chancen auf Aufträge, allerdings ist Präsenz vor Ort eine wesentliche Voraussetzung. Bei öffentlichen Infrastrukturvorhaben heißt es immer wieder, dass nur solche Unternehmen in die engere Auswahl kommen, die die Projektfinanzierung selbst mitbringen.

Baustelle nahe Ho Chi Minh City
Foto: BlueScope Steel

Marktentwicklung/-bedarf

Auch 2009 zählte die Bauwirtschaft wieder zu den Trägern des vietnamesischen Wachstums. Industrie und Bau (das Statistikamt erfasst nur beide Sektoren gemeinsam) legten 2009 in der Summe um 5,5 Prozent zu. Damit lagen die beiden Branchen leicht über dem Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts, das um 5,3 Prozent anstieg. Noch zu Jahresbeginn war diese positive Entwicklung nicht abzusehen gewesen. Letztlich profitierte die Branche von Stützungsmaßnahmen der Regierung, sowohl über neue Bauaufträge als auch über subventionierte Unternehmenskredite. Darüber hinaus sanken im Jahresverlauf 2009 die Kosten wichtiger Materialien wie Stahl und Zement. Im Rahmen der Überhitzung der vietnamesischen Wirtschaft 2008 waren sie massiv angestiegen. Folglich konnten viele lokale Bauprojekte, die 2008 in der Preishochphase stillgelegt worden waren, wieder angefahren werden. Im Ergebnis wurde das geringere Engagement internationaler Investmentgesellschaften durch die gestiegenen vietnamesischen Investitionen überkompensiert. Umso wichtiger wurde es daher für ausländische Immobiliengesellschaften, vermehrt lokale Kunden anzusprechen.

Für 2010 ist zwar ein Anstieg der Bauzulieferkosten zu verzeichnen, die Branche blickt jedoch zuversichtlich in die Zukunft. "Der Mut wächst, wieder risikoreicher zu investieren", berichten Experten. Ab Mitte 2010 soll sich überdies auch von Seiten internationaler Investoren "einiges bewegen". Auch im Bauzulieferbereich ist die Stimmung optimistisch. Die weltweite Wirtschaftskrise hat viele Zulieferer in Vietnam nicht beeinträchtigt - dafür war die "Atempause" der Baubranche zu kurz. Vor allem für hochwertige Ware bestehe Potential, sagen Firmenvertreter.

Eine wichtige Rolle für den Bau spielen Maßnahmen zur Infrastrukturentwicklung. Im Jahr 2009 gab der Staat mit rund 1,2 Milliarden Euro eine Rekordsumme für solche Maßnahmen aus, 2010 sollen es 1,4 Milliarden Euro werden. Doch angesichts der benötigten gigantischen Investitionssummen ist klar, dass das Land diese Aufgaben nicht alleine schultern kann. Es baut deshalb weiter auf Mittelzuflüsse aus der Entwicklungshilfe. Wichtigste Geber sind Japan, die Weltbank und die Asiatische Entwicklungsbank (ADB).

Private ausländische Investoren sollen verstärkt zum Zuge kommen. Dabei haben diejenigen Unternehmen die größten Chancen, die ihre Finanzierung in Form von Krediten oder eines tragfähigen Public-Private-Partnership- (PPP-) Konzepts selbst mitbringen, so ein Vertreter des Ministry of Planning and Investment. Um mehr ausländische Investoren anzuziehen, wurde zum 15.1.10 eine neue Verordnung für Betreiberprojekte auf BOT-, BTO- und BT-Basis (Build-Operate-Transfer; Build-Transfer-Operate; Build-Transfer) in Kraft gesetzt.

Diese neue Verordnung ändert allerdings nichts daran, dass sich für private Investoren viele Projekte aufgrund hoher Investitionen und Risiken nicht rechnen. Bislang scheiterten Verhandlungen in der Regel an diesen Aspekten. Die wesentlichen Änderungen in der Verordnung betreffen administrative Prozesse. Neu geregelt wurde etwa das Projektausschreibungsverfahren. Danach müssen Ministerien und lokale Volkskomitees am 1. Januar eines jeden Jahres Listen geplanter Vorhaben veröffentlichen. Grundsätzlich müssen alle Projekte ausgeschrieben werden. Die Ankündigungen müssen in drei aufeinanderfolgenden Ausgaben der Zeitung "Bao Dau Thau" des Ministeriums für Planung und Investition (MPI) publiziert werden, die auch im Internet unter www.thongtindauthau.com.vn abrufbar ist.

Straßen-Baustelle nahe Ho Chi Minh City
Foto: Christopher Reetz

Produktion/Branchenstruktur

Die Zahl der im Bausektor tätigen Firmen in Vietnam wird auf rund 50.000 geschätzt, davon sind circa 2.000 bis 3.000 Consultingbüros. Die meisten sind kleine und mittelständische Betriebe. Größter Akteur ist die staatliche Vietnam Construction and Import-Export Joint Stock Corporation (Vinaconex; www.vinaconex.com.vn) mit 70 angeschlossenen Firmen und 42.000 Beschäftigten. Zum Ministry of Construction (MoC) gehören 17 Firmen, darunter Lilama (www.lilama.com.vn) und Song Da ( www.songda.com.vn). Diese könnten zu drei Blöcken fusioniert werden, um sie wettbewerbsfähiger zu machen. Der Mischkonzern Viettel (www.viettel.com.vn) gehört zum Militär. Auch wenn nach wie vor wenige riesige Staatsunternehmen den Sektor dominieren, haben private Firmen in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Hohe Gewinnerwartungen locken im Bausektor immer wieder neue, auch branchenfremde Firmen an.

Als Dachorganisation für insgesamt 13 Fachverbände fungiert die Vietnam Federation of Civil Engineering Association (VFCEA, www.tonghoixaydungvn.org).

Kontaktadressen der Bauwirtschaft Vietnam
Zusammenstellung: gtai, Köln

Geschäftspraxis

Ein Kernproblem der Baubranche ist das mangelnde Bewusstsein für den Faktor Zeit. Die Hauptursachen sind Finanzmängel, Verzögerungen bei der Umsiedlung der Bevölkerung von für Baumaßnahmen vorgesehenen Grundstücken ("land clearances") und fehlende Entscheidungsfreude. Selbst nach dem Baustart bleiben zeitliche Verschiebungen oft an der Tagesordnung. Manches Projekt kann deshalb nur noch in einer Sparversion realisiert werden oder endet letztlich als Bauruine. Bei der Umsetzung von Vorhaben treten zudem regelmäßig Schwierigkeiten durch schlechte Bauausführung auf. Deutsche Bauunternehmen, die in der Lage wären, einen Bauzeitenplan einzuhalten, kommen dennoch nur bei Ausnahmeprojekten zum Zuge, etwa wenn besonderes Know-how gefragt ist. Einfache Bauleistungen werden ausschließlich von heimischen Firmen erstellt. Diese versprechen mitunter Zeitpläne, die technisch gar nicht eingehalten werden können, erhalten aber den Zuschlag.

Grundsätzlich müssen Projekte, die mit 30 Prozent und mehr aus Mitteln der öffentlichen Hand finanziert werden, ab einem Wert von 500 Millionen vietnamesischen Dong (21.100 Euro, 1 Euro = 23.700 Dong, 3-Monatsmittel) bei Beratungsdienstleistungen und ab 1 Milliarde Dong bei Bauvorhaben ausgeschrieben werden. In der Praxis durchlaufen jedoch maximal 30 Prozent aller staatlichen Projekte diesen Prozess. Es ist üblich, größere Vorhaben zu stückeln, um unter den Ausschreibungsgrenzen zu bleiben. Hinzu kommt, dass oft nicht der Angebotspreis entscheidend ist, sondern gute Kontakte unerlässlich sind.

Die Art und Weise, in der Aufträge vergeben werden, bleibt zumeist undurchsichtig. Wettbewerbsteilnahmen gelten vielen Branchenvertretern als "verlorene Zeit, wenn man nicht die richtigen Leute kennt". Selbst ein Wettbewerbssieg verheißt nicht zwangsläufig den Auftrag. Hinzu kommt, dass die endgültige Entscheidung oft nicht von Personen mit der meisten Sachkenntnis getroffen wird, sondern von denjenigen, die in der Hierarchie ganz oben stehen. Nicht selten entscheiden Verbundenheiten des Auftraggebers über die Vergabe. In der Praxis heißt das etwa, wo er studiert hat, falls er Vietnamese ist, oder aus welchem Land er stammt, wenn es sich um einen Ausländer handelt. Es kann auch wichtig sein, dass "man" hin und wieder zusammen Tennis oder Golf spielt, oder dass inoffizielle Zahlungen stattgefunden haben. Die Zusammenarbeit mit verlässlichen lokalen Partnern kann helfen. Ferner ist der Einfluss von Consultants bei der Wahl der ausführenden Unternehmen oder des eingesetzten Materials nicht zu unterschätzen. Die wichtigste Erfolgsvoraussetzung ist in jedem Fall die Präsenz vor Ort.

Manche Gebernationen wie Japan legen Wert darauf, dass ihre Hilfe über einen gewissen Lieferanteil wieder an heimische Unternehmen zurückfließt. Deutsche Firmen kommen dann allenfalls in Spezialbereichen als Subkontraktoren zum Zuge.





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