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Es war so schön ausgedacht: Mit einem etwas gesteigerten Maß an ingenieurtechnischem Erfindergeist und entsprechender politischer Rückendeckung könne flugs eine neue Ära in der Geschichte der Fortbewegung eingeläutet werden. Weg von den misslichen Verbrennungsmotoren, hin zu emissionsarmen Fahrzeugen mit Elektromotor. Als besonders groß gelten Handlungsbedarf und Absatzpotenzial in Asien im Allgemeinen und China im Besonderen. Angesichts enormer Umweltbelastungen und eines steigenden Energiebedarfs wurden Elektro-Fahrzeuge als Antwort auf die Dilemmata einer erhöhten Mobilität gefeiert. Dieser Jubel kam wohl zumindest deutlich zu früh.
Denn mittlerweile zeigt sich klar, dass sich der Durchbruch von neuen Technologien weder akkurat am Reißbrett planen lässt noch von einer politischen Führung in Jahresplänen diktiert werden kann. Ganz im Gegenteil: Innovationen haben es oftmals schwer, sich am Markt durchzusetzen. Damit eine Technologie die Marktreife erlangt, muss eine ganze Reihe von Erfolgsfaktoren erfüllt sein, die von einer akzeptablen Preisgestaltung, der Kompatibilität mit bestehenden Systemen und bis zu einer trag- und anschlussfähigen Infrastruktur reichen. Es sieht ganz so aus, als seien speziell E-Autos ein Beispiel für einen besonders voraussetzungsreichen Innovationstyp, haben sie doch sowohl in den Industrieländern als auch in den asiatischen Boomländern erhebliche Probleme, sich durchzusetzen. Während aktuell in Deutschland vonseiten der Industrie der Ruf nach Beihilfen für Käufer von E-Autos immer lauter wird, haben einige asiatische Länder dieses Instrument bereits im Einsatz, wobei damit vor allem der heimischen Automobilwirtschaft unter die Arme gegriffen werden soll. Insbesondere in China werden zum Teil hohe staatliche Zuschüsse gewährt, um Kunden zum Kauf eines E-Autos zu motivieren. Dennoch bleiben die Verkaufszahlen enttäuschend und wirken die politischen Statements, die jeweiligen Länder zu Top-Standorten für E-Mobility zu entwickeln, zunehmend wie Durchhalteparolen.
Im Moment ist jedenfalls noch offen, ob sich reine E-Autos irgendwann großflächig durchsetzen oder ob nicht vielmehr attraktive Hybrid-Modelle das Rennen machen werden. In Japan zum Beispiel spielen Hybrid-Wagen schon eine ziemlich gewichtige Rolle. Was die Chancen von E-Fahrzeugen betrifft, ist die japanische Regierung skeptisch, ob es für vollelektrisierte PKW überhaupt ein marktfähiges Geschäftsmodell gibt. Eine Studie von British Petroleum zur Zukunft des Energieverbrauchs geht davon aus, dass im Jahr 2030 lediglich 4 Prozent aller PKW weltweit (etwa 64 Mio. Stück) E-Autos sein werden. Dem sollen dann immerhin 176 Millionen Hybrid-Fahrzeuge gegenüberstehen, was einen Anteil von 11 Prozent ausmachen würde. Wohin geht also die Reise für elektrische Fahrzeuge? Werfen wir also einen etwas genaueren Blick auf einige asiatische Hauptmärkte.
China � große Hoffnungen, geringe Absätze
China gilt bekanntermaßen als Dorado für Autobauer. Im letzten Jahr lag die PKW-Durchdringungsrate bei 46 Autos pro 1.000 Einwohner. Bis 2015 soll dieser Wert auf immer noch niedrige 113 PKW je 1.000 Einwohner ansteigen. China ist also nicht von ungefähr einer der wichtigsten Zielmärkte für die deutsche Automobilbranche. Trotz dieser nahezu paradiesischen Voraussetzungen haben es E-Autos auch hier ungemein schwer, Käufer von ihrem Nutzen zu überzeugen. In 2011 wurden lediglich zwischen 8.000 und 9.000 E-Autos und E-Busse verkauft, wobei diese fast komplett an Regierungseinrichtungen gegangen sind. Diese mehr als mageren Absatzzahlen stellen auch den 2010 aufgestellten �New Energy Vehicle Development Plan� infrage, demzufolge bis 2015 insgesamt 500.000 E-Autos auf Chinas Straßen fahren sollen und dieser Wert bis 2020 auf dann 5 Millionen Fahrzeuge erhöht werden soll. Zur finanziellen Unterfütterung dieses Vorhaben werden 100 Milliarden Renminbi (12,63 Mrd. Euro, 1 Euro = 7,92 RMB, Juli - Sep.12) eingeplant. Allerdings scheint dieser ambitionierte Plan so nicht aufzugehen. Ein aussagekräftiger Indikator hierfür ist die Tatsache, dass die Verkaufssalons über teils sehr hohe Lagerbestände klagen, die bei einigen chinesischen Autohändlern bei bis zu drei Monatsverkäufen liegen. Hierfür sind mehrere Gründe zumindest mitverantwortlich. Da wären einmal eher gefühlsmäßig geprägte Vorbehalte gegenüber E-Autos. Schließlich wird Autofahren ja weltweit vor allem mit Ungebundenheit und Fahrspaß und nicht mit vernunftmäßigem Umweltschutz assoziiert � Luftverschmutzung hin, steigende Energiepreise her. Daneben spielen auch völlig rationale Gründe für die verhaltene Nachfrage eine Rolle: hohe Anschaffungskosten, eine geringe Reichweite, fehlende Aufladestationen aber auch Sicherheitsaspekte.
Trotz üppiger Zuzahlungen beim Kauf eines E-Autos in Höhe von bis zu 120.000 Renminbi (etwa 15.150 Euro) sind Verkaufspreise von 370.000 Renminbi (ca. 46.700 Euro) für die meisten Chinesen schlicht zu hoch. Daher setzt beispielsweise das Joint Venture zwischen Daimler und dem chinesischen Autobauer BYD mit der Elektroauto-Marke Denza vor allem auf Flottenbetreiber und die öffentliche Hand. 2013 soll das Denza-Mobil mit einer Reichweite von 200 bis 250 Kilometern auf den Markt kommen. BYD hat in den ersten Monaten lediglich 388 Fahrzeuge des Hybridmodells F3 DM abgesetzt. Auch der vollelektrisierte �e6� (E-Taxi) verkauft sich nur mit hohen Abschlägen. Auch der Hybrid Prius von Toyota hat in China kaum Fans: in den ersten vier Monaten 2012 wurden ebenfalls nur wenige Hundert Stück (449) verkauft. Nicht zur Vertrauensbildung tragen dabei auch Nachrichten wie von diesem Frühjahr bei, als ein E-Auto bei einem Unfall in Flammen aufgegangen war und die drei Insassen ums Leben kamen. Dies mag ein Einzelfall gewesen sein � er führt aber dazu, dass die vorhandenen negativen Vorurteile weiter verstärkt werden.
Ein wesentlicher Engpassfaktor ist und bleibt vorerst die viel zu geringe Anzahl an Aufladestationen. So verfügt die 30-Millionen-Metropole Chongqing nur über 150 dieser Stromtankstellen. In 2011 lag ihre Zahl chinaweit bei 16.000, was noch weit entfernt von den 400.000 Stück ist, die für das Jahr 2015 als Zielmarke ausgegeben wurden. Dass hier aber �zumindest auf lange Sicht � noch nicht aller Tage Abend gesehen wird, beweist der Umstand, dass viele westliche Automobilhersteller strategische Kooperationen mit chinesischen Partnern eingegangen sind, um E-Autos in China auf den Markt zu bringen. Ein prominentes Beispiel hierfür ist der Volkswagen Konzern und dessen Allianz mit First Automotive Works (FAW) und mit der Shanghai Automotive Industry Corp. (SAIC). Aus diesen Kollaborationen entstehen neue Modelle, die womöglich bessere Absatzergebnisse erzielen können als ihre Vorgänger. Auch innovative Nutzungskonzepte wie die Kooperation zwischen BYD, dem Autoverleiher Hertz und General Electric zum Leasing von E-Autos für drei chinesische Städte könnte eine gewisse Marktdynamik erzeugen.
Hongkong � Elektrisch gegen den Smog
Was ein maximaler Motorisierungsgrad für die Atemwege von Großstädtern bedeuten kann, wissen die Hongkonger schon längst aus eigener leidlicher Erfahrung. Die südchinesische Hafenmetropole erstickt förmlich im Smog. Folglich wird auch hier nach Alternativen zu herkömmlichen Fortbewegungsmitteln gesucht. Auch wenn die Autobesitzrate bei lediglich 8 Prozent der Einwohner liegt, kommt insgesamt eine Fahrzeugmenge von 700.000 Stück (inkl. 477.000 PKW) zusammen, die für das überschaubare Hongkong zu hoch ist. Vor diesem Hintergrund hat die Stadtregierung ein Programm zur Förderung von E-Autos, dem Aufbau von Ladestationen sowie von Tests für alternative Antriebswege im öffentlichen Nahverkehr aufgelegt. Das Ziel lautet: Bis 2020 sollen 15 Prozent der Busse auf Hongkongs Straßen und 30 Prozent aller privaten Fahrzeuge über Hybrid- oder Elektroantriebe verfügen. Die Palette an Förderinstrumenten reicht dabei von der Finanzierung der Anschaffungskosten für gewerbliche Fahrzeuge bis hin zum Erlass der Registrierungssteuer. Das Resultat ist bislang bescheiden: Ende Mai 2012 waren circa 310 E-Fahrzeuge auf den Hongkonger Straßen unterwegs. Und es ist nicht zu erwarten, dass sich diese Zahl kurzfristig deutlich erhöhen wird. Denn nur jeder achte Hongkonger kann sich den Kauf eine E-Autos vorstellen. Auch in Hongkong gilt der hohe Anschaffungspreis neben der Reichweite als Haupthindernis. Immerhin wird seit September dieses Jahres in Hongkong das Model S von Tesla verkauft, das mit 480 km die höchste Reichweite aller E-Autos aufweist. Neben den individuellen Kaufanreizen versucht die Hongkonger Regierung aber auch mehr Ladestationen � vor allem Schnellladestationen � bereitzustellen, um den Kauf von E-Autos anzukurbeln. Momentan gibt es in Hongkong bereits 1.000 Ladestationen, wobei Autofahrer an einigen von ihnen sogar kostenlos aufladen können.
Japan, das Hybrid-Mekka
Japan ist seit längerer Zeit der eindeutige Maßstab in Sachen Elektromobilität und hat sich beim Bau stromgetriebener Autos weltweit an die Spitze gesetzt. Profitieren kann das Land dabei vor allem durch seinen Vorsprung bei der Hybridtechnik. Auch in Japan versucht der Staat den Kauf von vollelektronischen Autos zu forcieren. Die Höhe der gewährten Subvention variiert von Modell zu Modell. Allerdings ist der Erfolg auch in Japan sehr begrenzt. Während in 2011 in Japan 450.000 Hybrid-PKW verkauft wurden, was einem ansehnlichen Anteil am gesamten PKW-Absatz von 12 Prozent entsprach, standen aufseiten der E-Autos gerade einmal 7.500 verkaufte Exemplare. Die Anzahl der verkauften Hybrid-Modelle blieb im Vergleich zum Vorjahr in etwa konstant, was man zumindest als ein nicht abnehmendes Interesse interpretieren kann. Das bestverkaufte Hybrid-Modell ist der Prius von Toyota, für den für 2012 in Japan ein Absatz von zwischen 35.000 und 40.000 Stück erwartet wird. Für sein elektronisches Mini-Car �eQ� hat Toyota die ursprüngliche Vertriebsprognose von mehreren tausend Stück zurückgenommen und plant jetzt, das Modell in einer limitierten Auflage in Japan und den USA zu verkaufen. Ein ungleich höheres Marktpotenzial sieht Toyota weiterhin im Hybrid-Segment: Im September hat das Unternehmen angekündigt, bis 2015 die Produktpalette um 14 auf 21 Hybrid-Modelle zu erweitern. Die Herausforderungen für E-Autos sind ähnlich gelagert wie in China � vor allem hohe Anschaffungskosten, lange Ladezeiten und kurze Reichweiten halten Konsumenten vom Kauf ab. Auf der Produktionsseite ist Japan jedoch grundsätzlich gut aufgestellt und kann auf eine leistungsfähige Zulieferindustrie bei der Entwicklung von neuen E-Autos zurückgreifen. So sind japanische Anbieter bei der Entwicklung von Autobatterien führend.
Stimulierend für den weiteren Weg der E-Mobility in Japan könnten sich Überlegungen erweisen, E-Cars mit neuen Wohnhauskonzepten und intelligenten Stromnetzen zu verknüpfen. Die drei großen japanischen Autobauer Toyota, Honda und Nissan weiten auch dafür kontinuierlich ihre F&E-Budgets aus.
Indien � E-Autos Fehlanzeige
Im Vergleich zu Japan ist in Indien für E-Autos bislang so gut wie gar nichts zu gewinnen gewesen. In ganz Indien gibt es derzeit kaum erwähnenswerte 1.500 E-Autos. Dieses generelle Desinteresse ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass Indiens Automobilmarkt derzeit unter einem starken Rückgang der Nachfrage leidet. Der Absatz ist im letzten Finanzjahr nur um 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Nun verleiden den Konsumenten höhere Treibstoffpreise, höhere Zinsen und das ungünstige Wechselkurs-Niveau offenbar die Kauflaune.
Die Aussichten für das nächste Jahr sind ebenfalls mau. Dies hängt auch damit zusammen, dass Autohersteller die Käufer dann über ein Sterne-System (1-5) über die Treibstoffeffizienz der Fahrzeuge informieren müssen, womit Mehrkosten für die Firmen einhergehen dürften. Um dem Verkauf von E-Fahrzeugen wenigstens ein wenig auf die Sprünge zu helfen, hat das Ministry of New and Renewable Energy (MNRE) im August 2012 beschlossen, die zuvor gestrichenen Subventionen wieder zu gewähren und bis zu 100.000 indische Rupien zum Verkaufspreis von E-Autos zuzuzahlen. Der indische Automobilhersteller Mahindra & Mahindra hat in 2011 rund 700 Stück von Indiens einzigem E-Automodell verkauft. Es handelt sich dabei um den Reva, der schon seit 2001 auf dem Markt ist. Mit der Subventionsstreichung war der Absatz um rund 65 Prozent auf 20-25 Stück pro Monat eingebrochen. Ganz offenkundig ist Indien ein überaus preissensibler Markt, auf dem man sich keine kostspieligen Experimente leisten kann. Dennoch will das Unternehmen bis 2016 30.000 Stück des Reva an den Mann oder die Frau bringen. In der im August 2012 bekanntgegebenen �National Electric Vehicle Mission Policy� werden Absatzpläne in Höhe von 6 Millionen E-Autos bis zum Jahr 2020 als Ziel ausgegeben. Die aktuell vorgenommenen Investitionen ausländischer und indischer Automobilhersteller in Indien lassen jedoch vermuten, dass der Schwerpunkt der Produktion weiter auf Automobilen mit herkömmlichen Antrieben liegen wird. Von einem ernst zu nehmenden E-Mobility-Trend im indischen Automarkt kann vorerst folglich nicht die Rede sein. Einige Chancen scheinen dagegen im Markt für elektronische Zweiräder zu liegen, wo im letzten Jahr 100.000 Hero Electric-Zweiräder verkauft wurden.
Alles in allem hat es den Anschein, als seien E-Autos noch sehr weit von einem möglichen Marktdurchbruch entfernt. Ohne erhebliche Subventionen für prinzipiell interessierte Verbraucher wird es dabei nicht gehen. Noch wichtiger dürften aber Technologiesprünge sein, mit denen es möglich wird, die Reichweiten zu erhöhen und die Ladezeiten zu verringern. Hinzukommen müsste ein generalstabsmäßiger Ausbau der Ladeinfrastrukturen in Asien. Denn wie heißt es so schön: Ohne Strom nichts los.