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BEIJING. Wie die Hersteller von Luxusuhren und -handtaschen nehmen Kreuzfahrtgesellschaften den wachsenden Markt der Neureichen in Asien, allen voran in China, ins Visier.
Die Strategie der Betreiber von Kreuzfahrtschiffen, die Konsumenten aus Asien ins Boot zu holen, scheint plausibel. Zugrunde liegt ihr der erwartete steile Anstieg der Auslandsreisen von Chinesen. Hinzu kommen neue Hochgeschwindigkeitsstrecken für den Zugverkehr, die den Reisewilligen außerhalb der reichen Küstenregionen die Anreise in die Hafenstädte erleichtern dürften. Aber das Vordringen in diesen Markt, vor allem den chinesischen, birgt zahlreiche Herausforderungen.
"Das ist die Quizfrage, die die Anbieter zu knacken versuchen", weiss der Analyst der Credit Suisse Joel Simkins. "Alle sind sich einig, dass hier langfristig ein enormes Potenzial schlummert. Es zu erschliessen ist aber weitaus komplexer, als eine Starbucks-Filiale zu eröffnen." Simkins geht davon aus, dass die Zahl der Kreuzfahrtteilnehmer in der asiatisch-pazifischen Region von 1,7 Millionen Euro im Jahr 2010 bis auf 4,6 Millionen Euro im Jahr 2020 hochschnellen könnte. Vorausgesetzt, der asiatische Markt wächst ähnlich rasant wie der europäische zwischen 2000 und 2010.
Luxus pur
In Nordamerika und Europa ist der Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff nichts so Exotisches mehr wie in Asien, erklärt Simkins. 3,3% der Menschen in Nordamerika haben beispielsweise bereits eine Kreuzfahrt gemacht, in Europa liegt die Vergleichszahl bei 1,1%. In Asien dagegen kommen auf 100 Menschen lediglich 0,2% Kreuzfahrtpassagiere. Überdies sind die Kreuzfahrten, an die die Chinesen gewöhnt sind, häufig kaum mehr als Glücksspielfahrten, ergänzt Simkins. Damit der Markt für Luxuskreuzfahrten wachsen kann, müssen die Konsumenten sie als Möglichkeit in Betracht ziehen, mit der ganzen Familie Ferien zu machen bzw. sich etwas ganz Besonderes zu gönnen. "Es geht also darum, erst einmal ein Bewusstsein für diese Form des Reisens zu schaffen", meint Simkins. "Für Chinesen ist dies ein völlig fremdes Konzept."
Langfristiges Expansionspotenzial
Zwei der grössten Kreuzfahrtgesellschaften, Carnival Corp., die Muttergesellschaft von Carnival Cruise Lines, und Royal Caribbean International, haben 2006 damit begonnen, ihre Aktivitäten auf dem asiatischen Markt auszubauen. Carnival wird in Kürze ein Büro in Singapur eröffnen. Royal Caribbean hat bereits 2007 in Shanghai eine Dependance errichtet, gefolgt von Niederlassungen in Beijing und Guangzhou im Jahr darauf. Im letzten Jahr nahm Carnival ein grösseres Kreuzfahrtschiff für Touristen aus China in Betrieb und gab unlängst bekannt, dass mit der Costa Atlantica in diesem Jahr ein weiteres grosses Schiff für den chinesischen Markt hinzukommen soll. Royal Caribbean wird ebenfalls noch 2013 ein zweites grosses Schiff in asiatischen Gewässern in Dienst stellen. "In Asien steckt das Kreuzfahrtsegment zwar noch in den Kinderschuhen. Märkte wie China, Japan, Südkorea, Singapur, Indonesien, Thailand, Malaysia und Indien haben langfristig gesehen jedoch enormes Wachstumspotenzial", heisst es im jüngsten Geschäftsbericht von Carnival. "Die Region Asien betrachten wir daher als zentralen Teil unserer globalen Geschäftsstrategie."
Für den Gewinn der Kreuzfahrtgesellschaften aber scheinen die Geschäfte in Asien bislang kaum eine Rolle zu spielen. Laut Simkins ist China für Royal Caribbean ein Bereich, in dem man eine schwarze Null anstrebt. In diese Richtung gehen auch die Äusserungen führender Unternehmensvertreter, denen zufolge wohl nur das neue grössere Schiff von Carnival Cruise im letzten Jahr schwarze Zahlen geschrieben hat. Eines der Probleme, mit denen sich Kreuzfahrtbetreiber konfrontiert sehen, besteht darin, dass Chinesen in der Regel an Land deutlich weniger für Dienstleistungen wie Massagen und Wellness-Behandlungen bezahlen, als an Bord der Luxusliner dafür verlangt wird. Für den Gewinn der Kreuzfahrtgesellschaften sind diese Zusatzleistungen aber enorm wichtig. "Im Westen sind die zusätzlichen Ausgaben für Exkursionen, Annehmlichkeiten an Bord und Menüs der Spitzenklasse ein wesentlicher Teil des Geschäftsmodells", so Simkins. "Wir haben es hier mit einer knallharten Kalkulation zu tun: Die Reise als Basisgeschäft deckt die Kosten, mit den Zusatzleistungen hofft man auf den Gewinn."
Die Region Asien-Pazifik
Um den Vorlieben der Chinesen Rechnung zu tragen, hat Carnival deshalb die Fläche für das Spielkasino und die Mahjongg-Tische vergrössert sowie mehr Luxusmarken und in China beliebte Lebensmittel und Getränke ins Angebot genommen. Noch aber haben die grossen Kreuzfahrtbetreiber alle Hände voll damit zu tun, ihre Marke zu etablieren und sich durch den bürokratischen Dschungel im Reich der Mitte zu schlagen. Der Gewinn ist noch nicht so verlockend, dass sich der Bau eines neuen Schiffs speziell für den chinesischen Markt lohnen würde. "Bislang nehmen sie Produkte für den westlichen Markt und bauen diese für den chinesischen Markt um", erklärt Simkins. "Wir stehen hier noch ganz am Anfang der Entwicklung. Da ist es wirtschaftlich gesehen wenig sinnvoll, etwas speziell für den chinesischen Markt zu entwickeln."
Einiges deutet jedoch darauf hin, dass die Rechnung demnächst besser aufgehen könnte. Zum einen werden in China derzeit Hochgeschwindigkeitsstrecken für den Zugverkehr gebaut, mit denen die Reisenden bequemer zu den Abfahrtshäfen der Kreuzfahrten gelangen dürften als Touristen in Europa oder den USA, die nicht selten mit dem Flugzeug anreisen. Hafenterminals wie der in Shanghai erweitern zudem die Kapazitäten für diesen Wachstumsmarkt. Noch wichtiger aber dürfte sein, dass die Zahl der Chinesen, die ihren Urlaub im Ausland verbringen, in den letzten Jahren nach oben geschnellt ist. Bis zum Jahr 2020 wird mit 100 Millionen Auslandsreisen von Touristen aus China gerechnet. Berücksichtigt man all diese Faktoren, tun die Kreuzfahrtgesellschaften gut daran, China und die Region Asien-Pazifik fest im Auge zu behalten. "Sie gehen mit neueren, grösseren Schiffen an den Markt. Und nachdem sie hier den Fuss ins Wasser gesetzt haben, werden sie nun versuchen, einen Markt aufzubauen und diese Unternehmung zum Erfolg zu führen." Simkins schliesst mit den Worten: "Wir befinden uns tatsächlich an dem Wendepunkt, an dem das ganz grosse Spiel seinen Anfang nimmt."