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Asien Kurier  9/2014 vom 1. September 2014
Asien

Asiens Bekleidungsindustrie sucht Alternativen

Südostasien profitiert vom Standortwechsel

Von Dr. Doreén Pick in Berlin

Spätestens seit dem Einsturz des Rana-Plaza-Komplexes im April 2013 mit über tausend Toten stehen westliche Abnehmerfirmen von Textilen unter erhöhtem Druck, Alternativen zu den unsicheren Arbeitsbedingungen in Bangladesch zu finden. Zugleich sind die Arbeitskosten in der VR China zuletzt so stark gestiegen, dass das Land als Bekleidungs-Sourcing-Destination inzwischen deutlich uninteressanter geworden ist. Wenn es um mögliche Alternativen zu diesen beiden Märkten geht, dann richtet sich der Blick vor allem auf die ASEAN-Staaten Vietnam, Laos, Thailand und Kambodscha.

Schuhfabrik in Vietnam Vietnam exportierte im Jahr 2012 Schuhe im Wert von 8,4 Milliarden US$.
Foto: Li Yuan

Der ASEAN-Fokus ist gut verständlich, denn für die Region gehören Textilien und Bekleidungswaren zu den wichtigsten Exportgütern. Im Jahr 2011 beliefen sich die Ausfuhren in diesen Sparten auf insgesamt rund 10 Milliarden US$. Angesichts des zum Teil gravierenden Entwicklungsgefälle zwischen den einzelnen Volkswirtschaften der Gemeinschaft überrascht es nicht, dass nicht alle von ihnen einen Schwerpunkt auf diesen Wirtschaftszweig gelegt haben.

Vietnam will weiter wachsen
Ein traditionelles Schwerpunktland für die Bekleidungsindustrie ist hingegen Vietnam. Dort sind in den letzten Jahren die Exporte von Tuchwaren und Textilien konstant angestiegen. Allein in den ersten fünf Monaten von 2014 wurden Produkte im Wert von 8,4 Milliarden US$ exportiert. Dies entsprach einem Anstieg von rund 18,5% zum Vorjahreszeitraum. Der größte Teil davon ging in die USA und nach Japan, die zusammen mehr als 60% der entsprechenden Ausfuhren Vietnams abnehmen. Für Japan ist Vietnam nach China sogar der zweitgrößte Herkunftsmarkt für Tuchwaren und Textilien, wenn auch mit großem Abstand: Japan bezieht rund 7,6% dieser Waren aus Vietnam, aus China hingegen 66,5%. Die nächstgrößten Exporterfolge erzielt Vietnam im Handel mit den ASEAN-Nachbarländern. Insgesamt wächst die Branche jährlich um 15-20% und beschäftigt etwa 2,5 Millionen Menschen, die mehr als 3 Milliarden Einheiten herstellen. Weniger relevant ist noch Europa, das derzeit nur rund 2,7% seiner Textilien aus Vietnam bezieht. Mit der EU werden aber perspektivisch die größten Hoffnungen verbunden. Europa importiert im Ganzen pro Jahr Tuchwaren und Textilien im Wert von 140 Milliarden US$. Hieran möchte Vietnam teilhaben und rechnet sich weitere Exportchancen aus.

Eine der Stärken des Landes wird darin gesehen, dass Vietnam in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen hat, die gesamte Wertschöpfungskette der Industrie abzubilden. Dies beinhaltet Investitionen in Spinnereien, Webereien und Färbereien, für die neuerdings auch Partnerschaften mit günstigeren Produktionsländern wie etwa der Mongolei eingegangen werden. Deutsche Maschinenbauer könnten speziell in diesen Segmenten von der anziehenden Nachfrage profitieren. Die Branche in Vietnam weist aber auch einige Defizite auf. Ein zentrales Manko liegt im hohen Importanteil von Grundmaterialien aus anderen Ländern. Nach Aussage des Vizeministers für Industrie und Handel, Ho Thi Kim Thoa, müssen dringend konkrete Ziele zur Eigenproduktion von verarbeiteten Rohstoffen definiert werden. Damit verbunden sind aber erhebliche Konsequenzen, die technologische Innovationen, Qualitätskontrollen, Arbeitskräfte-Organisation und ein Umweltmanagement nach internationalen Standards erfordern. Der Veränderungsdruck wird weiter zunehmen, da vor allem aus China importiert wird und die Preise in China deutlich steigen. Die Firmen in Vietnams Tuchwaren- und Textilsektor suchen aktiv nach neuen Lieferanten und richten dabei den Blick nach Indien, Indonesien, Malaysia, Südkorea und Thailand.

Laos - klein, aber auf dem Vormarsch
Vietnams Nachbarland, die (sozialistische) "Demokratische" Volksrepublik Laos, konnte in den letzten Monaten den Export von Tuchwaren und Textilien speziell in diejenigen Länder steigern, die bislang in China eingekauft haben. Dort sind die Produktionskosten aufgrund von Lohnsteigerungen derart gestiegen, dass viele Produzenten auf der Suche nach günstigeren Alternativen sind. Laos nutzt die sich hieraus ergebenden Chancen und exportiert primär nach Kanada und Japan. Insgesamt wurden nach Angaben der Lao Garment Industry Association in den ersten sechs Monaten von 2014 Waren im Wert von 95 Millionen US$ ausgeführt. Dies entspricht einem Anstieg von 5% zur Vorjahresperiode. Für das Gesamtjahr 2014 werden Exportumsätze in Höhe von 226 Millionen US$ erwartet. Gestützt werden soll das Wachstum durch die Einführung moderner Technologie und die Ansiedlung neuer Hersteller. Vorteile für die Branche und die weiterhin positiven Aussichten werden vornehmlich in der politischen Stabilität und den niedrigen Arbeitskosten gesehen.

Neue Investoren werden aber auch mit dem Argument angezogen, dass in Laos so gut wie keine Streiks stattfinden. Im Nachbarland Kambodscha haben solche die Produktion temporär durchaus zum Erledigen gebracht. Eine zentrale Schwäche ist die sich verschärfende Arbeitskräfteknappheit. Branchenexperten sprechen von rund 60.000 fehlenden Arbeitern. Momentan sind rund 30.000 Personen in Laos in der Textilproduktion beschäftigt. Ein Grund für die fehlenden Arbeitskräfte wird in den höheren Mindestlöhnen in Thailand gesehen, wohin es viele laotische Arbeiter zieht. Dort können Arbeitskräfte im Monat ca. 9000 Baht (ca. 212 Euro) verdienen, während es in Laos nur rund 620.000 Kip (ca. 57 Euro) sind.

Im Textsektor von Kambodia beträgt der monatliche Mindestlohn bereits US$ 100. Trotzdem stören streikende Arbeiten sehr oft die Produktion. 2015 soll der Lohn weiter steigen.
Foto:Jacques Bredoilles

Thailand Industrie � entwickelt und flexibel
Auch Thailand ist wieder aktiver in der Textilproduktion geworden. Das Land mit einem der spannendsten Wochenendmärkten, dem Chatuchak-Market, auf dem es jede erdenkliche Art von Textilien und Kleidung gibt, wartet mit 4500 Textil- und Kleidungsfabriken auf, in denen rund eine Million Menschen beschäftigt sind. Schwerpunkte der Industrie liegen bei der Produktion von Pflanzenfasern, bei Spinnereien und Webereien sowie beim Färben und Drucken. Viele dieser Zwischenproduzenten sind mit Wertschöpfungsketten wie der "Bangkok Weaving Mills Groups" verbunden, die vorbearbeitete Textil-Teile nach Kambodscha transportiert, wo sie dann geschnitten und vernäht werden. 2013 wurden Tuchwaren und Textilien im Wert von rund 7 Milliarden US$ produziert, was einem Plus von etwa 3,6% zum Vorjahr entsprach. Die Exporte sind um rund 8% gestiegen. Der große Teil der Exporte geht nach Europa, die VR China und die USA. Wichtige Textil-Hersteller in Thailand sind Jongstit, Luckytex, Lucky Spinning, YRC Textile, Natural Rubber and Kangwal Textile. Die Top-Unternehmen im Bereich Tuchwaren sind Central Trading, Hi-tech und Jaspal.

Thailand ist neben Indonesien die einzige ASEAN-Nation, die vollständige Textilproduktionsketten vorweisen kann. Thailand hat dabei gegenüber Indonesien den Vorteil, auf bestimmte Kundenwünsche eingehen zu können � auch die Produktionstechnologien sind fortschrittlicher. Für dieses Jahr erwartet die Federation of Thai Textile Industries Textil-Exporte in Höhe von 4,6 Milliarden US$, was einen weiteren Anstieg von 5-10% bedeuten würde. Insgesamt hat der durch Militärputsch und chaotischer Politik verursachte Wertverlust der Landeswährung Baht die thailändische Produktion wettbewerbsfähiger gemacht. Die Nachfrage nach Maschinen steigt, was sich auch in den Verkaufserfolgen deutscher Maschinenbauer niederschlägt. Deutsche Textilmaschinenhersteller haben bereits in den ersten vier Monaten von 2014 mehr als das Vierfache an Umsätzen erzielt. Von Januar bis April wurden Maschinen im Wert von 37,6 Millionen Euro verkauft. Damit hat Thailand deutlich aufgeholt und ist nun das fünftwichtigste Exportland für deutsche Textilmaschinen.

Kambodscha � Streiks als Herausforderung
Kambodscha hat sich in den vergangenen Jahren als verlässlicher Produktionsstandort für Textilien erwiesen. Ein Grund hierfür kann sicher in der Überwachung und Berichterstattung der Arbeitsbedingungen durch die International Labor Organization (ILO) gesehen werden. Angesichts der guten Noten, die dem Land gegeben wurden, haben sich zahlreiche westliche Produzenten wie Gap, Levi�s und Wal-Mart hier niedergelassen. Aktuell gibt es in Kambodscha etwa 1.200 Tuchwarenfabriken. Im Vergleich zum Vorjahr sind etwa 8% neue Produktionsstätten hinzugekommen. Die Zahlen legen nahe, dass fast wöchentlich eine neue Textilfabrik eröffnet wird. Aktuell sind in der Tuchwaren- und Textilbranche knapp 733.000 Menschen beschäftigt. Ende 2013 waren es noch 678.000 Menschen. Der Textilsektor steht auch für sage und schreibe 85% der kambodschanischen Exporte. Größte Abnehmer sind die USA und Europa. Als zentrale Schwäche werden jedoch vor allem häufige Streiks aufgeführt, welche die Produktionsplanung erheblich stören.

Gleichwohl lässt sich festhalten, dass 2001 noch rund 1,2 Milliarden US$ bei Textil- und Kleidungsexporten umgesetzt wurden, 2012 waren es 4,5 Milliarden US$. Im letzten Jahr hat das Land an Exporten mit 4,9 Milliarden US$ fast die 5-Milliarden-Dollar-Grenze überschritten. In den ersten drei Monaten von 2014 wurden Waren im Wert von 1,2 Milliarden US$ bereits umgesetzt. Es wird erwartet, dass zum Ende des Jahres Kambodscha deutlich über der neuen Höchstmarke sein wird. Während die Exporte auch in 2015 weiter steigen dürften, könnten sich die Profite der Branche etwas reduzieren. Mit dem Inkrafttreten des ASEAN Economic Community (AEC) Ende 2015 rechnet man mit weiteren Lohnsteigerungen im Sektor. Nach den Protesten in 2013, in denen Mindestlöhne von 160 US$ gefordert wurden, beträgt der Mindestlohn in der Branche nun 100 US$. Die Löhne sollen dann jährlich zu Beginn eines Jahres kontinuierlich angehoben werden. In den nächsten Monaten wird über die Lohnsteigerung für das Jahr 2015 entschieden.





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