Vier Wochen zogen sich die Wahlen in Indien, der "gr��ten Demokratie der Welt" hin, dann stand das Ergebnis fest: vorerst kein Chaos, sondern Kontinuit�t, Stabilit�t und mehr Marktwirtschaft. 40 Sekunden dauerte es am Montag danach lediglich, bis die Computer in Mumbai die B�rse zum Stillstand zwangen - es war, als ob die 714 Millionen W�hler wieder soviel Vertrauen in die Zukunft hatten, dass sie wie in einer riesigen Bullenstampede Aktien kauften - aber nur 40 Sekunden lang.
Dann waren der SENSEX, der "Bombay Stock Exchange Sensitive Index" um 17 Prozent nach oben geschossen (Seite 2), mehr als fr�her in einem ganzen Jahr, als die elektronische Notbremse gezogen wurde - ein Weltrekord des B�rsen-Kapitalismus. H�tte das Sicherungssystem versagt, so sch�tzen Experten, w�ren die Kurse an diesem Tag bis zu 40 Prozent gestiegen. Am n�chsten Tag kehrte wieder Vernunft ein und den entt�uschten Spekulanten wurde schnell klar, dass sie auch schnell h�tten 30 Prozent verlieren k�nnen - B�rsen sind keine Einbahnstra�en, schon gar nicht, wenn Spieler die Ampeln steuern.
Zur selben Zeit d�mpelte der �Dow Jones� seitw�rts vor sich hin. Denn nach dem Einbruch der Weltb�rsen vom Herbst 2008 bis Anfang M�rz 2009 war es zu einer V-f�rmigen massiven Erholung gekommen, die die irritierten Zocker ebenso wie biedere Anleger in den meisten F�llen �berrascht hatte.
Jetzt l�sst der Konjunkturaufschwung vor allem im Westen weiter auf sich warten; erneute Zweifel kommen auf, ob die Krise nicht zum Dauerbrenner wird.
Damit stellt sich f�r unsere asienorientierten Leser die Frage: bleiben auch sie im Bremsman�ver der angeschlagenen Finanzm�rkte der Alten Welt gefangen, oder kommt es zu einem "decoupling". Auf Deutsch: k�nnen sich die "BRICs" von den tiefsitzenden Problemen der USA, Europas und Japans abkoppeln, und welche Auswirkungen k�nnte dies auf deren B�rsen haben? "BRICs"? Werden sich viel Leser fragen, denn zeitgleich mit fallenden Preisen stiegen die - h�ufig verschleiernden - Wortsch�pfungen inflation�r an. Die Sachsenbank scheiterte nicht an mangelnden Englischkenntnissen, sondern an "Subprimes", und bei der KfW hatten Beamte nicht nur die Pleite der Lehman Brothers verschlafen, sondern wahrscheinlich nicht verstanden, dass "CDS" f�r "Credit Default Swaps" stand, die gef�hrlicher als Kommunismus sind - zumindest derzeit.
BRIC steht f�r Brasilien, Russland, Indien und China - und man �berlegt, ob man noch ein "I" f�r Indonesien anh�ngen sollte. Diese L�nder stehen heute f�r das Gegenteil von "Brick and Mortar" - Ziegel und M�rtel, dem Symbol f�r die absteigenden Industrienationen, deren Probleme durch Detroit symbolisiert werden.
Ebenso symbolisch war der B�rsenrausch an der BSE, der B�rse in Mumbai, zeigte er doch die unglaubliche Vitalit�t eines Schwellenlandes, auch wenn es nicht nur kapitalkr�ftige Anleger, sondern auch neu entstandene Massen von Spielern sind, die das Geschehen bestimmen.
Fareed Zakaria, weltbekannter CNN-Kommentator, hat mit seinem Buch "Die nachamerikanische Welt" Hausaufgaben f�r die Zukunft gemacht: er glaubt an die Chance einer substanziellen Abkoppelung der "BRICs", das baldige Entstehen lokaler Kaufkraft und regionaler M�rkte und setzt dabei vor allem auf Asien und Brasilien.
Denn im Gegensatz zu den v�llig verschuldeten und defizit�ren USA oder den ebenso geschw�chten Staaten Europas gibt es vor allem in Asien keine gro�en L�cher, sondern noch einige L�nder mit volle Kassen. Nat�rlich ist der R�ckgang der Exporte f�r den Westen ein f�hlbarer Schlag, doch sind davon nur einige Sektoren sp�rbar betroffen, andere bleiben durchaus stabil oder zeigen sogar steigende Tendenz.
Im letzten Quartal 2008 � als in den USA und Europa Horror-Szenarien die Rund machten � gab es in Indien keine gr��ere Bank, die Verluste machte. Indonesien reduzierte seine Verschuldung um 70 Prozent, Brasilien erreicht eine positive Au�enbilanz und China sitzt auf 2 Milliarden US-Dollar Reserven � bei einem Haushaltsdefizit von gerade mal 3 Prozent vom BIP.
Diese Analyse wichtiger Basisdaten zeigt: w�hrend die Erholung der US- und Eurob�rsen eher religi�sen Charakter hat, basiert die Seele aller B�rsenkurse, das "Prinzip Hoffnung" in Asien immer noch - oder schon wieder - auf echte Kassenbest�nde und glaubw�rdige �konomische Substanz - Shanghai ist das Gegenteil von Detroit. Die Kurserholung in Shanghai verlief mit 45 Prozent zwar unter heftigen Schwankungen, doch stehen dahinter nicht nur Zockerpapiere, sondern Finanztitel, wie sie fr�her nur in New York gehandelt wurden.
W�hrend die gr��te Versicherung der Welt in den USA um ihr �berleben k�mpft, hatte sich die in Shanghai gehandelte "China Life Insurance" bereits 2007 zum drittgr��ten Versicherer weltweit etabliert - vorerst weitgehend unbemerkt. Und stand der US-Riese AIG am Jahresbeginn 2008 mit 58 Milliarden US-Dollar immer noch an erster Stelle, war es nach wenigen Monaten der Krise vorbei mit fetten Profiten. China Life hingegen beschloss die Jahresbilanz mit der Rekordposition von 110 Milliarden US-Dollar Marktkapitalisierung.
Dass Shanghai auch weiterhin im Schatten des "alten" Hongkong steht, liegt vor allem daran, dass bis heute fast ausschlie�lich nationale chinesische Werte gehandelt werden und die B�rse f�r ausl�ndische Investoren noch weitgehend verschlossen bleibt. Das hindert die neuen Finanzriesen wie die "ICBC", die "China Construction Bank" und die "Bank of China" nicht daran, Anfang dieses Jahres die weltweit h�chste Marktkapitalisierung vorzuweisen - wo vor zwei Jahren noch Namen wie "Citigroup" oder "Bank of Amerika" die Ranglisten anf�hrten.
Selbst bei den traditionellen Vertretern des Gro�kapitals steht zwar die amerikanische Exxon noch an erster Stelle, doch danach folgt bereits �Petrochina� - und die hatte ein Jahr zuvor schon einmal den ersten Platz der Weltrangliste erreicht.
Wenn China - und damit seine B�rsen - noch ein Krisenproblem hat, dann ist es die bisher zu starke Exportorientierung. Trotzdem k�nnte sich das Wachstum auf 7 bis 8 Prozent stabilisieren, denn die Regierung hat das Problem l�ngst erkannt.
Kaufkraftanreize lie�en die Verk�ufe des Einzelhandels bereits im ersten Quartal 2009 um 15 Prozent ansteigen - w�hrend in Deutschland Karstadt kollabiert, trotz Staatsgeschenke, welche die Steuerzahler nach der Bundestagswahl bezahlen m�ssen.
F�r Indien k�nnte das Wachstum 6 Prozent und selbst in Indonesien 4 Prozent erreichen. Doch selbst in krisenanf�lligen L�ndern, die sich beim Export �bernommen haben, laufen die B�rsenkurse "ges�nder", als in Europa oder den USA.
Beispiel Thailand: auch wenn die Wirtschaft schwach ist und die Zahl der Arbeitslosen zunimmt, steht der wichtigste B�rsenindex, der SET (Stock Exchange of Thailand), schon wieder fast 50 Prozent �ber dem Tiefstand des vergangenen Jahres. Der Grund: wie die meisten L�nder S�dostasiens hat auch Thailand vor einem Jahrzehnt in der "Asienkrise" viel Geld verloren, Lehrgeld gezahlt - und davon gelernt. Nun ist zwar die Regierung knapp bei Kasse, doch die Zentralbank sitzt immer noch auf sch�nen Devisenreserven.
Ebenso wie in China, Indien oder Vietnam wird auch hier der Kapitalexport erschwert, womit f�r Anleger und Spekulanten die lokalen B�rsen weiter attraktiv bleiben - zumal ohne Kursrisiko. Umgekehrt legt so mancher westlicher institutioneller Anleger schnell ein paar Euro oder Dollar hier an - das Risiko scheint begrenzt.
Kein Wunder, denn in Kalifornien gehen bei der h�chsten Staatsverschuldung seit dem zweiten Weltkrieg die Lichter langsam aus, w�hrend China beim Nachbarn Myanmar nicht nur milliarden-schwere Pipelines verlegt, sondern ganz nebenbei etwa eine Milliarde US-Dollar j�hrlich in Staudammbauten investiert � Strom f�r China.
Machen wir eine kleine Pause beim Rundflug durch die asiatischen B�rsens�ale. Am "Kabuto Cho", der �ltesten und kapitalst�rksten B�rse der �stlichen Hemisph�re, hat die Krise nat�rlich auch ihre Spuren hinterlassen. Wie die "Wall Street" ist auch hier die Stra�e der Namenspatron f�r die - inzwischen vollelektronische - B�rse gewesen, wo der "Nikkei-Index" zumindest etwas repr�sentativer errechnet wird, als bei der US-Konkurrenz.
Trotzdem handeln die Japaner schon seit langem so viele Aktien, dass auch sie auch noch einen zweiten (und dritten) umfassenden Index errechnen, den "Topix" - f�r "Tokyo Stock Price Index". Beide haben sich in den vergangenen Monaten tapfer erholt, obwohl der japanische Yen stur auf H�chstwerten verharrt. Das macht den japanischen Exporten zwar weiter zu schaffen, doch beruht dies unter anderem auf die R�ckabwicklung der sogenannten "Carry-Trades" mit denen sich die Kapitalsucher auf der ganzen Welt in Japan billig finanziert hatten. B�se Zungen behaupten, der Kurs w�rde noch st�rker ansteigen, w�ren nicht erhebliche Teile der Carry Trades in Krisenl�ndern mit hohen Zinsen "verdampft" beziehungsweise bis auf weiteres uneinbringlich.
Die �brigen Asien-B�rsen sollte man keineswegs untersch�tzen, auch wenn sie - bis auf den "Hang Seng" in Hongkong - nicht in der obersten Weltliga spielen. Dazu geh�ren Korea, mit dem "Kospi"-Index, Taiwan und Singapur - hier hei�t das bekannte Kursbarometer "Straits Times Index".
F�r diese B�rsen gilt einerseits, dass sie stark vom einbrechenden Welthandel betroffen waren - allen voran die Handels- und Transport-Drehscheibe Singapur - doch auch hier die zugrunde liegenden Kapital- und Devisenpolster die j�ngsten Erholungen nach unten bereits abgesichert hatten.
�hnliches gilt f�r die Kapitalm�rkte und B�rsen, die nur am Rand Asiens liegen, aber einige Kriterien gemeinsam haben: der Nahe Osten. Doch die Scheichs entwickeln ihre B�rsen nur langsam, und bisher �berwiegend nach amerikanischem Vorbild.
Kein Wunder, denn B�rsen dienen eigentlich der Kapitalbeschaffung, und bisher hatten die �ll�nder nicht das Problem, Kapital zu beschaffen, sondern es sinnvoll loszuwerden oder anzulegen. Doch leistet die aktuelle Krise dazu einen interessanten Betrag, denn angesichts v�llig �berzogener Investitionen zum Beispiel im Bausektor ist die Kapitalverteilung im Golf keineswegs mehr ausgewogen.
Im Jahr 2008 beispielsweise hat die �Golf International Bank� 400 Millionen US-Dollar Verluste eingefahren und wird �verschlankt�, modernisiert und �auf zuk�nftigen Bedarf ausgerichtet� - das klingt auch in westlichen Ohren sehr vertraut.
Bahrein hat sich bereits als Bankenplatz der Region etabliert. F�r die Golfstaaten gilt es als Zentrum f�r modernes Banking und sogar f�r die Ausbildung von Bank-Fachleuten. Noch mehr: es gibt bereits eine Banken-Gewerkschaft, die �Banking Union of Bahrain�, die den Bankiers angesichts der auch hier sp�rbaren Kriseneffekte die Leviten liest.
Ohne gro�e Publizit�t geht auch hier der Trend weg von London, New York oder Frankfurt in die eigene Region. Langfristig werden auch hier M�rkte f�r Kapitalanlagen und -bewegungen entstehen, also echte B�rsen, die um weltweite Kapitalanlagen konkurrieren werden.
Unsere Leser � zumindest diejenigen, die noch nicht durch die harte Schule von B�rsenverlusten gegangen sind � sollten folgende Trends beachten. Voraussetzung ist nat�rlich, dass wir auf absehbare Zeit die aktuelle Krise �berwinden und das Kapitalistische System nicht jetzt schon an die Wand f�hrt: Die Erkenntnis, dass B�rsenkurse auch langfristig nicht unbedingt reale Gewinne aufweisen, wird zwar von den meisten �Anlageberatern� geleugnet, doch die Langfrists-Charts sprechen eine andere Sprache. Denn kaum ein Investor schafft es, billig einzukaufen und zu H�chstkursen zu verkaufen, und Krisen kommen immer zur falschen Zeit.
Die B�rsen in Asien haben heute ein �hnliches Potential � auch wenn schon einiges vorweggenommen wurde � wie die USA, Europa und Japan nach dem zweiten Weltkrieg. Zu den BRIC-Staaten werden sich weitere gesellen, irgendwann ein gro�er Teil der Dritten Welt.
Doch auch hier werden sich die �Zyklen der Erkenntnis� wiederholen, wie bei den oben genannten. Der Grund, sich trotzdem verst�rkt in Asien zu engagieren, ist derselbe, wie vor 50 Jahren vorgef�hrt: das Wachstumspotential ist echt, die Besch�ftigung auf Jahre oder Jahrzehnte gesichert, die Binnenm�rkte noch lange nicht ausgesch�pft.
Wer also zur j�ngeren Generation geh�rt, oder dem Wachstum der USA nicht mehr traut, wird sich folgerichtig in den neuen M�rkten umsehen. Doch die Erfahrungen aus den bisherigen Konjunkturzyklen, W�hrungsbewegungen, Krisen und spekulativen Blasen sollte man tunlichst analysieren � sie werden sich auch hier wiederholen.
Ein westlicher B�rsenspruch macht nun in Indien die Runde: �Wer reich ist, kann spekulieren, wer etwas Geld hat, soll es sicher anlegen, aber wer arm ist, muss spekulieren�. 17 Prozent in 40 Sekunden waren der Beweis, dass dies kein dummer Spruch ist. Trotzdem, 3 bis 4 Milliarden Menschen sind Grund genug, dem Kapitalismus eine neue Chance zu geben � auch an den B�rsen.
"Credit Default" steht f�r Kreditausfall. Mit diesen Papieren werden vor allem Immobilienrisiken versichert. "Swap" steht f�r Weitergeben oder Weiterverschieben.Das Problem besteht darin, dass die "Versicherer", meist auch Banken, die verschiedensten Arten, Laufzeiten und Risiken von Immobilienkrediten aufkauften, b�ndelten - bis zur Unkenntlichkeit f�r jede Buchhaltung - und dann schnellstens weiterverkauften. Nun liegen diese Swaps billionenschwer und kaum bewertbar in den Computern der Enderwerber, kaum jemand kann ihre Entstehung zur�ckverfolgen".