Asien Kurier  8/2009 vom 1. August 2009
Asien

Krebsgeschwür Korruption in Asien

Von Dr. Dore�n Pick in Berlin

Der Suizid des ehemaligen s�dkoreanischen Staatspr�sidenten Roh Moo-hyun Ende Mai 2009, der mit seiner Familie 6 Millionen US-Dollar an Bestechungsgeldern erhalten haben soll, war der Endpunkt der wohl aufsehenerregendsten Korruptionsaff�re in der Geschichte des Landes. Aber nicht nur im s�dlichen Teil der koreanischen Halbinsel, sondern asienweit werden Korruptionsverd�chtige zunehmend an den medialen Pranger gestellt.

Man kann dies als einen realen Anstieg korrupter Aktivit�ten deuten � oder aber auch auf eine erh�hte Sensibilit�t der gesellschaftlichen �ffentlichkeit zur�ckf�hren. In jedem Fall ist die erh�hte Aufmerksamkeit gegen�ber der Korruptionsproblematik ein Resultat der mittlerweile akzeptierten Erkenntnis, dass sich irregul�re Wirtschafts- und Verwaltungspraktiken in signifikanter Weise zulasten der �konomischen Leistungsf�higkeit auswirken.

Neben einem reduzierten Wirtschaftswachstum hat Korruption vor allem f�r die �rmeren Bev�lkerungsschichten �beraus nachteilige Folgen. Nachgerade skandal�s ist dabei der Umstand, dass gerade die Schw�chsten �berh�hte Preise f�r den Zugang zu elementaren G�tern wie sauberem Trinkwasser zu entrichten haben. Obwohl es sich bei Korruption um ein globales Problem handelt, kann der asiatisch-pazifische Raum als besonders korruptionsanf�llig gelten: Nur zehn von 32 L�ndern k�nnen auf dem Corruption Perception Index (CPI) von Transparency International auf einen Wert von unter 5 verweisen (Skala 1-10, 1: h�chste Korruption). W�hrend es in einigen L�ndern � Indien, Indonesien, S�dkorea � zuletzt beachtliche Fortschritte gegeben hat, sind Verbesserungen in anderen Staaten kaum auszumachen. Dies gilt auch f�r L�nder, die ernsthafte Anti-Korruptionsma�nahmen initiiert haben.

In China hat die F�hrung sogar einen �Krieg gegen Korruption� ausgerufen. Dieses martialische Vokabular erscheint durchaus angemessen, denn die vielf�ltigen Regelverletzungen drohen den gesamten Entwicklungs- und Transformationsprozess zu unterminieren. Auf dem CPI-Index nimmt die VR China den 72. Rang ein und steht damit im asiatisch-pazifischen Raum an 12. Stelle. Der Schaden f�r die chinesische Volkswirtschaft soll Sch�tzungen zufolge 86 Milliarden US-Dollar betragen, was dem Haushaltsbudget f�r Bildung entspricht. Von den �rgerlichen Ineffizienzen abgesehen, haben Manipulationen bei der Medikamentenherstellung auch chinesische Exportwaren in Verruf gebracht.

Der �berwiegende Teil der Korruptionsf�lle in China wird staatlichen Beamten zugeschrieben. Es wird davon ausgegangen, dass rund ein Zehntel der Staatsausgaben in illegale Zahlungen flie�en oder schlichtweg unterschlagen werden. Beg�nstigt werden diese Unregelm��igkeiten nat�rlich durch den exzessiven Staatseinfluss auf das Wirtschaftssystem. Die F�hrung ist sich dieses Schwachpunktes bewusst und hat eine h�rtere Gangart gegen die �belt�ter eingelegt. Um ein Exempel zu statuieren, wurden einige Parteimitglieder wie der ehemalige Leiter der Food and Drug Administration, Zheng Xiaoyo, exekutiert. Da die schiere Anzahl der Delinquenten zu hoch ist, sind den Bem�hungen jedoch klare Grenzen gesteckt: 80 Prozent der 130.000 bis 190.000 Angeklagten kamen mit einer Warnung davon, lediglich 20 Prozent wurden aus der Partei ausgeschlossen. In Anbetracht dieser Quoten ist der Anreiz zur Bereicherung weiterhin hoch.

�hnlich stellt sich die Lage in Indien dar. Mit einem CPI-Wert von 3,4 liegt das Land noch hinter China (3,6) auf Rang 85. Besonders korruptionsgef�hrdet sind auch hier die staatlichen Instanzen. Im Jahr 2006 sollen Bestechungsgelder in H�he von rund 8,8 Milliarden indische Rupien (circa 130 Mio. Euro, 1 Euro = 67,42 Rupien, 3-Monatsmittel) in Taschen staatlicher B�rokraten geflossen sein. Als besonders korrupt gilt die indischen Polizei: Jahr f�r Jahr werden an sie � mindestens � 2,1 Milliarden Rupien gezahlt. Zugenommen hat die Korruption auch bei �mtern, die mit der Registrierung von Land betraut sind. Ein Faktor zur Erkl�rung der Korruptionsepidemie ist das �overstaffing� der Beh�rden: F�r die mies bezahlten Angestellten sind �bribes� eine nahezu unentbehrliche Zusatzeinnahme. Eine weitere Ursache liegt in der Knappheit vieler G�ter etwa von Elektrizit�t. Regelrecht emp�rend ist die Situation im Krankenhaussektor: Jeder zehnte Inder hat dort im letzten Jahr eine �Extrageb�hr� gezahlt. Endemisch ist Korruption auch bei der Trinkwasserversorgung � es wird gesch�tzt, dass die Haushalte rund 30 Prozent zu viel zahlen. Neben Privatpersonen werden bevorzugt auch ausl�ndische Unternehmen, die einen schnellen Markteintritt in Indien anstreben, zur Kasse gebeten.

Im Einzelnen weisen die indischen Regionen ein stark abweichendes Korruptionsklima auf. Speziell in den instabilen und r�ckst�ndigen Bundesstaaten (Assam, Bihar, Jammu & Kaschmir, Uttar Pradesh) ist die Wahrscheinlichkeit hoch, ein Korruptionsopfer zu werden. Die Folgen sind gravierend: Verz�gerungen beim notwendigen Ausbau der Infrastruktur, eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums, eine mangelhafte Versorgung der Armen mit Nahrungsmitteln usw. Zwar ist die Regierung bestrebt, diese Machenschaften einzud�mmen, da sie aber prim�r auf der Individualebene stattfinden, sind die Handlungsm�glichkeiten begrenzt.

Insgesamt sind in Asien erhebliche Unterschiede bei der konkreten Erscheinung von Korruption wie auch beim Umgang mit ihr anzutreffen (siehe Tabelle). Der Anteil von Privatleuten, die in den letzten zw�lf Monaten Bestechungsgelder gezahlt haben, ist besonders hoch in Kambodscha (47%), Indonesien (29%) und Pakistan (18%).

Ein Ausweg aus der Korruptionsmisere k�nnte darin liegen, dass in vielen asiatischen L�ndern die Bereitschaft w�chst, mehr f�r Produkte von korruptionsresistenten Unternehmen zu zahlen. Insbesondere in Hongkong, Kambodscha, Pakistan, Singapur und Philippinen sind mehr als 64 Prozent der Befragten bereit, sauberes Wirtschaften zu honorieren. Der Verweis auf eine korruptionsfreie Unternehmenspolitik kann in diesen L�ndern als wichtige Botschaft gelten. Allerdings ist diese Bereitschaft nicht �berall vorhanden und die Defizite in den Staats- und Verwaltungsapparaten kann sie auch nicht beheben. Neben einem Bewusstsein f�r die kontraproduktiven Konsequenzen von Korruption bedarf es deshalb umfassender politischer Reformen inklusive eines effektiven Systems von �checks and balances�.