Asien Kurier  10/2009 vom 1. Oktober 2009
Asien / Internet

Kommunikation unter Wasser

Hoffnungen und Gefahren der weltweiten Vernetzung

Von Horst Rudolf in Bonn

Vor allem unsere Leser in Asien erinnern sich: in den vergangenen zwei Jahren mehrten sich die Unterbrechungen der euro-asiatischen Seekabel-Verbindungen, �ber die ein gro�er Teil vom Kommunikations-, Mail-, und Internet-Verkehr abgewickelt wird.

Um es kurz zu summieren: trotz erheblicher Fortschritte unterscheidet sich der Datentransport (das ist heute praktisch alles, was elektronisch �bermittelt wird, letztendlich auch Sprache) nicht vom Warentransport. Auch hier gilt, der Luftweg ist elegant und schnell, selbst der Umweg �ber den Satelliten im Weltall, doch der Seeweg ist weitaus billiger.

Satelliten sind wichtig f�r den Datenverkehr, doch wenn es um gro�e Mengen geht - alles, was man auf breitb�ndigen Leitungen bef�rdert - sind Glasfasern, verpackt in seefeste Kabel rund um die Welt weiterhin unverzichtbar. Wenn fr�her eine "nackte" Email oder ein Telefongespr�ch mit wenigen Kilobytes auskamen, egal ob Datenmenge oder Geschwindigkeit gemeint sind, heute brauchen Bilder und vor allem Videos die 10 bis 100fache Kapazit�t beim Transport. Und jede Internet-Seite enth�lt nun mal Bilder oder andere Speicher fressende Elemente.

Technologen, Ingenieure und Anbieter von allem, was heute �berwiegend im Internet abl�uft, schw�rmen von einer rosigen Zukunft. Zwar gilt das "Moorsche Gesetz", nach dem sich die Kapazit�t von Speicherbausteinen in jeweils 18 Monaten verdoppelt, nicht f�r jedes Bauteil, doch liegen inzwischen auch die Verdoppelungsraten f�r photonische Module - also f�r Lichtwellen-Elektronik - bei nur drei Jahren.

Derzeit schafft ein moderner Seekabelstrang bereit �ber ein Terabyte Daten pro Sekunde, das sind etwa 300 Spielfilme auf DVD - pro Sekunde. Doch der Haken liegt eben nicht bei den heutigen oder zuk�nftigen Kapazit�ten, sondern bei menschlichen und nicht-menschlichen Problemen.

Das Erdbeben s�dlich von Taiwan am 26. Dezember 2006 legte gro�e Teile des ostasiatischen Kabelnetzes lahm und schnitt vor allem die dort operierenden Unternehmen, B�rsen, Banken und Telefongesellschaften tagelang vom Rest der Welt ab - womit auch die Finanzm�rkte f�r eine erschreckend lange Zeit still standen - technischer k.o.

Ebenso erinnern wir uns an einen beinahe-GAU, als drei euro-asiatische Seekabel Ende Januar 2008 fast gleichzeitig vor �gypten und weiter s�dlich im Golf von Schiffsankern besch�digt wurden - zumindest nach offiziellen Angaben.

Verschw�rungstheoretiker behaupteten vielmehr, die Kabel seien f�r einige Tage "stillgelegt" worden, um den U-Booten technisch versierter Superm�chte zu erm�glichen, ihre eigene "Abzweigung" an die Kabel anzumontieren - was durchaus heutigen technischen M�glichkeiten entspricht.

Doch f�r einen Unternehmer, der weltweit operiert, vor allem in Asien, ist irrelevant, was die tats�chlichen Gr�nde waren. Ihm war sp�testens seit 2007 klar, dass die technische Entwicklung des Internetverkehrs keineswegs linear und vor allem nicht risikofrei verl�uft.

Entgegen aller Behauptungen der Dienstleister diesem Sektor ist das Internet keineswegs so flexibel, wie man glaubt. Das zugrunde liegende Konzept ist bestechend. Danach werden alle Daten - tats�chlich auch Ihr Telefongespr�ch - in kleine Pakete zerlegt, erhalten einen Adressen-Kopf und suchen sich dann jeden beliebigen offenen Weg im Netz, um beim Empf�nger wieder zusammengesetzt zu werden.

Doch leider klaffen hier Theorie und Praxis erschreckend weit auseinander. Denn die gro�en internationalen Datenstra�en, genannt Backbones, haben sehr unterschiedliche Kapazit�ten, vergleichbar mit Autobahnen - und sind ebenfalls von Staus betroffen.

Denn der Haken liegt nicht bei den physikalischen Netzen und deren Kapazit�ten, von denen immer geschw�rmt wird, sondern vor allem bei der Organisation, Verwaltung und Koordination dieser Datenmengen.

Und da sollten unsere Leser eines wissen: dort herrschen in vielen Bereichen Zust�nde wie in einem schlecht organisierten Unternehmen. Auch wenn der Asien Kurier keine Kritik generalisieren m�chte: wem sein Gesch�ft lieb ist, der sollte vor allem eines nicht tun: den Anbietern von Daten-Leistungen blind vertrauen.

Ein einfaches Beispiel sind die Pauschalangebote, die auch in Deutschland sehr beliebt sind, f�r wenig Geld einen Anschluss f�r Telefon- und Internetzugang zu schalten, verbunden mit g�nstigen Tarifen f�r Orts- oder Ferngespr�che und einem beliebigen Datenverkehr.

Wer nicht nachfragt und das "richtige" bestellt, dem kann es passieren, dass bei einem Stromausfall nicht nur der Computer tot ist, sondern auch das Telefon schweigt - den Wartungsdienst d�rfen Sie dann vom Mobiletelefon anrufen, allerdings zu vorher �bersehenen horrenden Minutenkosten in der Warteschlange.

F�r den Unternehmer - vor allem im Ausland - gelten �hnliche Spielregeln: was immer der Provider behauptet oder verkauft, wird nur im Idealfall geliefert. Die bekannten Ausreden sind (in der �blichen Reihenfolge): Software- oder Hardware-Probleme beim Kunden, Bedienungsfehler, schlechte Leitungen, lokale Netzausf�lle, �berlastung der Backbones oder Gewittersch�den.

Doch zumeist sind Schw�chen im Internet- oder Kommunikationsverkehr ein Indiz f�r ernsthafte Probleme, die sich bis zur Katastrophe ausweiten k�nnen - vor allem, wenn eine der Hauptverbindungen ausf�llt - s.o. Denn die Netzverwaltung ist in vielen L�ndern ein viel gr��eres Problem, als die Leitungskapazit�ten - und dies wird den Kunden verschwiegen.

�hnlich wie ein Stromverbund von Hochspannungsleitungen werden die Daten "gemanaged", doch im Gegensatz zu den (meisten) Stromversorgern sitzen an den Schaltern nicht nur Spezialisten, denn so viele wie ben�tigt, gibt es gar nicht. Fr�her gab es bei IBM eine interne Anweisung f�r ihre Verk�ufer: "Netzwerke ab f�nf Knoten (Anschl�ssen) nur an Kunden mit langj�hriger Erfahrung vertreiben!"

IBM wusste schon damals, dass das Risiko von Netzwerken im Quadrat der Knoten steigt. Daher h�lt sich diese Firma auch auffallend diskret vom Kommunikation-Massenmarkt zur�ck und arbeitet weitgehend mit Gesch�ftskunden. Dies hat nicht nur mit kluger Kalkulation zu tun, denn f�r einen einzelnen Privatanwender rechnet sich die Beratung nicht, sondern tats�chliche mit der Komplexit�t der Materie.

Ein Unternehmen, das sich zur Teilnahme am aktuellen Netz-Renner, dem Cloud-Computing entschlie�t, sollte sehr genau abw�gen, ob es am richtigen Ort mit den richtigen Fachleuten eine Hightech-L�sung umsetzen, nutzen und managen kann - oder sich die Firma irgendwann in den Wolken aufl�st. Denn im Gegensatz zu fr�her, als sich das Cloud-Computing noch im eigenen Netzwerk abspielte, wird es heute weitgehend ins Internet verlagert und damit anf�lliger.

Au�erdem streiten sich die Netzoperatoren mit vielen Anbietern und Abnehmern �ber Kapazit�ten und Preise - rund um die Uhr. Wenn Ihr Anschluss also langsam wird, Ihre Auftr�ge nicht rechtzeitig beim Kunden ankommen, muss das keineswegs aus einer �berfrachteten Festplatte liegen - auch wenn solche Vermutungen von den Hotlines immer wieder unterstellt werden.

Vielmehr ist Ihre Leitung "verstopft", weil die Telefongesellschaft (wissen Sie, welche?) bereits um 16 Uhr die f�r den Tag vertraglich vereinbarten durchschnittlichen Datenmengen genutzt hat und nun - um Zusatzkosten zu vermeiden - den Verkehr herunter bremst.

Tats�chlich sind diese technischen Abl�ufe f�r Au�enstehende, aber auch f�r die meisten Insider, kaum nachvollziehbar; zu komplex ist die Technik und zu mannigfach die M�glichkeiten zur Manipulation - oder auch das Auftreten realer Probleme bei Soft- und Hardware.

Ihnen, dem Nutzer, muss man daher anraten, mit dem Internet noch kritischer umzugehen und sich zus�tzlich abzusichern, in der Hoffnung, dass Sie dies im Gl�cksfall doch nicht brauchen - wie einen Fallschirm. Nat�rlich gelten solche Ratschl�ge weniger f�r Gro�unternehmen, die eigene Experten oder ganze Abteilungen daf�r unterhalten, sondern vor allem f�r Klein- und Mittelbetriebe oder private Nutzer.

Mehr noch als bei der hauseigenen Informationstechnologie sollten Sie Telefon- und Internetanbietern nicht alles glauben, was versprochen oder in der Werbung angeboten wird. Versuchen Sie, selbst bei nachhaltiger Verwendung von Fachausdr�cken durch deren Verk�ufer oder Experten, tats�chlich zu verstehen, was diese bedeuten.

Wenn Sie trotzdem nicht nachvollziehen k�nnen, was man Ihnen anbietet, sollte sich Ihr Misstrauen eher verst�rken, als die Selbstkritik. Nur wenn man Ihnen eine IT-Leistung verst�ndlich erkl�ren kann, bestehen Chancen, dass diese auch erbracht wird.

Sichern Sie sich ab. Damit meinen wir nicht die �bliche Datensicherung (ist Ihre auch vernichtet, wenn Feuer ausbricht?), sondern Ihre Investition in ein redundantes, d.h. zus�tzliches Kommunikationssystem - dies ist die wichtigste "Botschaft" dieses Artikels.

Im g�nstigsten Fall ist das ein altes Faxger�t, das bei PC- oder Netzausfall den Scanner, Drucker und sogar die Email ersetzt. Fr�her dienen dies Ger�te vor allem der internen Kommunikation, heute werden sie immer h�ufiger auch im Verbund mit der externen Daten�bermittlung, vor allem im Internet, eingesetzt.

Denn weder die nationalen, noch die internationalen Verbindungen sind wirklich sicher - schon gar nicht in der Zukunft. Denn mit steigenden Kapazit�ten steigen auch die Anforderungen an die Netze - leider �berproportional. Nichts spricht daf�r, dass die Technologen dies in den Griff bekommen, von Naturkatastrophen und Terrorangriffen ganz zu schweigen.

Schon heute wird der Overhead, die Datenmenge zur Verwaltung der eigentlichen Daten, auf das bis zu Zehnfache der "nackten" Daten gesch�tzt.

Eine alternative Telefonleitung, ein befreundetes Unternehmen in der N�he oder ein Nachbar, ein drahtloser Internet-Anschluss oder ein USB-Wireless-Stick sind daher sinnvolle Mindestinvestitionen im unteren Kostenbereich, um Risiken einzud�mmen.

Ein eigenes Satellitentelefon, auch zur Daten�bertragung, ist nicht nur f�r Geheimdienstler, sondern auch gesch�ftlich in vielen L�ndern durchaus sinnvoll. Vor allem wissen viele Unternehmer gar nicht, dass diese Anlagen im Preis enorm gefallen sind.

Nicht zuletzt: wenn Sie in der Metropole Bangkok eine trainierte Brieftaube mit dem Inhalt einer DVD auf einem USB-Stick in einen Vorort schicken, fliegt diese vielleicht 25 Minuten. Versuchen Sie, den Film �ber einen sogenannten Breitbandanschluss per Internet zu versenden, dauert das bis zu vier Stunden - getestet!

SEA-ME-WE 3 oder South-East Asia - Middle East - Western Europe 3 ist ein Seekabel, das Europa, Afrika, Asien und Australien miteinander verbindet. Es wurde am 30. August 1999 in Betrieb genommen.

Das gr��te Seekabelsystem hat 39.000 km Gesamtl�nge mit 39 Landepunkten in 33 L�ndern auf 4 Kontinenten.

Es beginnt im australischen Perth (27), f�hrt mit einem Abstecher nach Japan (Okinawa, 39) und Shanghai (37), �ber Indien (u.a. Mumbai, 18) und den arabischen Raum (Saudi Arabien, Oman, VAE; 13 bis 16) entlang der europ�ischen Westk�ste, wo es im ostfriesischen Norden (1) endet.

Ein Erdbeben der St�rke 7,1 vor der taiwanischen K�ste besch�digte das Kabel am 26. Dezember 2006. Im Dezember 2008 waren gro�e Teile des Mittleren Ostens gleich �ber mehrere Seekabel nicht erreichbar, weil die Kabel zwischen Italien und �gypten unterbrochen waren.