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BERLIN. Auch wenn es angesichts der unvermeidlichen Standortdebatten in Vergessenheit geraten sein sollte: Unternehmen sind abhängig von dem gesellschaftlichen Umfeld, in dem sie operieren. Dies gilt besonders für Gemeinwesen, die wie das japanische durch ein umfangreiches Set von Normen, Werten und Konventionen gekennzeichnet sind.
Es ist leicht vorstellbar, dass ein Mittelklasse-Unternehmen wie Toyota erhebliche Probleme hat, sich mit diesen neuen Bedingungen zu arrangieren. Die Irritationen, Verwirrungen und Grenzen, mit denen Toyota dabei konfrontiert ist, sind das Thema des Buches von Enno Berndt. Anhand der zentralen Antwort des Konzerns auf das veränderte Umfeld ? der Etablierung eines Premiumsegmentes in Gestalt des Lexus ? zeigt Berndt auf, dass es sich hierbei nicht einfach nur um eine Erweiterung der Produktpalette handelt. Vielmehr birgt eine solche Strategie zahlreiche Implikationen, die massive Auswirkungen auf die Prozesskultur und die Identität eines Unternehmens haben. Insbesondere stand Toyota vor der Herausforderung, ein Produkt zu kreieren, das die im oberen Preissegment essenziellen Werte Originalität, Prestige und Geschichte authentisch verkörpert. Allerdings sind dies Werte, denen ein Massenhersteller, der auf Originalität zugunsten des Preises verzichten muss, kaum Beachtung schenken kann.
In der Konsequenz entsteht ein Konflikt zwischen der Selbstwahrnehmung des Unternehmens und der Wahrnehmung durch andere, sprich: zwischen Identität und Image. Während es Toyota in den USA vergleichsweise problemlos gelang, den Lexus auf dem Premiummarkt zu positionieren, verlief die Einführung auf dem Heimatmarkt wesentlich schwieriger. Dabei zeigte sich, dass es Toyota schwer fällt, eine plausible ?Produktgeschichte? zu erzählen. Da es speziell darum geht, den deutschen Premiumanbietern Konkurrenz zu machen, versucht man dem Produkt eine Aura zu verleihen, die sich auf eine angeblich genuin japanische Ästhetik bezieht: Einfachheit und Eleganz werden den barocken Formen der westlichen Modelle gegenübergestellt. Allerdings ist fraglich, ob diese plakative und kaum nachvollziehbare Abgrenzung dem Lexus eine glaubhafte Exklusivität verleihen kann.
Abgesehen von diesen betriebswirtschaftlichen Schwierigkeiten sieht Berndt die tieferen Ursachen für die Probleme Toyotas in einem Festhalten an einer auf permanente Rationalisierung und unbedingte Expansion setzenden Massenproduktion (Toyotismus), die allerdings im Zuge der aktuellen Krise offenkundig ihre Grenzen erreicht hat. Insgesamt wird Toyota wie die gesamte Automobilindustrie für Berndt daher nicht umhinkommen, nach alternativen Produkten und Produktionsweisen zu suchen, die den gewandelten gesellschaftlichen Bedürfnissen Rechnung tragen.
Buchdaten
Buchtitel - Toyota in der Krise
Buchautor - Enno Berndt
Verlag - Leipziger Universitätsverlag
Ort und Jahr - Leipzig, 2009
ISBN - 9783865833587
Preis - € 24,00