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Die chinesischen Stahlunternehmen befinden sich in der zweiten Jahreshälfte 2011 in einem Dilemma. Einerseits sind ihre Produktionskosten aufgrund gestiegener Preise für Eisenerz und Kokskohle nach oben gegangen, andererseits sind die Hersteller nur in geringem Umfang in der Lage, die Inlandspreise anzuheben. In der Folge gingen die Gewinne im 1. Halbjahr stark zurück, und diese Situation wird aller Voraussicht nach weiter andauern.
Der chinesische Stahlsektor hat schwierige Zeiten vor sich. Zwar sind sowohl die Produktion als auch der Absatz im 1. Halbjahr 2011 kontinuierlich gestiegen, aber die hohen Rohstoffpreise für Eisenerz und Kokskohle machten den Firmen einen Strich durch die Rechnung und setzten die Margen unter Druck.
Beispielhaft für die Probleme der Branche steht der größte chinesische Stahlproduzent Baosteel. Nach Firmenangaben erhöhten sich die Umsätze zwar in den ersten sechs Monaten im Vergleich zur Vorjahresperiode um 13,5 Prozent auf 111,1 Milliarden Renminbi Yuan (12,38 Mrd. Euro, 1 Euro = 8,97 Renminbi, 3-Monatsmittel). Aber da im gleichen Zeitraum die Produktionskosten um 20,4 Prozent gestiegen seien, ging der Gewinn um 36,9 Prozent auf 5,1 Milliarden Renminbi zurück. Noch schlimmer traf es Angang Steel, dessen Überschüsse um 92,0 Prozent auf 0,2 Milliarden Renminbi abstürzten.
Die Branche leidet insbesondere unter den hohen Preisen für Eisenerz, die 2011 neue Rekordstände erreichten. Mussten die Erzimporteure 2009 noch 80 US$ pro eingeführte Tonne aufwenden, lagen die Durchschnittspreise 2010 schon bei 129 US$, und im 1. Halbjahr kletterten die Kosten auf 161 US$ pro Tonne.
Ähnlich sieht es bei Kokskohle aus. China ist bei diesem Rohstoff zwar nicht ganz so importabhängig wie bei Eisenerz, dennoch klagen die Stahlerzeuger über gestiegene Energiepreise. So mussten die Koksimporteure im 1. Halbjahr 2011 rund 130 US$ pro Tonne Kokskohle entrichten, das waren 30 Prozent mehr als die Durchschnittspreise der Jahre 2009 und 2010.
Für den Chef des Stahlverbandes China Iron & Steel Association, Zhu Xumin, befindet sich die Branche in einem Dilemma, das die zweite Jahreshälfte prägen wird. Einerseits nahm die Produktion in den ersten sechs Monaten im Vorjahresvergleich um 9,6 Prozent auf 350 Millionen Tonnen zu, andererseits übertreffe das Angebot die Nachfrage, und die Erzeuger könnten die gestiegenen Erzeugerpreise nicht komplett an die Kunden weitergeben.
Zwar stiegen die auf dem Binnenmarkt erzielten Preise für Stahlerzeugnisse beispielsweise im August 2011 im Vergleich zum Vorjahresmonat teilweise zweistellig, aber in keiner einzigen Sparte konnte das Vorkrisenniveau von Mitte 2008 wieder erreicht werden. Zwischenzeitlich prognostiziert der Verband, dass die Eigenproduktion von Stahl im Gesamtjahr 2011 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 10 Prozent auf 700 Millionen Tonnen zulegen dürfte. Die Wachstumsrate liegt damit doppelt so hoch wie ursprünglich erwartet, so dass Beobachter annehmen, dass der Sektor auch in der zweiten Jahreshälfte unter Druck bleibt.
Nach Angaben des National Bureau of Statistics (NBS) steigerte sich die chinesische Produktion von Eisenerz im 1. Halbjahr 2011 im Vergleich zur Vorperiode um 22,0 Prozent auf 575 Millionen Tonnen, so dass sich die Importabhängigkeit geringfügig verbessert hat. Ferner gelang es 2010, die Stahlkapazitäten um insgesamt 44 Millionen Tonnen durch Schließung rückständiger Fabriken zu reduzieren.
Nach Berichten der "China Business News" war für 2011 ursprünglich die Stilllegung von Fabriken mit rückständigen Technologien im Umfang von 26,5 Millionen Tonnen geplant. Zur Jahresmitte wurde nun mitgeteilt, dass die zur Schließung vorgesehene Kapazität auf 31,2 Millionen Tonnen erhöht wurde. Dennoch komme das schnelle Wachstum der Stahlindustrie der vergangenen Jahre nun zu einem Ende, meint das Ministry of Industry and Information Technology (MIIT) in einer Analyse.
Auch aus anderen Gründen steht der Stahlmarkt im 2. Halbjahr unter Druck. Wichtige Abnehmersektoren dürften an Dynamik verlieren oder aber mehr oder weniger stagnieren. So wird allgemein erwartet, dass der Immobilienbau aufgrund dämpfender Maßnahmen der Regierung an Schwung verliert. Auch der Fahrzeugbau, der in den vergangenen Jahren stark expandiert hatte, dümpelt seit Monaten mit einstelligen Zuwachsraten vor sich hin. Der Kfz-Verband rechnet zwischenzeitlich für 2011 nur noch mit einer Steigerung der Produktion um 5 Prozent auf etwa 19 Millionen Fahrzeuge. Und nach dem Auslaufen des Konjunkturpaketes dürfte die Dynamik auch im Infrastrukturbereich zurückgehen.
Auch vom Export kommen aktuell keine rundum positiven Nachrichten. Zwar haben sich 2010 die Ausfuhren durch die Bank kräftig erhöht, aber das Vorkrisenniveau ist noch lange nicht wieder erreicht. Und im 1. Halbjahr 2011 waren die Auslandslieferungen von Stahl der Menge nach sogar wieder leicht rückläufig, aber immerhin konnte dem Wert nach ein deutliches Plus erzielt werden.
Dass bei den Rohstahlausfuhren dennoch keine großen Gewinne erzielt werden, zeigen die Durchschnittspreise. Wurden 2008 noch Erlöse von 1.040 US$ pro Tonne erzielt, waren es 2010 nur noch knapp 800 US$. Im 1. Halbjahr 2011 konnten zwar 970 US$ pro Tonne eingenommen werden, aber dieser Wert lag immer noch um 7 Prozent unter denjenigen aus 2008. Und dies vor dem Hintergrund von um 20 Prozent gestiegenen Produktionskosten.
Etwas besser sieht es derzeit beim Export von Stahlerzeugnissen aus, die im 1. Halbjahr sowohl mengen- als auch wertmäßig stabile Zuwachsraten aufwiesen. Zwar dürfte auch in diesem Segment das Ausfuhrergebnis von vor der Krise mengenmäßig noch nicht erreicht werden. Aber dem Wert nach wurden im 1. Halbjahr 2011 rund 1.400 US$ pro Tonne erzielt, womit das Vorkrisenniveau überschritten werden konnte.
Deutsche Lieferanten spielen nur eine untergeordnete Rolle. Auf dem chinesischen Importmarkt stellten sie in den ersten sechs Monaten 2011 der Menge nach nur 1,7 Prozent der Einfuhren, dem Wert nach waren es immerhin 3,1 Prozent. Sehr viel besser sieht es bei Stahlerzeugnissen aus. Nach Zollangaben hielten deutsche Hersteller im gleichen Zeitraum der Menge nach einen Anteil von 12,5 Prozent, dem Wert nach waren es sogar 17,0 Prozent. Besonders gefragt waren kaltgezogene oder gewalzte Präzisionsstahlrohre. In diesem Segment betrug der deutsche Anteil an den chinesischen Gesamtimporten mengenmäßig 48,4 Prozent und wertmäßig 52,5 Prozent. Das Reich der Mitte ist damit der weltweit größte Abnehmer dieser Spezialprodukte aus Deutschland.
Sorgen bereiten den chinesischen Herstellern weiterhin die Importpreise für Eisenerz. Während die Einfuhrmenge im 1. Halbjahr 2011 nur um 8,1 Prozent anzog, legte der Wert im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 54,0 Prozent zu. Analysten rechnen damit, dass das Reich der Mitte im Gesamtjahr knapp 670 Millionen Tonnen Eisenerz importiert und wertmäßig erstmals die 100-Millarden-US$-Marke übersprungen wird.
Die VR China ist seit dem Jahr 2003 der weltweit größte Importeur von Eisenerz und löste damit Japan ab. Im Zeitraum 2000 bis 2010 wurden die Importe der Menge nach von 70 Millionen Tonnen auf 618 Millionen Tonnen verneunfacht. Dem Wert nach stiegen die Bezüge von knapp 1,9 Milliarden US$ auf 79,8 Milliarden US$ - das entspricht einem Zuwachs um den Faktor 40.