Asien Kurier  7/2009 vom 1. Juli 2009
China

Steife Brise im Windkraftsektor

Von Corinne Abele, Germany Trade & Invest in Beijing

Windkraft spielt in China eine immer wichtigere Rolle. Nicht nur f�r die Stromversorgung, sondern auch als modernen, umweltfreundlichen Industriezweig m�chte die Regierung den Windenergiesektor aufbauen. Ausl�ndische Unternehmen haben angesichts des gewaltigen k�nftigen Binnenbedarfs in der Volksrepublik investiert. Nun zeigen sich einige frustriert: Denn der wachsende Kuchen wird zunehmend ungleich verteilt. Die inl�ndische Industrie wird nicht nur durch die Projektvergabepraxis beg�nstigt, sondern auch kr�ftig staatlich subventioniert.

Fast alle Windturbinenhersteller mit Rang und Namen haben in den vergangenen Jahren in China investiert: Gamesa, Vestas, GE, die aufstrebende indische Suzlon und der deutsche Produzent Nordex. Weitere wie die deutschen Unternehmen Repower oder Fuhrl�nder lassen in Lizenz fertigen. Die Aussicht auf den wohl weltweit am schnellsten wachsenden Windkraftmarkt hat sie gelockt. Doch nicht alle Wettbewerber nehmen an dem rasanten Ausbau gleichberechtigt teil.

Allein 2008 hat China seine Windkraftkapazit�t auf knapp �ber 12 Gigawatt (GW) verdoppelt. Urspr�nglich war bis 2020 der Aufbau von rund 30 GW installierte Leistung geplant. Wird das Tempo aber beibehalten, d�rfte das Ziel bereits 2011 erreicht werden. Laut "Shanghai Securities News" bereitet die National Development and Reform Commission (NDRC) derzeit neue Planvorgaben f�r die Industrie vor. Von der Zeitung zitierte Branchenkenner erwarten, dass ein neues Ziel von 100 bis 150 GW installierter Windkraftkapazit�t bis 2020 anvisiert wird.

Bei derartig gewaltigen Zahlenspielen ist jedoch Vorsicht geboten. Denn installierte Kapazit�t ist nicht gleich genutzte Leistung. Bereits jetzt gibt es Branchenkennern zufolge zahlreiche Probleme: unzureichende Netzeinspeisungsm�glichkeiten, (Teil)ausfall der Anlagen aufgrund mangelnder Wartung oder suboptimalem Projektdesign. Etwa 3 bis 4 GW sollen, so sch�tzen Experten, zwar installiert, aber nicht ans Netz angeschlossen worden sein. Ausl�ndische Hersteller beklagen, dass f�r die Vergabe von Windkraftkonzessionsprojekten Nachhaltigkeit und Effizienz kaum eine Rolle spielen. Nach Aussagen von J�rg Wuttke, Pr�sident der European Union Chamber of Commerce in China, ist allein der Preis f�r den Zuschlag ausschlaggebend, w�hrend Kriterien wie Life-Cycle-Kosten oder Rentabilit�t unber�cksichtigt blieben.

H�ufig ist der in jeder Konzessionsausschreibung zu ermittelnde "Einspeisetarif" - je billiger, je besser - f�r ausl�ndische Anbieter ein Knock-out-Kriterium. Auch das Verbot des Einsatzes von Windkraftanlagen mit einer Leistung von weniger als 1,5 MW, das f�r die meisten der 25 Konzessionsprojekte der NDRC-Ausschreibungsrunde vom M�rz 2009 in der Inneren Mongolei und Hebei gilt, beschr�nkt genau das Segment, in dem ausl�ndische Hersteller preislich am wettbewerbsf�higsten sind.

Weitere m�gliche Schwierigkeiten zeichnen sich unterdessen bei der Vergabepraxis ab. Bei den ersten Konzessionsausschreibungen f�r das Projekt "Gansu Jiuquan Wind Base" mit einer geplanten Endkapazit�t von 10 GW wurden nicht nur chinesische Hersteller, sondern speziell in der jeweiligen Provinz produzierende Unternehmen pr�feriert. So wird Ende 2009 Goldwind ein Werk in der Provinz in Betrieb nehmen; Sinovel hat bereits einen Vertrag zur Errichtung einer Produktionsanlage in Jiuquan unterzeichnet. Weitere chinesische Hersteller sollen �hnliche Pl�ne haben. Gem�� dem "11th Five-year Renewable Energies Development Plan" vom M�rz 2008 sollen bis 2010 Windbasen in Hebei, der Inneren Mongolei, Gansu, Jilin und Liaoning entstehen. Weitere derartige Parks sind bis 2020 auch in anderen Provinzen geplant.

F�r die f�nf gro�en, staatlich kontrollierten Energieversorgungsunternehmen geht es letztlich bei der Installation von Windkraftkapazit�ten vor allem um die Erf�llung zentral festgelegter Quoten, nicht um die tats�chliche Anlagenperformance. Letztere wird nicht kontrolliert, was laut Brancheninsidern zu Lasten von Qualit�t, Effizienz und Belastbarkeit geht.

Dies klingt nicht unbekannt. �hnliche Fehler wurden bereits in anderen Bereichen gemacht. So pumpte China jahrelang Milliarden von Renminbi in den Bau von Kl�ranlagen, die nur teilweise funktionierten. Erst 2008 wurde die tats�chliche Performance der Anlage als Kriterium f�r den Erhalt von Finanzmitteln der Zentralregierung etabliert. Seither hat eine sp�rbare Professionalisierung der Branche begonnen, von der ausl�ndische Wettbewerber profitieren. Denn bei Kriterien wie Qualit�t, Effizienz und Belastbarkeit k�nnen die etwas teureren Produkte ausl�ndischer, h�ufig in China produzierender Hersteller punkten. Genau derartige Kriterien sucht man bei Windkraftkonzessionsprojekten bislang jedoch h�ufig vergeblich.

Dar�ber hinaus wird die inl�ndische Windkraftindustrie gezielt durch Subventionen unterst�tzt. So erlie� das Finanzministerium am 11. August 2008 die "Vorl�ufigen Verwaltungsvorschriften f�r den Unterst�tzungsfond zur Industrialisierung der Windkraftanlagenherstellung". Danach k�nnen chinesische Unternehmen, die Windkraftturbinen mit einer Leistung von mindestens 1,5 MW produzieren, nach deren Installation Subventionen beantragen. Pro 1 kW Leistungk�nnen f�r die ersten 50 produzierten Windturbinen 600 Renminbi Yuan Subventionsmittel beantragt werden, wobei sich Komponenten- und Anlagenhersteller die Mittel teilen. Bei einer Turbinenleistung von 1,5 MW entspricht dies etwa 6 bis 8 Prozent der Herstellungskosten.

Ausl�ndischen Unternehmen steht dieser Fond nicht offen, auch wenn sie in China produzieren.

Auch die Importbedingungen wurden angepasst. So hat das Finanzministerium die Befreiung vom Importzoll f�r Windkraftturbinen mit einer Leistung von mehr als 2,5 MW f�r Unternehmen mit ausl�ndischem Investitionsanteil zum 1. November 2008 ersatzlos gestrichen. Bereits seit Jahresbeginn 2008 k�nnen hingegen Schl�sselkomponenten, Teile sowie Ausgangsmaterialien f�r die Herstellung von Windkraftanlagen mit einer Leistung von mindestens 1,2 MW von allen Unternehmen importzollbefreit eingef�hrt werden. Die Ausnahmeregelung gilt f�r verschiedene Zollpositionen zwischen ein und drei Jahre. Sie gibt jedoch exakte Maximalvolumina der jeweiligen Produktgruppe pro Windkraftanlage vor, die zollbefreit eingef�hrt werden k�nnen. F�r dar�ber hinausgehende Einfuhren entf�llt die Zollbefreiung. Die Regelung kann unter www.windpower.cn/?action-viewnews-itemid-2352 in chinesischer Sprache eingesehen werden.

Derart ver�nderte Rahmenbedingungen haben zusammen mit dem bei Konzessionsprojekten von ausl�ndischen Herstellern geforderten lokalen Fertigungsanteil von mindestens 70 Prozent Wirkung gezeigt: W�hrend sich die installierte Windkraftkapazit�t in China 2008 von 5,9 GW auf �ber 12 GW mehr als verdoppelte, halbierte sich der Import von Windkraftanlagen fast.

Der Marktanteil ausl�ndischer Hersteller ist gesunken. Laut der China Wind Energy Association (www.cwea.org.cn, nur chinesisch) stammen etwa 38 Prozent der installierten Gesamtkapazit�t an Windkraft von ausl�ndischen Herstellern. Zu der 2008 neu installierten Kapazit�t trugen sie nur noch 24 Prozent bei. Davon entfielen alleine 39 Prozent auf den d�nischen Hersteller Vestas. Nach Aussagen internationaler Branchenkenner soll seit 2004 kein internationaler Hersteller mehr eine Konzessionsausschreibung gewonnen haben. Dennoch steckt im Gro�teil der installierten Windkraftanlagen deutsche Technologie: So sind die drei gr��ten chinesischen Hersteller Sinovel, Dongfang Electric und Goldwind Lizenznehmer deutscher Unternehmen. W�hrend Fuhrl�nder inzwischen an Sinovel Technologielizenzen zur Fertigung von Windkraftanlagen bis zu einer Kapazit�t von 2,7 MW vergeben hat, ist Dongfang Electric Lizenznehmer von Repower und Goldwind von Vensys Energy. An Vensys hat Goldwind seit April 2008 einen Anteil von 70 Prozent.

Mit wachsender Sorge betrachten internationale Windkraftanlagenhersteller die industriepolitischen Ver�nderungen in China. Selbst bei einem weiterhin rasanten Anstieg der inl�ndischen Windkraftkapazit�ten und einer Realisierung des neuen Kapazit�tsziels von mindestens 100 GW bef�rdern staatliche Subventionen und Wettbewerbsverzerrungen den Aufbau von �berkapazit�ten. Branchenkenner gehen f�r die n�chsten Jahre von einem inl�ndischen j�hrlichen Installationsbedarf von etwa 7 bis 8 GW aus. Bereits jetzt belaufen sich die Herstellungskapazit�ten f�r Windkraftanlagen in China auf etwa 10 bis 12 GW pro Jahr.