Es scheint als haben sich einstweilen alle Fragezeichen er�brigt: Im Zuge der Finanzkrise � so der allgemeine Tenor � ist es China nicht nur gelungen, seinen Rang als aufstrebende Weltwirtschaftsmacht weiter zu zementieren, das Reich der Mitte sei auch als einziger Akteur �brig geblieben, von dem signifikante Impulse f�r die Generierung einer neuen weltwirtschaftlichen Dynamik zu erwarten sind.
Und in der Tat w�hrte der Einbruch nur kurz und hat die chinesische Volkswirtschaft erstaunlich rasch wieder zu ansehnlichen Wachstumsraten zur�ckgefunden: Schon im zweiten Quartal 2009 konnten die staatlichen Statistiker ein Wachstumsplus von 7,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr vermelden (siehe Tabelle Seite ***). Trotz aller Skepsis an der Reliabilit�t der amtlichen Kennzahlen - auch andere Indikatoren wie etwa die Stromproduktion sprechen daf�r, dass die chinesische �konomie im Gesamtjahr 2009 �ber 8 Prozent wird zulegen k�nnen.
Damit ist China eindeutig dasjenige Land, welches den Turbulenzen der Weltwirtschaft am besten getrotzt hat. Und fraglos hat China zuletzt seine weltwirtschaftliche Relevanz weiter steigern k�nnen, was beispielsweise darin pointiert zum Ausdruck kommt, dass das s�dchinesische Shenzhen laut Global Financial Centres Index zum f�nftwichtigsten globalen Finanzzentrum avancieren konnte - eine Stadt, die der �berwiegenden Mehrheit der Europ�er nach wie vor unbekannt sein d�rfte! Auch erscheinen Prognosen �beraus plausibel, wonach der chinesische Markt in einigen Leitsektoren wie etwa der Automobilproduktion schon in absehbarer Zeit das Ma� aller Dinge sein wird. Eine Branche, in der im �brigen auch die chinesischen Hersteller gute Zukunftsperspektiven besitzen d�rften, da sie konsequent als Trendsetter in Sachen E-Mobility auftreten.
Der prinzipielle Aufw�rtstrend der chinesischen Wirtschaft d�rfte also - zumindest mittelfristig - weiter anhalten. Aber wie realistisch sind die Hoffnungen, dass China fortan die Rolle einer Lokomotive der Weltkonjunktur spielen kann? Zweifel sind in jedem Fall angebracht. Zun�chst stellt sich die Frage nach der Substanz und Nachhaltigkeit des chinesischen Entwicklungsmodells. Der momentane Aufwind ist klar auf die staatlichen Konjunkturma�nahmen in Form von erh�hten �ffentlichen Investitionen vor allem in die Infrastruktur und gelockerten Auflagen bei der Vergabe von Krediten an Unternehmen zur�ckzuf�hren. Insgesamt wurden f�r 2009 und 2010 Mittel in H�he von 580 Milliarden US$ bereit gestellt, was 14 Prozent des BIP entspricht. Die H�he der Mittel ist f�r China dabei kein Problem, da die Haushaltsdefizite in den letzten Jahren sehr gering waren und in 2007 sogar ein �berschuss erwirtschaftet wurde. Gleichwohl haben diese anf�nglich sehr effektiven Ma�nahmen ihren Preis, denn sie drohen, bereits existierende neuralgische Entwicklungen weiter zu versch�rfen.
W�hrend Investitionen in Sachanlagen (fixed assets) - der wichtigste Treiber des chinesischen Wirtschaftswachstums der letzten Jahre - kurzfristig eine kr�ftige Nachfrage erzeugen, schaffen sie langfristig auch ein Angebot, das einen �bergang von einer Phase der �berhitzung zu einer Periode der �berkapazit�t einleiten kann. Parallel w�rde dabei auch der Inflationsdruck durch einen Deflationsdruck ersetzt werden. Auf der anderen Seite tr�gt das erh�hte Geldvolumen zu einer Beschleunigung der Blasenbildung an den Aktienm�rkten bei. Diese Tendenz wird zus�tzlich dadurch beg�nstigt, dass auch die Geldzufl�sse aus dem Ausland anhalten d�rften, da international die Alternativen f�r ertragreiche Anlagen fehlen. Im ung�nstigen Fall k�nnte ein Platzen der Aktienblase dem Land eine lang anhaltende �ra der Stagnation bescheren.
Aber selbst wenn diese Ungleichgewichte korrigiert w�rden, bleibt immer noch die mangelhafte Binnennachfrage, die gegen die Lokomotiv-These spricht. Dabei gilt es ganz simpel in Rechnung zu stellen, dass China mit seiner dezidiert auf den Export ausgerichteten Wirtschaftsstruktur weiterhin substanziell auf Exporte in die USA und nach Europa angewiesen ist. Noch ist der Binnenkonsum viel zu schwach, um einen Nachfrager�ckgang aus diesen beiden Regionen auch nur ann�hernd zu kompensieren. Da die Binnennachfrage kaum mehr als ein Drittel der Wirtschaftsleistung ausmacht, ist kaum vorstellbar, dass von den chinesischen Konsumenten ein Wachstumsimpuls f�r die westlichen Volkswirtschaften ausgeht. Davon abgesehen verdecken die unzweifelhaft imposanten absoluten Wachstumsziffern das Faktum, dass die Anzahl der Haushalte, die �ber ein Jahreseinkommen von 25.000 Euro verf�gt gerade mal bei 1,6 Millionen liegt.
�berdies: Die vergleichsweise niedrigen Einkommen werden in einem nachgerade exzessiven Ausma� gespart - die Sparquote liegt bei knapp 50 Prozent. Die Ursache f�r diesen Umstand ist im Fehlen eines verl�sslichen Sozial- und Pensionssystem zu sehen. Entsprechend muss f�r etwaige Notf�lle selbst vorgesorgt werden. Da auch seri�se langfristige Anlagem�glichkeiten fehlen und die Sparzinsen unterhalb der Inflationsrate liegen, flie�en die Sparguthaben bevorzugt in spekulative Investments, die wiederum die Blasenbildung weiter anheizen. Die hohe Sparquote ist ma�geblich f�r den geringen Konsum verantwortlich, der die Regierung zu wenig nachhaltigen Aktivit�ten zwingt. Deshalb muss die chinesische F�hrung alles daran setzen, diese Defizite zu beheben. Erste zaghafte Ma�nahmen wurden bereits eingeleitet, eine grundlegende Umstellung d�rfte aber Jahrzehnte erfordern. Insofern l�sst sich fragen, ob bei den Konjunkturprogrammen nicht die falschen Priorit�ten gesetzt wurden.
Last but not least ist zu bedenken, dass ein Engagement in China mitnichten ein Selbstl�ufer ist. Kritisch ist speziell die fehlende Rechtssicherheit. Jeder Manager wird wohl die Erfahrung gemacht haben, dass formale Gesetze in China das eine sind, deren Anwendung aber etwas anderes. Da die Rechtspraxis h�ufig ungekl�rt ist, ist es nahezu unm�glich, sich stets rechtskonform zu verhalten, wodurch man immer angreifbar ist. Zwar handeln die Chinesen im Zweifelsfall pragmatisch, sodass �bereinkommen m�glich sind, ausl�ndische Investoren befinden sich dabei aber strukturell im Nachteil. Zudem gilt es auch, spezifisch betriebswirtschaftliche Aspekte zu ber�cksichtigen. Da der Konkurrenzdruck kontinuierlich zugenommen hat, f�hrt kein Weg daran vorbei, die Aktivit�ten st�rker zu fokussieren: Einerseits muss den chinesischen T�chtern eine gr��tm�gliche Eigenst�ndigkeit gew�hrt werden, damit sie flexibel auf Marktver�nderungen reagieren k�nnen. Andererseits sollte aber stets eine hinreichende Kontrolle garantiert sein, um unliebsame �berraschungen zu vermeiden.
Kurzum und zusammen: China ist und bleibt ein lukrativer Wachstumsmarkt, der jedoch all die hinl�nglich bekannten Probleme eines Transformationslandes aufweist. Dass der chinesische Aufstieg weiterhin so reibungslos verl�uft wie bisher ist keineswegs ausgemacht. Die Herausforderungen werden sicher nicht geringer. Ein China-Engagement sollte grunds�tzlich selektiv erfolgen und strategisch vorbereitet sein. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass der Westen eher China dabei hilft seine Probleme zu bew�ltigen als umgekehrt.