Was die Zukunftsaussichten der VR China anbelangt, gehen die Meinungen auseinander. W�hrend die eine Fraktion die strukturellen Defizite etwa im Bankensystem oder im Wertpapiermarkt hervorhebt und auf die Unvereinbarkeit von Marktwirtschaft und autorit�rer Regierungsf�hrung verweist, geht die andere Fraktion von einem anhaltenden Hochwachstum aus, das letztlich einer neuen Weltordnung den Weg bereiten wird.
Dabei f�llt es den Pessimisten naturgem�� leichter als den Optimisten, stichhaltige Begr�ndungen f�r ihre Voraussagen zu finden. Denn Letztere kommen nicht umhin, plausible Erkl�rungen zu finden, wie die un�bersehbaren potentiellen Krisenfaktoren zumindest abgemildert werden k�nnen. Dies l�sst sich im Grunde nur mit dem Verweis auf eine umfassende Transformation des chinesischen Gemeinwesens erreichen. Den ambiti�sen Versuch, ein solches Szenario zu skizzieren, hat nun der Management-Guru John Naisbitt zusammen mit seiner Frau Doris unternommen.
Naisbitt, der mit seinem Weltbestseller "Megatrends" bereits ein N�schen bei der Antizipation neuer Entwicklungstendenzen bewiesen hat, w�hnt sich auch diesmal auf der Spur eines fundamentalen Umbruches. Die Ausgangsthese des Buches lautet dementsprechend, dass die Chinesen dabei sind, ein g�nzlich neues soziales und wirtschaftliches System zu etablieren. Das Autorenpaar vertritt dabei die Auffassung, dass es speziell die "Best�ndigkeit" der Kommunistischen Partei sei, die einen permanenten Reformprozess "im Stile eines Gro�unternehmens" erm�glicht. Angesichts der beeindruckenden chinesischen Erfolge - so die abgeleitete Prognose - werde der verfolgte Ansatz eines "strategischen Fortschritts" zum weltweiten Vorbild avancieren.
Im Detail werden acht S�ulen identifiziert, die dem neuen Gesellschaftsmodell zugrunde liegen sollen: eine Emanzipation des Denkens, eine Kooperation zwischen Elite und Basis, eine Balance zwischen Harmonie und Eigensinn, eine Kultur des Experimentierens, Freiraum f�r kreative Entfaltung, der Anspruch auf eine internationale F�hrungsrolle, das Streben nach gesellschaftlicher Fairness sowie der Drang zur Innovationsgesellschaft aufzusteigen. Zwar konzedieren Naisbitt & Naisbitt, dass auch die chinesische Fassade einige Risse aufweist - grunds�tzliche Zweifel an der Zukunftsf�higkeit des Landes lassen sie aber nicht zu und interpretieren diese als Ausdruck emotionaler Ressentiments.
Nun ist den Autoren zuzustimmen, dass man sich im Westen mit selbstgerechter Kritik und eigenn�tzigen Forderungen stark zur�ckhalten sollte. Allerdings ist �beraus fraglich, ob die dargelegten Prinzipien, die so auch aus einer Werbebrosch�re des Politb�ros stammen k�nnten, die tats�chlichen Entwicklungen widerspiegeln. Es mag sein, dass in China Leistung Herrschaft legitimiert, dass die konsensuale Entscheidungsfindung eine langfristige Planung beg�nstigt, dass der enthemmte westliche Individualismus mehr Nach- als Vorteile besitzt. Dies alles bedeutet aber noch lange nicht, dass die (idealisierten) Zuschreibungen eine Garantie daf�r bieten, dass die zu erwartenden Modernisierungskrisen sachrational bearbeitet werden.
Konsens und Harmonie hin oder her - die notwendig werdenden institutionellen Antworten werden den Interessen der Eliten absehbar zuwiderlaufen und den bisherigen Entwicklungsweg auf den Pr�fstand stellen. Deshalb: Das Buch stellt einen eloquenten Einspruch gegen den wohlfeilen China-Pessimismus dar, ein verl�sslicher Ratgeber zur Absch�tzung der chinesischen Zukunft ist es aber nicht.
John Naisbitt / Doris Naisbitt, Chinas Megatrends. Die 8 S�ulen einer neuen Gesellschaft, Hanser Verlag, M�nchen 2009, 21,90 Euro, ISBN 978-3-446-41959-9