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Die indische Pharmaindustrie befand sich 2013 im Aufschwung und wächst auch 2014 stetig weiter. Ein Großteil der Gewinne wird durch Generika erzielt. Das südasiatische Land ist weltweit der größter Hersteller von medizinischen Nachahmerprodukten. Niedrige Herstellungskosten, wenig restriktive Patentregelungen und eine wachsende Mittelschicht in Schwellenländern bieten vielversprechende Chancen für den Sektor.
Die indische Arzneimittelindustrie ist nach der Japans und der VR Chinas die drittgrößte Asiens. Das Produktionsvolumen des Landes ist weltweit eines der höchsten. Wertmäßig allerdings sieht es etwas anders aus, denn der Gesamtumsatz der Pharmabranche 2013 betrug rund 20 Milliarden US$ und machte somit lediglich einen Anteil von weniger als zwei Prozent des Weltmarktes aus.
Langfristig gesehen sind die Entwicklungschancen allerdings ausgesprochen gut. Laut der Beratungsfirma McKinsey soll das Marktvolumen bis 2020 auf ungefähr 55 Milliarden US$ ansteigen. Das wichtigste Absatzsegment im Inland sind Heilmittel für akute Erkrankungen. Chronische Krankheiten sind jedoch auf dem Vormarsch. Am schnellsten wächst der Bedarf an Mitteln gegen Diabetes sowie Magen- und Darmgeschwüre.
Patentierte Arzneimittel spielen eine geringe Rolle im indischen Gesamtmarkt und erwirtschafteten umgerechnet ungefähr 1,3 Milliarden US$ im Jahr 2013. Eine deutliche Mehrheit von 90% der verkauften Medikamente sind Generika (wirkstoffgleiche Imitate von "Originalmedikamenten"). Das südasiatische Land ist weltweit der größte Hersteller von medizinischen Nachahmerprodukten. Der Umsatz der Generikabranche betrug 2013 etwa 18 Milliarden US$. Marktforscher prognostizieren einen Anstieg auf 28 Milliarden US$ bis 2018.
Experten zufolge wird sich die Pharmaindustrie in Indien prächtig entwickeln. Die Konzentration auf den Generikamarkt wird sich weiter auszahlen. Das Land stellt bereits jetzt 70% der weltweiten medizinischen Nachahmerprodukte her. Vor allem die immer stärker zunehmende Mittelschicht in Schwellenländern profitiert von den günstigen Alternativen zu den Originalpräparaten. Der Aufschwung der Branche wird auch von demographischen Faktoren positiv beeinflusst. Die wachsende und immer älter werdende Weltbevölkerung eröffnet viele Chancen für Arzneimittelhersteller.
Weiterhin werden in den nächsten Jahren diverse Patente von sogenannten "Blockbuster-Medikamenten" auslaufen. Die Fabrikanten aus dem Subkontinent dürften aufgrund ihrer Erfahrung und Expertise bei der Herstellung von Generika und den vergleichsweise günstigen Produktionskosten vorteilhafter als andere Länder aufgestellt sein, so die Beratungsfirma IMS Health.Die Pharmaindustrie des südasiatischen Landes ist sehr fragmentiert. Indien zählt 250 bis 300 Firmen im organisierten Sektor. Darunter befinden sich fünf Staatsunternehmen. Die zehn größten Konzerne generieren etwa 30% des Branchenumsatzes. Darüber hinaus existieren circa 10.000 weitere kleine und mittelständische lizenzierte Betriebe. Die regionale Struktur des Industriezweiges konzentriert sich auf die Bundesstatten Maharashtra, Neu Delhi, Andhra Pradesh sowie Tamil Nadu.
Lockerer Patentschutz schadet westlichen Pharmaunternehmen
2005 wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Herstellung von Generika in Indien angeblich erschwert. Eine neue Gesetzgebung verbot die Nachahmung geschützter ausländischer Medikamente mit einem Patentschutz von 20 Jahren. Allerdings bleibt den Behörden ein gewisser Spielraum. Drei Jahre nach einem weltweiten Patent kann eine indische Behörde unter bestimmten Kriterien lokalen Herstellern eine "Zwangslizenz" geben. Der weltweit übliche Rechtsschutz u.a. für westliche Pharmaunternehmen, die in die Entwicklung von Medikamenten investiert haben, wird von indischen Richtern locker gebrochen. Es reicht eine nur geringfügig andere Wirkstoffzusammensetzung oder dass Medikamente in Indien "zu teuer" angeboten werden.
Anfang 2013 wurde zum Beispiel nach einem langjährigen Rechtsstreit eine Zwangslizenz für ein preiswertes Nachahmerprodukt des Bayer-Krebsmittels Nexavar an den indischen Hersteller Natco vergeben. Das Unternehmen kann durch die Genehmigung das Medikament für einen Bruchteil des eigentlichen Preises anbieten.
Solche Entscheidungen führen wangsläufig Unmut bei den großen Pharmakonzernen. Die Entwicklung von Heilmitteln ist sehr zeitaufwendig und kostspielig. Im Durchschnitt benötigt man 15 Jahre und bis zu eine Milliarde US$, um ein neues Mittel auf den Markt zu bringen, so der US-Branchenverband Pharmaceutical Research and Manufacturers of America (PhRMA). Viele Unternehmen empfinden die Regelungen als innovationshemmend.
Die wenig strenge Patentregelung mag wohl kurzfristig eine Lücke im Gesundheitswesen schließen. Experten erwarten allerdings, dass viele globale Unternehmen nicht alle ihre neuen "Blockbuster-Medikamente" dem südasiatischen Land zur Verfügung stellen. Tatsächlich wurden zwischen 2000 und 2009 von 184 innovativen und forschungsintensiven Arzneimitteln aus den USA nur 115 an Indien verkauft, so "Forbes".
Außenhandel
Nachahmerprodukte sind im Vergleich zu Originalpräparaten zwar um ein Erhebliches günstiger, dennoch bleiben auch sie für eine große Mehrheit der Bevölkerung des Subkontinents nicht erschwinglich. Das Krebsmedikament Glivec beispielsweise kostet umgerechnet 120 Euro, dies entspricht einem Zehntel des ursprünglichen Preises. Nichts desto trotz übersteigt dieser das Budget des Durchschnittspatienten in dem Schwellenland.
2013 wurden pharmazeutische Erzeugnisse im Wert von ungefähr 3 Milliarden US$ importiert. Experten rechnen mit einem Einfuhranstieg auf circa 5 Milliarden US$ bis zum Jahr 2018. Die Mehrheit dieser eingeführten Produkte waren chemische Erzeugnisse aber auch patentgeschützte Medikamente wurden importiert.
Indien exportierte 2013 Arzneimittel im Wert von ungefähr 13 Milliarden US$. Die Ausfuhren sollen bis 2018 auf 26,3 Milliarden US$ ansteigen, so die Marktforscher von Price Waterhouse Coopers. Wichtigster Absatzmarkt sind die USA mit einem Anteil von circa 25%. Zwar mag die Gesundheitsbehörde FDA der USA den Import einiger indischer Präparate verbieten, doch indische Generika werden mittlerweile quer durch Asien Pazifik in Apotheken angeboten. Und damit wird das Business indischer Pharmaproduzenten - mit oder ohne Patentschutz - erfolgreich weiterlaufen.