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Malaysia kommt in den globalen Schlagzeilen meist nur am Rande vor. Im letzten Jahr waren es im Prinzip ausschließlich die Abstürze von drei Maschinen malaysischer Airlines, die das Land einseitig in den medialen Fokus rückten. Mit diesen Tragödien hat sich das generelle Informationsdefizit eher noch erhöht. Das ist bedauerlich, denn in Malaysia geschieht vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht Erstaunliches.
Die zurückhaltende Betrachtung des Landes hat einen nachvollziehbaren Grund: Malaysia ist alles in allem ein doch etwas merkwürdiger Staat, der in keine Kategorie so recht passen will. Mit seinen rund 30 Millionen Einwohnern ist es weder besonders groß noch überschaubar klein, das Pro-Kopf-Einkommen von ca. 10.500 US$ liegt exakt an der Grenze zwischen dem eines aufstrebenden Schwellen- und dem eines avancierten Industrielandes. Als Urlaubsdestination steht es noch klar hinter seinem nördlichen Nachbarn Thailand zurück und die Hauptstadt Kuala Lumpur macht im Vergleich zu den anderen Metropolen Asiens einen etwas sterilen und schläfrigen Eindruck. Ein weltweit wohl einzigartiges Spezifikum ist indes die starke Präsenz zugewanderter Communities: Vor allem als Resultat der britischen Kolonialherrschaft leben im Land neben Malaien und den Angehörigen von Urvölkern große Gemeinschaften von chinesisch- und indischstämmigen Malaysiern. Diese ethnische und auch religiöse Multikulturalität mag den etwas diffusen Außeneindruck verstärken, sie macht aber ganz entscheidend den besonderen Charme und Charakter Malaysias aus.
Mehrheitsprivilegien belasten nationale Einheit Allerdings ist das Zusammenleben alles andere als konfliktfrei und mitunter scheint es, als leben die Malaysier mehr neben- als miteinander.
Speziell durch den offenbar angeborenen Drang zum Geschäftserfolg der Chinesen hat sich die muslimisch-malaiische Bevölkerungsmehrheit vor Langem dazu gedrängt gesehen, mit den sog. Bumiputra-Regeln � die dieser Mindestquoten in Bildungseinrichtungen und öffentlichen Ämtern sichert � der chinesischen Dominanz im Wirtschaftsleben etwas entgegenzusetzen. Derartige Förderprogramme sind durchaus verständlich, sie sind aber sowohl ökonomisch in der Regel problematisch als auch ein Quell für fortgesetzten Zwist zwischen den Bevölkerungsgruppen. Es gab zwar in den letzten Jahren einige Einschnitte in das Quotennetz, aber vor einer Abschaffung schreckt man aus wahltaktischen Gründen zurück, da die Bumiputras die Hauptwählerklientel der, der Hauptkraft der seit Unabhängigkeit ununterbrochen regierenden Barisan Nasional Koalition, sind. Objektiv betrachtet hat sich die Privilegierung der Malaien längst überlebt: Schon während der langen Regierungszeit von Premier Mahathir Mohamad (1981-2003), der Malaysia einen konsequenten Modernisierungskurs verordnet hat, konnte die vormalige strikte Zuordnung der ethnischen Gruppen auf bestimmte Berufe und Geschäftsfelder weitgehend überwunden werden. Auch in dieser Hinsicht hat Malaysia also einiges erreicht. Gleichwohl wurde in den letzten Jahren die Islamisierung des Landes gezielt vorangetrieben, was inzwischen zu einer religiösen Überformung des Staatsapparates geführt hat. Wie groß die Animositäten zwischen den einzelnen Gruppen im Hintergrund immer noch sind, zeigt etwa der Umstand, dass mit dem im April 2009 gestarteten "1 Malaysia"-Programm eigens eine folkloristische Kampagne ins Leben gerufen wurde, welche die offenbar brüchige nationale Einheit fördern soll. Das zentrale Mittel, um den gesellschaftlichen
Frieden zu wahren, soll aber anhaltender ökonomischer Erfolg sein. Um diesen garantiert sicherzustellen, greift man in Malaysia bevorzugt auf großangelegte Masterpläne zurück.
Mit Plan zum Erfolg
So laufen seit Anfang 2010 das Government Transformation Programm (GTP) und das Economic Transformation Programme (ETP). Mit ersterem sollen die administrativen Rahmenbedingungen weiter verbessert, die Korruption bekämpft und die Effektivität der Behörden erhöht werden. Mit letzterem werden zwölf ausgewählte Schlüsselbranchen gefördert, welche wiederum der Gesamtwirtschaft entscheidende Impulse verleihen sollen. Hierzu gehören etwa die Tourismusindustrie, Finanzdienstleistungen und der Einzelhandel. Zusätzlich läuft bis Ende des Jahres noch der 10. Fünf-Jahres-Plan, der die Mittelzuweisungen für die einzelnen Wirtschaftszweige regelt. Alle vier genannten Initiativen bilden die Vision 2020, die dabei helfen soll, Malaysia bis zu diesem Jahr zu einem Industrieland zu entwickeln. Die Ambitionen sind jedenfalls groß. Das Ziel ist die Errichtung einer modernen, primär auf Dienstleistungen und wissensintensiven Branchen basierenden Volkswirtschaft.
Allenthalben ist dabei der Versuch zu erkennen, dem schon seit Jahrzehnten zur Weltelite gehörenden Singapur nachzueifern, vor dessen Toren man im Bundesstaat Johor mit der Iskandar Malaysia (IM) einen von fünf Entwicklungskorridoren geschaffen hat. Insbesondere bei den Institutionen zur Förderung der Investitionen und des Außenhandels wie MIDA und MATRADE ist eine Professionalität anzutreffen, die sich nicht mehr hinter den Pendants des Stadtstaates zu verstecken braucht. Insgesamt lässt sich sagen, dass die Mischung aus Privatwirtschaft und starken planerischen Elementen dem Land bislang gut bekommen ist. Die Erfolge sind dem Rest der Welt (siehe oben) nur noch nicht so recht bewusst geworden.
Elementare Herausforderungen wie Gesundheit, Armut und Grundbildung hat man schon länger im Griff. Nun schickt Malaysias Wirtschaft sich an, die nächsten Stufen auf der Wertschöpfungsleiter nach oben zu klettern. Neben der traditionellen Produktion von Palmöl und Naturkautschuk und der Förderung von Erdöl- und Erdgas hatte sich Malaysia eine führende Stellung bei der Montage von Elektronikprodukten sowie der Herstellung von Halbleitern und integrierten Schaltungen erarbeitet. Zu den Feldern, in die man nun vorrücken will, gehören Spezialbranchen wie Bio- und Nanotechnologie, Advanced Materials, Spezialchemikalien und Umwelttechnologien. Dabei geht es auch darum, das Wachstumsniveau der letzten Jahre von 5 bis 6% weiter aufrecht zu halten. Laut Analysten hat das Land gute Chance, das auch zu schaffen (siehe Tabelle). In den einschlägigen internationalen Wettbewerbsrankings ist Malaysia in die erweiterte Spitzengruppe vorgerückt und steht etwa beim Global Competitiveness Index weltweit auf Rang 20. Eine Bedingung für einen weiteren Aufstieg ist in jedem Fall die Steigerung der R&D-Aktivitäten. Bislang gibt die Regierung nur 1,1% des BIP für Bildung und Forschung aus, weshalb Malaysia auch noch nicht den Anschluss an asiatische Hightech-Nationen wie Südkorea oder Taiwan geschafft hat.
Ungebrochene Kauflust
Was den aktuellen Konjunkturverlauf anbelangt, so wird diese weiter von einem robusten Konsum und stabilen Exporten getragen. Hinzu kommt der fortgesetzte Ausbau der im regionalen Vergleich bereits exzellenten Infrastruktur. Unterstützung erfährt der inländische Konsum von einem starken Arbeitsmarkt mit einer geringen offiziellen Arbeitslosenquote von 2,7%. Konsumiert werden mit Hingabe vor allem verpackte Lebensmittel. Die hohe Nachfrage führt dazu, dass der Umfang der importierten Lebensmittel kontinuierlich steigt. Speziell Schweizer und italienische Unternehmen profitieren vom Trend zu höherwertigen und den westlichen Lebensgewohnheiten entsprechenden Genussmitteln (Schokolade, Nudelprodukte).
In 2013 betrugen die Umsätze der 28 EU-Länder im Bereich Lebensmittel, Getränke und Tabak rund 694 Millionen Euro. Die Nachfrage nach Lebensmitteln dürfte weiterhin konstant bleiben. Aber auch Automobile haben im Absatz deutlich angezogen � es werden voran SUVs und vierradgetriebene PKW gekauft. In diesem Umfeld konnten speziell Hersteller von Luxusfahrzeugen zweistellige Absatzzuwächse erzielen.
Besonders hoch sind auch die Abverkäufe im Kommunikationssektor. Populäre Händler wie Maxis locken Kunden mit einer Vielzahl von Kommunikationsgeräten wie den neuesten Smartphones und Tablets an. Vor allem Mittelschicht-Konsumenten bis 35 Jahre nehmen die neuen Kommunikationsmöglichkeiten freudig an. Die Marktdurchdringung für Mobiltelefone beträgt inzwischen 146%. Beobachtet man einen großen Teil der Bevölkerung in der Hauptstadt Kuala Lumpur könnte das Wachstum noch anhalten. Auch in Malaysia haben Facebook, Whatsapp und Selfies mit einem Selfie-Stick auf den Straßen und in den Verkehrsmitteln Hochkonjunktur. Das etwas geruhsame öffentliche Leben in Malaysia wird offenbar mit einer Extraportion Konsum kompensiert. Einen gewissen Dämpfer werden die Konsumausgaben wohl durch die geplante Einführung einer allgemeinen Umsatzsteuer im April 2015 erfahren.
Außenhandel und Dienstleistungen als Stützen
Malaysia ist ein Exportland. Von Januar bis November 2014 beliefen sich die Exporte auf einen Wert von 698,44 Milliarden Ringgit). Die wichtigsten Exportmärkte sind die asiatischen Nachbarländer China (14,5%), Singapur (14,2%), Japan (11,2%), Thailand (5,5%) und die USA (8,4%). Malaysias Zulieferländer sind in ähnlicher Weise verteilt. Konkret bedeutet dass, das Malaysia für den Export von Gütern vom Import einiger Zwischenprodukte abhängig ist. Die malaysischen Importe betrugen von Januar bis November 2014 rund 624,52 Milliarden Ringgit. Dies entsprach einem Anstieg von 5,3 Prozent zum Vorjahreszeitraum. Der wichtigste Sektor ist die Dienstleistungsbranche, die bereits 53 Prozent der malaysischen Wertschöpfung ausmacht. In diesem Jahr sollen Umsätze mit Dienstleistungen weiter um 6,2% wachsen. Der Sektor erhält vor allem vom Großhandel und vom Hotel- und Gastronomiegewerbe Impulse. Hierbei kommen auch Initiativen der Regierung zum Tragen, mehr Touristen ins Land zu locken. Im Reise- und Tourismusmarkt wurden 2014 ca. 169 Milliarden Ringgit erwirtschaftet. Von Januar bis Oktober 2014 haben 22,8 Millionen ausländische Touristen das Land besucht, die meisten kamen aus Singapur (mit rund 11 Mio. Touristen), Indonesien (2,3 Mio.), China (1,4 Mio.) und Thailand (1,1 Mio.). Die jüngsten Unfälle im Fluggewerbe scheinen keinen nachhaltigen negativen Einfluss auf die Reisefreudigkeit der Malaysia-Touristen zu haben. Gehen die vielen Pläne der malaysischen Regierung alle wie angedacht auf, wird es Malaysia gelingen, beim Wachstum weiter Kurs zu halten. Vielleicht erfährt das Land dann ja die Aufmerksamkeit, die es verdient hat.