Etwa drei Monate lang lebte Roger Willemsen in Bangkok, verließ seine Bleibe allabendlich um 18 Uhr und kehrte im Morgengrauen zurück.
In den Nächten durchstreifte er mit dem in Bangkok wohnenden Fotografen Ralf Tooten die Stadt: die Nachtclubs, Karaoke-Bars und Massage-Salons, die Kickbox-Studios, Nachtmärkte, Tempel und Baustellen.
Er besuchte Wahrsager, Tätowierer und Aura-Fotografen, den Amulett-Markt, den Jahrmarkt der Gastarbeiter, das Straßenkino. Er aß bei den Insektenverkäufern, fand die geheimen Schlafplätze der Elefanten und kampierte unter den Demonstranten gegen die Regierung. Er fand Zugang zu Nobel-Clubs, aber ebenso zu den Glücksspielern aus den Armen-Wohnblocks. Entstanden ist ein großes Nocturno, komponiert aus lauter literarischen Nachtbildern und mehr als 300 Fotos von Ralf Tooten.
Roger Willemsen, geboren 1955, studierte Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte in Bonn, Florenz, München und Wien.
Er veröffentlichte sein erstes Buch 1984 und arbeitete danach als Dozent, Herausgeber, Übersetzer, Essayist und Korrespondent aus London.
1991 kam er zum Fernsehen, wo er vor allem Interview- und Kultursendungen moderierte und Dokumentarfilme produzierte. Er führte über zweitausend Interviews und drehte zahlreiche Künstler-Porträts. Er erhielt u. a. den Bayerischen Fernsehpreis und den Adolf-Grimme-Preis in Gold. Heute steht er mit Soloprogrammen oder gemeinsam mit Dieter Hildebrandt auf der Bühne.
Willemsen ist "amnesty"-Botschafter, Schirmherr des Afghanischen Frauenvereins und Honorarprofessor für Literaturwissenschaft an der Humboldt-Universität in Berlin.