An Büchern, die Auskunft über die Besonderheiten und Fallstricke fremder Länder und Kulturen geben, herrscht wahrlich kein Mangel. Angesichts der schieren Flut von zum Teil aberwitzigen Druckerzeugnissen à la "Sushi essen für Manager" oder "Führen wie Buddha" bedarf es schon eines besonders originellen Konzeptes, um in der Masse der Publikationen überhaupt wahrgenommen zu werden.
Hier hat es der kleine aber feine Conbook-Verlag, der sich auf länderspezifische Routenreiseführer, Ratgeber und Gesellschaftsbeschreibungen spezialisiert hat, vermocht, sich eine Marktlücke in diesem schwierigen Segment zu erkämpfen. Besonders erfolgreich ist dabei die Fettnäpfchenführerreihe, bei der es vordergründig darum geht, Fehltritten, Missverständnissen und Blamagen vorzubeugen. Darüber hinaus wird aber - gewissermaßen en passant - immer auch eine kleine Landeskunde geboten. Das eigentliche Erfolgsrezept scheint jedoch darin zu liegen, die Dinge einerseits nicht bierernst zu nehmen, dabei aber andererseits nicht in den Klamauk abzurutschen und stets den Respekt für andere Lebensentwürfe zu wahren. Offenkundig existieren auf dem Feld der humoristischen Wissensvermittlung noch einige unbestellte Felder.
Exakt diese Kombination ist es auch, die den "Wink mit dem Hühnerfuß" von Anja Obst zu einer ebenso amüsanten wie erhellenden Lektüre macht. Die Autorin ist eine ausgebildete Wirtschaftssinologin, die irgendwann damit begonnen hat, ihre Schreibleidenschaft zum Beruf zu machen und heute für den "FOCUS" als China-Korrespondentin tätig ist. Diese solide linguistische Vorbildung erweist sich als Glücksfall, insofern sie Obst in die Lage versetzt, über die Sprache einen authentischen Zugang zur chinesischen Mentalität zu finden. Die einzelnen Kapitel sind nach beliebten Sprichwörtern sortiert, die ja immer so etwas wie Konzentrate der jeweils dominierenden lebenspraktischen Grundsätze und Einstellungen darstellen. Im Falle der Chinesen kommt hinzu, dass diese eine Affinität zu besonders blumig-metaphorischen Formulierungen haben. So meint etwa "ein Stößel kann zur Nadel werden", dass mit einer beharrlichen und überlegten Vorgehensweise auch unüberwindlich scheinende Hindernisse bezwungen werden können. Oder - neue Blätter wachsen dort, wo sie nicht sollen - weist darauf hin, dass es - wie etwa bei der Ein-Kind-Politik - immer ungewollte Folgewirkungen noch so gutgemeinter Intentionen gibt.
Wer wenigstens einige dieser Sprichwörter kennt und sie zu interpretieren weiß, kann zumindest die gröbsten Fauxpas umgehen. Denn neben kleineren Petitessen, wie eine unangemessene Entgegennahme von Visitenkarten, kann eine Missachtung der Konventionen durchaus eine handfeste Beleidigung bedeuten. Einen weiteren didaktischen Schachzug stellt die Entscheidung dar, die einzelnen Besonderheiten am Beispiel des fiktiven Sprachstudenten Peter zu erzählen. Dadurch wird dem Leser die Möglichkeit geboten, sich leicht in die konkreten Situationen hineinzuversetzen. Insgesamt ist der "Fettnäpfchenführer China" eine schöne Bestätigung dafür, dass das Genre der Kulturratgeber noch nicht ausgereizt ist. Der Autorin gelingt es auf eine geschickte und ungezwungene Weise, den Leser auf eine imaginäre China-Reise mitzunehmen und ihn mit den Kulturstandards des Landes vertraut zu machen.
Irgendwas mit Sprachen wollte Anja Obst, 1967 in Lübeck geboren, machen. Sie war nicht wählerisch und studierte, ganz unbedarft, das Erstbeste, was sich ergab: Wirtschaftssinologie. Das Studium und später die Arbeit führte sie nach China, seit 1998 lebt sie nun in der sich ständig wandelnden Hauptstadt Peking
Sie stolperte noch auf ein paar Umwegen herum, arbeitete halbtags für die ARD, machte sich nebenbei mit einer Wirtschaftsberatung selbständig, bis sie endlich den Mut fand, ihrem Herzen zu folgen und sich der brotlosen Kunst des Schreibens hinzugeben. Sie sattelte um zur Journalistin und begann, für Tageszeitungen und Magazine zu schreiben.