Asien Kurier  8/2009 vom 1. August 2009
Buchbesprechung

Toyota zwischen Identit�t und Image

Von Daniel Müller in Berlin

Auch wenn es angesichts der unvermeidlichen Standortdebatten in Vergessenheit geraten sein sollte: Unternehmen sind abh�ngig von dem gesellschaftlichen Umfeld, in dem sie operieren. Dies gilt besonders f�r Gemeinwesen, die wie das japanische durch ein umfangreiches Set von Normen, Werten und Konventionen gekennzeichnet sind.

Lange Zeit konnte Toyota geradezu als Manifestation des japanischen Modells einer �korporativen Schicksalsgemeinschaft� gelten. Mit dem zur Perfektion getriebenen Kompromiss aus Preis und Funktionalit�t wurden Automobile fabriziert, die zwar ziemlich langweilig waren, aber ideal zu den Bed�rfnissen einer �Mittelstandsgesellschaft� passten. Allerdings haben auch in Japan Reformen neoliberaler Provenienz daf�r gesorgt, dass der traditionelle Konsens zwischen Arbeit und Kapital aufgek�ndigt wurde. Daraus resultierte eine verringerte Massenkaufkraft sowie eine erh�hte soziale Ungleichheit. Ein Wachstum war folglich nur noch in den oberen und unteren Preissegmenten sowie auf den Auslandsm�rkten zu erzielen.

Es ist leicht vorstellbar, dass ein Mittelklasse-Unternehmen wie Toyota erhebliche Probleme hat, sich mit diesen neuen Bedingungen zu arrangieren. Die Irritationen, Verwirrungen und Grenzen, mit denen Toyota dabei konfrontiert ist, sind das Thema des Buches von Enno Berndt. Anhand der zentralen Antwort des Konzerns auf das ver�nderte Umfeld � der Etablierung eines Premiumsegmentes in Gestalt des Lexus � zeigt Berndt auf, dass es sich hierbei nicht einfach nur um eine Erweiterung der Produktpalette handelt. Vielmehr birgt eine solche Strategie zahlreiche Implikationen, die massive Auswirkungen auf die Prozesskultur und die Identit�t eines Unternehmens haben. Insbesondere stand Toyota vor der Herausforderung, ein Produkt zu kreieren, das die im oberen Preissegment essenziellen Werte Originalit�t, Prestige und Geschichte authentisch verk�rpert. Allerdings sind dies Werte, denen ein Massenhersteller, der auf Originalit�t zugunsten des Preises verzichten muss, kaum Beachtung schenken kann.

In der Konsequenz entsteht ein Konflikt zwischen der Selbstwahrnehmung des Unternehmens und der Wahrnehmung durch andere, sprich: zwischen Identit�t und Image. W�hrend es Toyota in den USA vergleichsweise problemlos gelang, den Lexus auf dem Premiummarkt zu positionieren, verlief die Einf�hrung auf dem Heimatmarkt wesentlich schwieriger. Dabei zeigte sich, dass es Toyota schwer f�llt, eine plausible �Produktgeschichte� zu erz�hlen. Da es speziell darum geht, den deutschen Premiumanbietern Konkurrenz zu machen, versucht man dem Produkt eine Aura zu verleihen, die sich auf eine angeblich genuin japanische �sthetik bezieht: Einfachheit und Eleganz werden den barocken Formen der westlichen Modelle gegen�bergestellt. Allerdings ist fraglich, ob diese plakative und kaum nachvollziehbare Abgrenzung dem Lexus eine glaubhafte Exklusivit�t verleihen kann.

Abgesehen von diesen betriebswirtschaftlichen Schwierigkeiten sieht Berndt die tieferen Ursachen f�r die Probleme Toyotas in einem Festhalten an einer auf permanente Rationalisierung und unbedingte Expansion setzenden Massenproduktion (Toyotismus), die allerdings im Zuge der aktuellen Krise offenkundig ihre Grenzen erreicht hat. Insgesamt wird Toyota wie die gesamte Automobilindustrie f�r Berndt daher nicht umhinkommen, nach alternativen Produkten und Produktionsweisen zu suchen, die den gewandelten gesellschaftlichen Bed�rfnissen Rechnung tragen.

Enno Berndt, Toyota in der Krise. Von den Widerspr�chen und Grenzen des Status quo, Leipziger Universit�tsverlag, Leipzig 2009, 143 Seiten, 24 Euro, ISBN 978-3-86583-358-7>