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SINGAPUR. Mit günstigen Standortfaktoren lockt Singapur ausländische Unternehmen an. Für deutsche Arbeitnehmer mit ihren Familen und gerade auch für junge Deutsche ist eine Entsendung in den Stadtstaat sehr attraktiv. In jüngerer Zeit schränkt die singapurische Regierung jedoch die Möglichkeiten ein, hier eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. Der Artikel untersucht Hintergründe und Perspektiven.
Singapur gilt als bevorzugter Standort deutscher Unternehmen: 2013 zählt man über 1.300 mehrheitlich deutsche Unternehmen. Den Stadtstaat nutzen viele davon als regionales Hauptquartier, um von hier aus ihr Südostasiengeschäft zu steuern. Dieser erhält regelmäßig Bestnoten in unterschiedlichen Rankings, wirtschaftlichen Indizes und sonstigen Einschätzungen. So sieht auch eine kürzlich veröffentlichte Studie zum Geschäftsklima "ASEAN Business Climate Survey Singapore 2013" der Deutsch-Singapurischen IHK Singapur als solide und stabile Basis, um Geschäfte in Asien zu tätigen.
Unternehmensfreundliche Standortbedingungen
Solidität und Stabilität gründen sich vor allem auf die Ordnungpolitik einer durchsetzungsfähigen Regierung. Die seit der Staatgründung regierende People�s Action Party (PAP) betreibt eine aktive Standortpolitik und hat dazu für die Unternehmen ein breites Bündel an Standortvorteilen gesichert: Eine erstklassige Infrastruktur wurde geschaffen, in die konsequent weiter investiert wird. Für Verwaltungseffizienz sorgt ein gut finanzierter Verwaltungsapparat. Rechtssicherheit wird sichergestellt durch ein unabhängiges Rechtswesen. Korruption und Kriminalität werden in jeder Form bekämpft. Die niedrige Kriminalität wird nicht zuletzt auf einen drastischen Strafenkatalog zurückgeführt. Bildung gilt als Schlüssel für den weiteren Fortschritt; ein hohes Ausbildungsniveau der Bevölkerung wird angestrebt. Der Bildungsetat ist deshalb der zweitgrößte Posten der singapurischen Staatsausgaben.
Stabile politische Verhältnisse, eine wichtige Grundvoraussetzung für jeden Standort, gehen einher mit der Dominanz der PAP. Gestützt wird diese durch ein Mehrheitswahlrecht und regulierte Medien, die die Verlautbarungen der Regierung transportieren: Die Medien verstehen sich nicht als vierte Gewalt, sondern eher als positiver Agent der Nationenbildung. Dennoch kann man sich auf eine zuverlässige Berichterstattung verlassen: Unstimmige Fakten in den Medien oder auf den Regierungswebsites gelten als inakzeptabel, weil sich die Regierung damit unglaubwürdig machen würde.
Eine Demokratie nach westlichem Muster ist Singapur nicht. Oppositionsparteien sind vorhanden, jedoch unbedeutend. Die Menschenrechte sind geschützt, einige politische Rechte jedoch eingeschränkt, z. B. die Versammlungsfreiheit. Durch ein Gesetz zur inneren Sicherheit ist Freiheitsentzug, selbst ohne richterliche Kontrolle möglich, wenn nach Ansicht der Behörden eine Gefahr für die Staatssicherheit besteht. Der Staat tut alles, um Ruhe und Ordnung sicher zu stellen, im Zweifelsfall auch auf Kosten von Freiheitsrechten. Eine Demokratisierung nach westlichem Modell wird gar nicht erst angestrebt. Das Argument der Staatsführung lautet dabei, eine erstklassige Regierung bzw. ein "first class government" mit hoher Problemlösungsfähigkeit und Zuverlässigkeit wäre einer "first world democracy" vorzuziehen. Aus der Sicht eines Unternehmens ist dem schwer zu widersprechen.
Die "fünf S" von Singapur
Gerade bei den sogenannten "weichen" Standortfaktoren der Lebensqualität kann der Stadtstaat punkten. Auch deshalb nutzen deutsche Unternehmen gerne Singapur als Standort - und ihre Mitarbeiter lassen sich mit Vorzug hierher als "Expatriates" entsenden. Deutsche Familien leben angenehm im Tropenstaat, der sich in zunehmenden Maße als kulturelles und als "Lifestyle"-Zentrum profiliert, auch unter ökologischen Gesichtspunkten. Unter dem Stichwort "City in a garden" wird die Stadt schon seit langem begrünt; inbesondere in weiten Teilen des gepflegten Stadtzentrums fühlt man sich wie in einem großen Park. In jüngerer Zeit sind selbst Renaturierungsprojekte zu beobachten. Familien können hier ihre Kinder in größtmöglicher Sicherheit in einem sauberen, grünen Umfeld aufwachsen lassen, in dem weder mit Unruhen, noch mit Streiks zu rechnen ist, sondern das Leben seinen geregelten Gang geht. Die Sicherheit erstreckt sich auch auf den hohen Standard der medizinischen Versorgung. Für die Erziehung der Kinder steht ein sehr breites Angebot an Schulen und Universitäten zur Verfügung.
Ein Heer an Hilfkräften aus den ärmeren asiatischen Nachbarstaaten arbeitet für niedrige Löhne als Hausmädchen, Poolboys, Gärtner, Fahrer oder Spüler in der Gastronomie und unterstützt damit den hohen Lebensstandard in Singapur, der gerade auch den Expatriates zugute kommt. Serviceleistungen sind deshalb für die rund 7.500 in Singapur lebenden Deutschen weitaus günstiger zu bekommen als in der kalten deutschen Heimat.
Um es auf eine vereinfachende Formel zu bringen: Die "fünf S" - Sonne, Sicherheit, Service, Sauberkeit, Stabilität - versüßen die Tätigkeit in Singapur.
Neuer Wind in der Ordnungspolitik
Obwohl das konkrete Wirken der Politik � wie oben gezeigt � in starkem Maße die Rahmenbedingungen der Wirtschaft und damit die Realität der Unternehmen, ihrer Mitarbeiter und Familien bestimmt, wird der Einfluß der Ordnungspolitik von vielen kaum wahrgenommen. Sichtbar wird er dann, wenn Änderungen zu verzeichnen sind.
Singapur ist seit langem, gerade aufgrund der beschriebenen "weichen" Standortvorteile, sehr beliebt bei deutschen Studierenden für ein Praktikum. Leider haben sich seit 1.12.2022 die Aussichten für Studierende der meisten deutschen Hochschulen deutlich verschlechtert, einen der begehrten Praktikumsplätze in Singapur zu erhalten. Während zuvor noch nahezu jeder an einer Hochschule eingeschriebene Student ein 6monatiges Studentenvisum bekommen konnte, wird der sogenannte "Work-Holiday-Pass (WHP)", mit dem man ein Praktikum in Singapur absolvieren darf, seit Dezember letzten Jahres nur noch an Studierende von Spitzenuniversitäten (bzw. der ersten 200 Rangplätze laut drei festgelegter Hochschulrankings) vergeben. Im deutschen Fall sind das die LMU und TU München, HU und FU Berlin, RWTH Aachen, KIT Karlsruhe sowie die Universitäten Göttingen, Heidelberg, Freiburg, Bonn, Frankfurt, Tübingen, Münster, Hamburg, Mainz, Köln, Kiel und Würzburg. Und selbst für die Studierende dieser Hochschulen wurden Altersbeschränkungen eingeführt: Den WHP erhalten nur noch Antragsteller zwischen 18 und 25 Jahren.
Studierende anderer Hochschule haben seither nur noch die Möglichkeit, sich für einen höchstens drei Monate gültigen Training Employment Pass (TEP) zu bewerben. Soll das Praktikum länger als 3 Monate dauern, bleibt nur noch die Bewerbung für den sog. "S-Pass", für den ein Mindesteinkommen von derzeit immerhin 2.200 S$ (ca. 1.300 Euro 1 Euro = 1,68 S$, Mittelwert Juli - Sep. 2013) nachgewiesen werden muss. Da sich für die Unternehmen einerseits eine kurze Praktikumsdauer nicht lohnt, sie andererseits selten bereit sind, hohe Praktikantengehälter zu bezahlen, gilt für die Studierenden der meisten deutschen Hochschulen seither: Wir müssen leider draußen bleiben.
Bereits zum Jahresbeginn 2012 wurde der Zugang für ausländische Arbeitskräfte verschärft: Um in Singapur zu arbeiten, benötigt man einen Employment Pass (EP), der, abhängig von der Höhe des Gehalts, in verschiedenen Stufen erhältlich ist und mit dem dann gleichzeitig bestimmte Rechte einher gehen, z. B. die Möglichkeit, einen "Dependent�s Pass" bzw. eine Aufenthalterlaubnis für Familienangehörige zu bekommen.
Die klassischen Arbeitsvisa oder EPs sind der P1, für den ein monatliches Mindestgrundgehalt von 8.000 S$ (derzeit ca. 4.700 Euro) gezahlt werden muss und der P2, dessen Bedingungen Anfang 2012 angezogen wurden: Seither muss ein Unternehmen im Monat mindestens 4.500 S$ (derzeit ca. 2.700 Euro) zahlen, um den P2 für einen ausländischen Angestellten genehmigt zu bekommen.
Daneben gibt es eine Sonderform des EP, der Q1, dessen Zielgruppe qualifizierte junge Arbeitnehmer sind. Für diesen Pass wurde Anfang 2012 ein Mindestgrundgehalt von 3.000 S$ festgeschrieben (derzeit ca. 1.800 Euro). Insbesondere der Zuzug ausländischer Arbeitnehmer in den niedrigeren Einkommensregionen scheint seit kurzer Zeit also weniger erwünscht.
Im September 2013 wurde nun bekannt, dass sich mit Wirkung August 2014 die Konditionen für den Erhalt einer Arbeitserlaubnis abermals verschärfen werden: Alle Firmen mit mehr als 25 Angestellten werden dann für sogenannte PME-Jobs (PME = Professional, Manager and Exekutive), in denen weniger als 12.000 S$ pro Monat (derzeit ca. 7.100 Euro) verdient wird, zunächst an einer von der Regierung betriebenen "job bank" inserieren müssen. Zumindest 14 Tage muss die Stelle dort ausgeschrieben sein, bevor das Unternehmen einen Employment Pass (EP) für einen Ausländer beantragen darf.
Eine weitere Änderung wird sich bereits ab Januar 2014 für die oben beschriebene Zielgruppen der qualifizierten jungen Arbeitnehmer ergeben: Statt bisher 3.000 S$ Mindestgrundgehalt muss ab Anfang nächsten Jahres im Monat mindestens 3.300 S$ Grundgehalt (ca. 1.950 Euro) vom Arbeitgeber bezahlt werden, will dieser ein Visum für einen ausländischen Arbeitnehmer erhalten.
Für die zunehmenden Verschärfungen der Visakonditionen für ausländische Arbeitnehmer gibt es einen einfachen Grund: Es gilt "Singaporeans first". Bevor es Unternehmen erlaubt wird, ausländische Arbeitnehmer zu rekrutieren bzw. ein Visum für einen Ausländer zu beantragen, sollen sie zunächst versuchen, einheimische Arbeitskräfte einzustellen.
Demographische Gründe
Zunehmend fremdenskeptische Töne im eigentlich fremdenfreundlichen Stadtstaat sind seit den letzten Wahlen 2011 vernehmbar und haben bereits deutliche Reaktionen der Regierung in verschiedenen Bereichen ausgelöst: Unter der Parole "Singaporeans first" wird zunehmend der Vorrang der eigenen Bürger betont. Konkrete Maßnahmen bestanden z. B. in der Sicherung von Studienplätzen für einheimische Studierende und in der Einführung einer Stempelsteuer für den Erwerb von Wohneigentum, mit der eine weitere Überhitzung des Wohnungsmarktes, gerade durch die Nachfrage von Ausländern, gebremst werden soll.
Aufschluss über die Ursachen für diese Entwicklungen liefert der Blick in die demographischen Fakten, genauer: In der längerfristigen Entwicklung zeigt der bereits dicht besiedelte Stadtstaat ein rapides Bevölkerungswachstum bei einem gleichzeitig sehr hohen Anteil an Ausländern.
Die Bevölkerung Singapurs war in den neunziger Jahren von rund 3 Millionen 1990 auf über 4 Millionen im Jahr 2000 angewachsen, bei damals schon niedriger Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung. Mitte 2013 ist eine Bevölkerungzahl von über 5,3 Millionen zu verzeichnen.
Rund 3,3 Millionen davon sind einheimische Singapurer, sog. Citizens. Hinzu kommen 0,5 Millionen langfristig in Singapur lebende Ausländer, sog. "Permanent Residents", die Bürgerrechte und �pflichten haben. Die restlichen 1,5 Millionen der in Singapur lebenden Menschen sind sog. "Non-residents", d. h. Menschen, die vorübergehend in Singapur arbeiten oder studieren. Von den rund 5,3 Millionen Mitte 2013 in Singapur lebenden Menschen sind also rund 2 Millionen Ausländer. Singapur hat damit einen sehr hohen Fremdenanteil von knapp 40%.
Zusammenfassen lässt sich: Es wird immer voller und enger im nur etwas über 700 Quadratkilometer kleinen Stadtstaat. Die Einheimischen konkurrieren mit einer Vielzahl von Ausländern, nicht nur um Platz, sondern auch um Chancen. Wettkampf und Wettbewerb finden auf auf vielen Ebenen statt, so auch um Arbeitsplätze.
Singapur hat massiv in Bildung investiert, viele Einheimische fühlen sich gut ausgebildet und möchten, dass sich ihre Ausbildung in den Zugang zu guten Jobs, PMEs also, umsetzt. So ist es nicht weiter erstaunlich, dass die einheimischen Bürger sich von ihrer Regierung Entlastung von unerwünschter Konkurrenz aus dem Ausland wünschen. Die Regierung reagiert darauf: Einschnitte bei der Erteilung von Arbeitsgenehmigungen für Ausländer sollen die Chancen für die einheimische Bevölkerung erhöhen, die begehrten PME -Jobs zu erhalten. Allerdings steckt die Regierung damit in einer Zwickmühle.
Spagat zwischen von Global Talent und Bürgerinteressen
Singapurs Regierung strebt ein Profil als Standort für Hochtechnologie und höchstwertige Güter und Diensleistungen an. Deshalb herrscht ein Konsens für eine Einwanderungspolitik, die auf beruflich Hochqualifizierte zielt, um die Landesentwicklung voranzutreiben und als Nebenprodukt die eigenen Bürger zu befähigen, die vom Wissen und Können der "Foreign Talents" lernen und profitieren sollen.
Beginnend mit der Regierungszeit Goh Chok Tongs, insbesondere seit den späten neunziger Jahren, wird "global talent" willkommen geheißen. Die Botschaft, dass es für eine "knowledge based economy" unumgänglich sei, Hochqualifizierte aus aller Welt anzuziehen, fand sich seinerzeit in fast jeder Ansprache des damaligen Premierministers. Durch die seit 2012 schon durchgeführten und aktuell noch angekündigten Einschränkungen in der Erteilung von Arbeitsgenehmigungen entsteht der Eindruck, die Staatsführung würde jetzt zurückrudern. Ist dies ein voreiliger Schluss?
Die Tendenz, dass es künftig etwas schwieriger wird, Arbeitsgenehmigungen für ausländische Mitarbeiter zu bekommen, ist zu erkennen, wenn es sich nicht um Spitzentalente oder unverzichtbare Führungskräfte handelt: Unternehmen werden gehalten sein, vor der Einstellung eines Expatriate-Managers genau zu prüfen, ob die entsprechende Position ebenso gut mit einer lokalen Kraft ausgefüllt werden kann.
Allerdings wird in vielen multinationalen Untenehmen auch ohne einen politischen Druck, sondern eher aus wirtschaftlichen Erwägungen, eine Verschiebung hin zu lokalem Management stattfinden. Gerade in Singapur sind die Mieten und Lebenshaltungskosten in schwindelnde Höhe gestiegen. Dies muss sich natürlich in den Expatriate-Packages, die die Unternehmen für ausländische Manager schnüren, spiegeln. Für einen Expatriate-Manager ist ein Vielfaches dessen zu bezahlen, was für eine lokale Führungskraft ausgegeben werden muss � Unternehmen werden sich zunehmend die Frage stellen, ob dieser Aufwand sich rechtfertigt oder es eine Alternative dazu gibt.
Eine weitere Tendenz im Management moderner globaler Unternehmen lässt sich zudem beobachten: Galten früher noch Expatriate-Manager aus dem Stammhaus am geeignetsten dafür, die Interessen eines Unternehmens im Ausland zu vertreten, so setzt sich zunehmend die Einsicht durch, dass globale Unternehmen am besten beraten sind, wenn sie für anspruchsvolle Aufgaben die jeweils fähigsten Köpfe rekrutieren, völlig unabhängig von deren Nationalität (oder sonstigen Eigenschaften). Diesem Trend wird sich die auf Globalisierung ausgerichtete singapurischen Staatsführung in seiner Genehmigungspraxis nicht verschließen.
Insgesamt ist nicht damit zu rechnen, dass aus der markigen Parole "Singaporeans first" eine strikte "Hire Singaporeans first"-Politik entstehen wird. Singapur wird in seiner Arbeitsgenehmigungspraxis den Spagat halten zwischen den Ansprüchen und Forderungen der eigenen Bürger nach verbesserten Zugangschancen zu gut bezahlten PME-Jobs einerseits und andererseits der Einsicht, dass es für die eigene Wirtschaftsleistung kontraproduktiv wäre, Positionen den Talenten vorzuenthalten, die sie am besten füllen können. Singapurs Lenkern ist es klar, dass die hochgesteckten Ziele des Stadtstaates nicht mit einer permanenten Bevorzugung oder sonstigen "affirmative action" zugunsten der eigenen Bürger zu erreichen sind � ebenso, wie auch Silicon Valley sehr schnell sein Profil als High-Tech-Standort verlieren würde, wollte man sich dort ausschließlich auf die Fähigkeiten der einheimischen südkalifornischen Bevölkerung verlassen.
Kontakt
Prof. Dr. Doris Gutting
Interkulturelles Management und Marketing
Hochschule für angewandtes Management (FH) Erding
- University of Applied Management Science Erding -
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