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Singapur trauert: In der Nacht zum Montag, 23. März 2015, verstarb Lee Kuan Yew, der Gründervater des modernen Singapur, im Alter von 91 Jahren.
Den kleinen Stadtstaat hat er nachhaltig gestaltet, durch die Nachkriegswirren in eine leistungsfähige Marktwirtschaft überführt, die sich durch eines der höchten Pro-Kopf-Einkommen der Welt auszeichnet.
Prägend für Lee waren die Schrecken der japanischen Besatzung, die Rassenunruhen der Nachkriegszeit, aber auch das Versagen der ehemaligen britischen Kolonialmacht. Frieden, Sicherheit und Unabhängigkeit wurden deshalb für ihn die Leitmotive seines politischen Wirkens.
Die seit den Anfängen herrschende Regierungspartei, die People�s Action Party (PAP), wurde von ihm 1954 mit dem Ziel der Souveränität Singapurs gegründet. 1959 wurde er im Alter von nur 35 Jahren zum ersten Premierminister Singapurs gewählt. Am 9. August 1965 wurde Singapur unabhängig. Eine Phase enormen Wirtschaftswachstums folgte.
Seine Leistung bestand vor allem darin, der multikulturellen Bevölkerung Frieden und Stabilität als notwendige Voraussetzung für Prosperität und ein funktionierendes Wirtschaftssystem zu vermitteln. Mit der PAP schuf er ein politisches Organ, in dem sich alle Rassen und Religionen Singapurs vertreten fühlen konnten. Die Betonung asiatischer Werte verstand er dabei als kulturelle Klammer, um die Integration der unterschiedlichen Ethnien zu gewährleisten. Im Geiste des Konfuzianismus war er selbst erzogen worden, hat diese Werte tradiert und Singapur mit väterlicher Strenge geführt. Ein friedliches, multikulturelles Nebeneinander in Singapur wurde möglich und zum Vorbild für viele Nachbarstaaten.
1990 trat er seinen Posten als Premierminister ab. Seit 2004 regiert Lee Kuan Yews Sohn Lee Hsien Loong als dritter Premierminister in der Geschichte Singapurs. Im für Lee Kuan Yew geschaffenen Amt eines �Minister Mentor� übte er noch bis ins hohe Alter politischen Einfluss aus.
Im Westen gilt Lee Kuan Yew als umstritten, da sein Demokratiebegriff sich nicht mit dem westlichen Verständnis deckt. Kritik am Staat ist nur bedingt möglich, Regierungsgegner oder �kritiker wurden mit ruinösen Verleumdungsklagen ausgeschaltet. Medienfreiheit ist nicht vorgesehen. Recht und Gesetz werden durch drastische Strafen gesichert, die Kriminalität ist dadurch gering. Lees Argumentation, eine liberale Demokratie westlicher Machart würde zu einer instabilen Regierung führen, Minderheiten in Singapur benachteiligen und nicht dem anerkannten Ziel der Wohlstandssicherung dienen, findet im Westen wenig Akzeptanz.
Dagegen gesetzt hat er seine eigenen Vorstellungen einer für Singapur passenden Demokratie und das Konzept der �good governance�: Singapur verfügt über eine effektive Verwaltung, Rechtssicherheit und � ganz im Unterschied zu anderen asiatischen Staaten - Korruptionsfreiheit. Diese Tugenden bilden die Grundlage der Attraktivität Singapurs als Wirtschaftsstandort und ziehen Unternehmen aus aller Welt an.
Die Bürger werden versorgt mit Wohnraum und einem modernen Bildungs- und Gesundheitssystem. Der väterliche Staat kümmert sich um eine vorbildliche Infrastruktur und um ein gepflegtes, grünes Stadtbild, ganz im Sinne Lee Kuan Yews. Er hat Singapur zu einem modernen, sicheren und reichen Staat entwickelt. Dafür wird er von den Bürgern geliebt. Freilich partizipieren am Reichtum nicht alle gleichermaßen und der hohe Lebensstandard ist darüber hinaus Magnet für reiche Ausländer. Im nur etwas über 700 Quadratkilometer großen Stadtstaat fällt das entstandene Wohlstandsgefälle auf. So hat sich in den vergangenen Jahren Unmut unter der Bevölkerung gebildet, die die Regierungspartei aufzufangen versucht.
Seit Jahresbeginn wird in großem Stil das 50jährige Jubiläum Singapurs im August vorbereitet. Lee Kuan Yew kann nicht mehr dabei sein. Man wird ihm in Dankbarkeit gedenken.
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