Asien Kurier  10/2009 vom 1. Oktober 2009
Vietnam

Konkunkturprogramm tr�gt Fr�chte

Von Stefanie Schmitt, Germany Trade & Invest in Vietnam

Vietnams Wirtschaft k�nnte bereits 2009 wieder real um mehr als 5 Prozent wachsen. Zu dieser positiven Entwicklung haben nicht zuletzt die von der staatlichen Konjunkturpolitik angebotenen zinssubventionierten Betriebsmittelkredite beigetragen. Eine Fortsetzung des Programms wird derzeit diskutiert. Dagegen sind die angek�ndigten Infrastrukturma�nahmen ins Stocken geraten. Eine konkrete Liste f�r gef�rderte Investitionsprojekte fehlt nach wie vor.

Umgerechnet ehrgeizige 8 Milliarden US$ wollte die vietnamesische Regierung 2009 zur Bek�mpfung des Konjunkturabschwungs bereitstellen, oder rund 8,3 Prozent des erwarteten Bruttoinlandsprodukts (BIP). Dieser rekordverd�chtige Wert wird sicherlich nicht erreicht werden. Die Nichterf�llung ist aus makro�konomischer Sicht jedoch zweifellos ein Segen. Denn nur so lassen sich Staatsverschuldung und Inflation in vertretbarem Rahmen halten.

Allerdings ist der Handlungsdruck auch nicht mehr so gro� wie zu Jahresbeginn. Trotz geringerer Direktinvestitionen (Januar bis August 2009: 10,5 Mrd. US$, nur 18,4% des Vorjahresvergleichswerts) und zur�ckgegangener Exporte hat sich die Wirtschaft bisher vergleichsweise gut geschlagen. Im 1. Halbjahr 2009 verzeichnete sie ein Plus von 3,9 Prozent. Da ein Teil der Konjunkturma�nahmen erst in den kommenden Monaten voll greifen wird, prognostizieren j�ngste Einsch�tzungen f�r das Gesamtjahr sogar einen realen BIP-Zuwachs von 5,2 Prozent. Ferner sind die Arbeitsmarktdaten deutlich besser als noch zu Jahresbeginn bef�rchtet.

Bisher beschr�nkten sich die Ma�nahmen in erster Linie auf Geldzuwendungen an die Bev�lkerung zur Ankurbelung des Binnenkonsums und Zinssubventionen f�r Unternehmenskredite. Die mehrfach angek�ndigte konkrete Liste f�r Infrastruktur- und andere Investitionsprojekte liegt indessen immer noch nicht vor - und es erscheint mittlerweile fraglich, ob es �berhaupt eine geben wird. Das f�r die Erarbeitung zust�ndige Ministry of Planning and Investment (MPI) verweigert diesbez�gliche Stellungnahmen. Zwar liegen noch keine stichhaltigen Untersuchungen �ber H�he und Verwendung der bislang verausgabten Gelder vor, doch scheint sicher, dass gro�e Summen an Staatsunternehmen geflossen sind und dort nicht immer zweckm��ig und effizient verwendet wurden.

Als "Spitze des Eisberges" gilt der "Golfplatz-Skandal", �ber den selbst das vietnamesische Fernsehen berichtete. So fanden sich unter den zahlreichen Projektvorschl�gen, die von Seiten der Provinzen eingebracht und genehmigt worden sind, 166 Golfpl�tze. Diese sollten auf Kosten von Reisfeldern oder anderer landwirtschaftlicher Nutzfl�chen entstehen. Nach einer �berpr�fung wurde 51Vorhaben die Genehmigung wieder entzogen.

Bislang kaum realisiert wurde ein Programm zur Steigerung der Produktivit�t auf dem Land. Hierf�r waren 1 Milliarden US$ angesetzt worden. Die Gelder sollen f�r zinsfreie Darlehen mit einer Laufzeit von f�nf Jahren vergeben werden. F�rderw�rdig sind Projekte in den Bereichen l�ndlicher Stra�enbau, Be- und Entw�sserung sowie Aufbau von Aquakulturen. Voraussetzung f�r eine Kreditvergabe ist der schriftliche Nachweis, dass dem Antragsteller das fragliche Land geh�rt. Viele k�nnen kein derartiges Zertifikat vorlegen. Dar�ber hinaus m�ssen sich die Bauern oftmals verpflichten, mit den Geldern ausschlie�lich einheimische Produkte zu kaufen, obwohl sie importierte Pestizide oder D�ngemittel verwenden.

Wachstumstr�ger war dank g�nstiger Kredite und gesunkener Materialkosten insbesondere der Bausektor. Auch der Binnenkonsum trug wesentlich zum BIP-Zuwachs bei. Von Januar bis August 2009 setzte der Einzelhandel 18,4 Prozent mehr um als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Der verarbeitende Sektor konnte deshalb trotz der flauen Nachfrage des Auslands ganz gut �berleben - und letztlich stieg die Industrieproduktion immerhin noch um 5,6 Prozent.

Die Exporte erreichten von Januar bis August gerade einmal 37,3 Milliarden US$ - 14,2 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Kritiker bem�ngeln deshalb, das Programm verleite die Unternehmen dazu, notwendige Umstrukturierungen zu unterlassen. Anfangs gingen mit den geringeren Exporten niedrigere Importe einher. Denn aufgrund des Fertigungsr�ckgangs sank die Nachfrage nach importierten Inputs. Mittlerweile entwickeln sich die Importe aber wieder kr�ftig nach oben, sodass mit einer Ausweitung des Handelsbilanzdefizits zu rechnen ist. Dieses addierte sich in den ersten acht Monaten 2009 auf 5,1 Milliarden US$ und erreichte allein im August 1,5 Milliarden US$ - mit steigender Tendenz. Zudem soll die nicht ver�ffentlichte Leistungsbilanz wieder negativ sein.

Im 2. Halbjahr 2009 werden einige Ma�nahmen zur St�tzung der Konjunktur auslaufen, zum Beispiel die pers�nliche Einkommensteuerbefreiung f�r Privatpersonen, befristet vom 1. Januar bis 30. Juni 2009. Eine zun�chst erwartete weitere Aussetzung erfolgte nicht. Einkommen aus Kapitalinvestitionen, Franchising, gewerblichen Schutzrechten und aus Aktienverk�ufen bleiben dagegen bis Ende 2009 steuerfrei.

Der niedrigere Satz der Value-Added-Tax (VAT), welcher am 1. Februar 2009 zur Hebung der Binnennachfrage f�r eine Vielzahl von Konsum- und Industrieg�tern, angefangen bei Schuhen, Textilien und Bekleidung, �ber Papier bis hin zu Ziegelsteinen, Zement oder Mopeds, eingef�hrt worden war, ist zun�chst auch bis Jahrenende befristet. Dar�ber hinaus startete im April das "2009 Domestic Market and Trade Promotion Program" unter Federf�hrung des Ministry of Industry and Trade. Ausgestattet mit rund 2,8 Millionen US$ soll es den Absatz lokaler Waren im Inland mit Hilfe von Marketingkampagnen (insbesondere Messen und Marktuntersuchungen) f�rdern.

Mittlerweile wird die Verabschiedung eines zweiten Zinspakets diskutiert. Bef�rworter glauben, der Aufschwung k�nne vorzeitig abgew�rgt werden, weil die Auszahlung der kurzfristigen um vier Prozentpunkte verbilligten Kredite zum 30. September zu Ende ging. Der Satz w�rde dann wieder auf rund 10,5 Prozent steigen, was f�r viele Antragsteller zu hoch w�re. Gegner einer Verl�ngerung weisen auf m�gliche Marktverzerrungen hin. So nutzten zahlreiche Unternehmen die in der lokalen W�hrung ausgegebenen Kredite f�r Importe. In der Folge ist der Vietnamesische Dong stark unter Druck geraten und hat seit Jahresbeginn circa 6,4 Prozent an Wert verloren. Grunds�tzlich sei nicht erwiesen, welchen Anteil die konjunkturellen Ma�nahmen am Wirtschaftswachstum h�tten.

Vertreter der Zentralbank gehen davon aus, dass sich die Regierung bei einem BIP-Wachstum von unter 5 Prozent im 3. Quartal zu einer Verl�ngerung des Zinsprogramms entschlie�en wird. Denkbar w�re, die Subventionen auf bestimmte Branchen zu begrenzen. Bislang sind alle in Vietnam registrierten Unternehmen als Antragsteller zugelassen, auch diejenigen mit ausl�ndischer Kapitalbeteiligung. Allerdings z�hlen letztere kaum zu den Nutznie�ern des Pakets, sei es, weil sich das Prozedere f�r sie aufwendiger gestaltet als f�r lokale Firmen oder weil sie prinzipiell kaum debitorische Verpflichtungen in Vietnam eingehen (zumindest deutsche Firmen) oder auch weil sie �ber gen�gend Eigenkapital zur g�nstigeren Refinanzierung verf�gen.

W�hrend sich das Vergabevolumen f�r kurzfristige Kredite mittlerweile auf umgerechnet 23 Milliarden US$ summiert (Stichtag 3.9.09), wurden f�r gerade 1,6 Milliarden US$ langfristige Kredite in Anspruch genommen. Damit wurde zwar im Zeichen der Krise das �berleben vieler Firmen momentan gesichert. Eine gew�nschte Umstrukturierung der Wirtschaft fand indessen nicht statt. Nun, da die schlimmsten Folgen der Krise abgefedert worden seien, sei es Zeit daran zu denken, wie Vietnam an Wettbewerbsf�higkeit gewinnen k�nne. Im Vergleich zum Vorjahr ist das Land auf dem Global Competitiveness Index des World Economic Forum um f�nf Pl�tze nach unten gerutscht und belegt 2009 nur Rang 75.

Einer der Gr�nde f�r den Abstieg war die schwere Inflation 2008. Gegenw�rtig scheint die Gefahr allerdings vorl�ufig gebannt zu sein. Bislang gilt ein Inflationsziel f�r das Gesamtjahr von deutlich unter 10 Prozent als realistisch. Grunds�tzlich genie�t daher die Ankurbelung der Konjunktur Vorrang. Deshalb hat die Zentralbank nach einer vor�bergehenden Deckelung der Obergrenze f�r das Kreditmengenwachstum auf 25 bis 27 Prozent dieses Ziel erneut auf 30 Prozent angehoben. Der 25 Prozent-Deckel w�re infolge des raschen Kreditwachstums im Zuge des Anschubprogramms nicht zu halten gewesen. Allerdings verlangt die Zentralbank seit Ende August, dass die Banken maximal 40 Prozent statt 30 Prozent der kurzfristigen Geldeinlagen langfristig verleihen d�rfen.

Unbeantwortet ist nach wie vor die Frage nach der Finanzierung der get�tigten und geplanten Ma�nahmen - zumal der Staat �ber deutlich weniger Einnahmen verf�gt als noch vor Jahresfrist. Als eine wichtige Quelle war der Verkauf von Regierungsbonds genannt worden. Diese erweisen sich indessen wegen ihrer geringen Verzinsung als "Ladenh�ter". Angesichts der bisher positiven Wirtschaftsentwicklung empfiehlt die Weltbank mit Blick auf das enorm wachsende Haushaltsdefizit zu �berdenken, ob es beispielsweise tats�chlich notwendig ist, einen realen BIP-Zuwachs von 8 Prozent anzustreben.