BERLIN. Korruption gilt weithin als besonders verwerfliche Strategie zur Erreichung von persönlichen oder Gruppeninteressen.
War man in der westlichen Hemisphäre lange der Überzeugung, der Einsatz von unlauteren Mitteln zur Aushebelung von formalen Regelsystemen sei eine Verhaltensweise, die ausschließlich in den Armutszonen dieser Welt anzutreffen sein, so haben spätestens die Vorgänge um die Siemens AG gezeigt, dass es sich hierbei vielmehr um ein ubiquitäres Phänomen handelt. Allerdings sollten bei einer Korrektur der üblichen Stereotype nicht die Dimensionen aus den Augen verloren werden: denn in etlichen Staaten ist Korruption keineswegs ein Abfall von der Norm, sondern dominierendes Strukturprinzip. Im globalen Vergleich nehmen Asien im Allgemeinen und Indonesien im Speziellen, was die Korruptionsanfälligkeit anbelangt, fraglos einen Spitzenplatz ein. In dem südostasiatischen Inselstaat muss gar von einer endemischen Korruption gesprochen werden.
Dabei wird auch in Indonesien darüber Klage geführt, dass korrupte Machenschaften aufgrund der aus ihnen resultierenden Ineffizienzen zu beträchtlichen Wohlstandsverlusten führen. Jedoch belässt man es meist bei einer "Pro-forma-Empörung" für die entsprechenden Mechanismen interessiert sich indes kaum jemand. Diese Erfahrung musste auch Simon Koenen machen, der während eines Praktikums in Jakarta die (überaus unangenehmen) Folgen von Korupsi am eigenen Leib zu spüren bekam. Diese persönlichen Erlebnisse haben ihn dazu motiviert, sich intensiv mit der Thematik zu beschäftigen. Auf Grundlage von in anonymen Interviews gewonnenen Insider-Informationen, versucht er die Strukturen und Praktiken von Korruption in Indonesien aufzuzeigen.
Dabei vertritt er die These, dass sich Korruption wie ein "roter Faden" durch die indonesische Gesellschaft zieht. Unter Korruption versteht Koenen den Missbrauch anvertrauter Macht zum persönlichen Vorteil. Diese breite Definition ermöglicht einen erheblichen Erkenntnisgewinn, denn sie macht deutlich, dass es sich dabei nicht zwangsläufig um eine Einbahnstraße handeln muss, sondern vielfach Anbieter-Nachfrager-Verhältnisse anzutreffen sind. Korruption geht also nicht nur als ein quasi erpresserischer Akt von Amtsträgern aus, sondern wird auch als Mittel zur Beschleunigung von administrativen Prozessen regelrecht nachgefragt. Diese Variante stellt nicht zuletzt für Ausländer einen komfortablen Weg zur Zielereichung dar. Eine gängige Praxis ist das Zahlen von "Vermittlungsgeldern", wobei diese Vorgänge gern an einheimische Partner outgesourct werden.
Jenseits eines selbstgerechten Moralisierens stellt sich für Unternehmen generell die Frage, ob sie sich dem Korruptionssog überhaupt entziehen können. Die Antwort von Koenen´s Gesprächspartnern ist eindeutig: ohne ein Mindestmaß an ?Beziehungspflege? kann man seine Repräsentanzen gleich schließen, da man schlicht keine Aufträge mehr erhalten würde. Um einen vertretbaren Kompromiss zwischen ethischen Erwägungen und legitimen Geschäftsinteressen zu erzielen, kann es nach Ansicht des Autors nur darum gehen, einen glaubwürdigen, sprich: transparenten Umgang mit dieser Herausforderung anzustreben und zu versuchen, die vorherrschenden sozialen Erwartungen annäherungsweise mit den gesetzlichen Direktiven in Übereinstimmung zu bringen. Koenen kommt der Verdienst zu, eine konsequent tabuisierte Problematik sachlich, unterhaltsam und vor allem wertneutral aufs Tableau gebracht zu haben.
Buchdaten
Buchtitel - Korupsi
Buchautor - Simon L. Koenen
Verlag - Kellner-Verlag
Ort und Jahr - Bremen, 2009
ISBN - 9783939928065
Preis - € 16,90