BERLIN. Wenn heute davon die Rede ist, dass jedes Unternehmen, welches seinen langfristigen Erfolg sicherstellen will, sich unbedingt in Asien zu engagieren hat, dann entsteht leicht der Eindruck, dass es sich hierbei um einen besonders innovativen und präzedenzlosen Vorgang handelt. Selbstverständlich ist dies eine Fehlwahrnehmung.
Denn seit dies verkehrstechnisch möglich war, haben sich verwegene Entdeckerfiguren auf den Weg gen Osten gemacht, um nach neuen Gewinnmöglichkeiten Ausschau zu halten. Aus den Aktivitäten von einzelnen wagemutigen Individuen haben sich dann später ? unter zum Teil abenteuerlichen Umständen ? die ersten Pionier-Unternehmen im euro-asiatischen Warenaustausch herausgebildet. Ein solches Unternehmen ist die Schweizer DKSH-Gruppe, die im Jahr 2002 durch eine Fusion von drei eidgenössischen Handelsfirmen entstanden ist, die ihrerseits von Beginn an im Asiengeschäft involviert waren. Der CEO des neuen Unternehmens, Jörg Wolle, hat nun eine Art integrierte Firmenbiografie vorgelegt.
Ausgehend von den ersten Handelsaktivitäten zu Zeiten der zaghaften Öffnung Japans Mitte des 19. Jahrhunderts beschreibt Wolle den Prozess der geografischen und inhaltlichen Expansion der drei Unternehmungen. Aktuell stellt sich die DKSH als ein asienweit aktiver Dienstleistungsanbieter dar, dessen Portfolio von der Erstellung von Marktstudien über die Unterstützung bei der Markterschließung bis zur Erbringung von Outsourcing-Diensten reicht. Der Weg zum Marktführer war dabei natürlich alles andere als linear, sondern von diversen Wechselfällen und Rückschlägen gekennzeichnet. Dabei sind nicht zuletzt von der ereignisreichen asiatischen Geschichte erhebliche Auswirkungen auf das Geschäftsumfeld von europäischen Firmen ausgegangen. Wolle räumt diesem Aspekt nicht nur breiten Raum in seiner Darstellung ein, sondern zeichnet en passant auch ein buntes Panorama der asiatischen Kultur- und Wirtschaftsgeschichte. Dies ist ein geschickter Ansatz, denn dadurch wird einerseits die Firmengeschichte in einen breiteren Kontext gestellt. Andererseits bleiben die einzelnen Kapitel abwechslungsreich, sodass das Buch auch für Leser, denen eine spezifische Unternehmensgeschichte zu monothematisch ist, interessant wird.
Deutlich schwächer als der Rückblick auf die einzelnen Transformationsetappen der DKSH ist dann das Abschlusskapitel, das sich praktischen Handlungsratschlägen zu den Geschäftsusancen in Asien widmet. Leider unterliegt der Autor hier der Tendenz, die übliche Berater-Litanei zu repetieren: Dass Asien künftig eine wichtigere Rolle spielen wird, steht außer Frage. Ob es sich bei dieser Entwicklung aber um einen quasi naturgesetzlichen Vorgang handelt, darf man getrost bezweifeln. Von einem Insider wie Wolle hätte man sich hier eine auf persönlichen Erlebnissen basierende reflektierte Analyse der asiatischen Defizite und Beschränkungen gewünscht.
Schlicht überflüssig sind die sporadischen Hinweise darauf, dass für Geschäftsbeziehungen in Asien persönliche Kontakte essenziell sind und dass man die strikte Hierarchieorientierung der Asiaten einzukalkulieren hat. Auch dass neben China noch andere asiatische Wachstumsmärkte existieren, dürfte sich allmählich herum gesprochen haben. Von diesen Einschränkungen abgesehen, hat Wolle ein originelles Buch vorgelegt, das dem Leser einen sehr plastischen Eindruck davon ermöglicht, wie der wirtschaftliche Austausch in "Fernost" vonstatten geht.
Buchdaten
Buchtitel - Expedition in fernöstliche Märkte
Buchautor - >Jörg Wolle
Verlag - Orell Füssli Verlag
Ort und Jahr - 2009
ISBN - 3280053528
Preis - derzeit nicht lieferbar