BERLIN. Ausgehend von der mathematischen Formel "Einwohner gleich Kunden" wurde der chinesische Markt zunächst zum Eldorado verklärt - den Besonderheiten, Defiziten und Fallstricken des dortigen Wirtschaftsumfeldes wurde dabei keine große Bedeutung beigemessen.
Es bedurfte erst einiger sehr schmerzhafter Erfahrungen, bis den bedingungslos investitionsbereiten Unternehmern aufging, dass gerade bei China mit seinen sehr speziellen Geschäftsusancen eine ordentliche Portion skeptische Vorsicht angebracht ist. Mit welch abenteuerlichen Situationen Investoren in China konfrontiert werden, davon weiß der ehemalige ARD-Korrespondent Jürgen Bertram einiges zu erzählen.
Da wäre beispielsweise der Fall eines Herstellers von Spezialverschlüssen für Ölleitungen, der anfangs von der Kommunistischen Partei hofiert wurde und schließlich ein Joint Venture mit einem chinesischen Partner einging. Schnell musste er feststellen, dass es zu erheblichen Unregelmäßigkeiten bei den Firmenabläufen kam. Es stellte sich heraus, dass mithilfe seiner "Mitarbeiter" nur wenige Kilometer weiter, ein absolut identisches Werk errichtet wurde. Aber schlimmer noch: Auch der neu engagierte Ingenieur stand bei dem "Konkurrenzunternehmen" auf der Payroll. Als auch er entlassen wird, stiehlt er kurzerhand den Firmentresor mit wichtigen Papieren und dem Hauptrechner. Als der Unternehmer die Polizei einschalten will, wimmelt man ihn ab und erklärt sich für nicht zuständig.
Derartige Vorfälle sind für Bertram keine Ausnahmen, sondern chinesischer Alltag. Insgesamt entstehen deutschen Unternehmen Milliardenverluste durch den Diebstahl von Blaupausen und Patenten, dem Fälschen von Produkten oder durch das Abpressen besonderer Vergünstigungen. Die Kopierwut der Chinesen geht dabei soweit, dass sogar äußere Schäden an Geräten mitkopiert werden!
Als Ursache für die häufig einfach nur unverfrorene Haltung der Chinesen führt Bertram verschiedene Punkte an. Etwa einen an Fanatismus grenzenden Patriotismus, aufgrund dessen die Chinesen sich als kulturellen Mittelpunkt der Welt wähnen, zu dem die Ausländer aufzuschauen hätten. Der Technologie-Transfer erscheint hier als moderne Form des Tributs. Dann gelte es zu berücksichtigen, dass es sich bei China immer noch um eine bäuerlich-feudalistische Gesellschaft handelt, was die rüden Verhaltensweisen erklärt. Zudem führe der auf rein materialistischen Einstellungen beruhende Konfuzianismus dazu, dass die chinesische Gesellschaft keine abstrakten moralischen Imperative kenne, weshalb Ehrlichkeit und Fairness nicht als Tugenden, sondern als Schwächen, ja als Marktlücken gelten.
Vor diesem Hintergrund gelte es für westliche Unternehmen, sich der chinesischen Herausforderung in allen Facetten bewusst zu werden. Zunächst sollte genau abgewogen werden, ob ein China-Engagement sich tatsächlich lohnt. Wenn dies der Fall ist, sollte man darauf verzichten, dort Schlüsseltechnologien herzustellen. Vor allem aber sollte man den Chinesen gegenüber selbstbewusst auftreten und ebenfalls taktisch agieren.
Bertram findet deutliche Worte, um die chinesischen Machenschaften anzuprangern, aber er bleibt stets differenziert und fragt sich immer wieder, ob seine Wahrnehmung nicht kulturbedingt verengt ist. Es mag sein, dass er zuweilen unzulässig verallgemeinert, aber insgesamt ist ihm bei seinem Plädoyer, mit der Schönfärberei im China-Geschäft aufzuhören und konsequent seine Rechte einzufordern, unbedingt zuzustimmen.
Buchdaten
Buchtitel - Die China-Falle
Buchautor - Jürgen Bertram
Verlag - Fischer Taschenbücher
Ort und Jahr - Frankfurt, 2009
ISBN - 9783596183142
Preis - € 4,50