BERLIN. Schon seit weit über eineinhalb Jahren gehören die Vorgänge in Myanmar ? neben den Eskapaden des Isolationsregimes in Pjöngjang ? zu den spannendsten Entwicklungen in ganz Asien. Zwar haben sich die völlig unrealistischen Erwartungen über einen Blitzstart hin zu substanzieller Demokratie und Wohlstand nicht erfüllt und ist der anfänglichen Euphorie sogar ein gutes Stück Ernüchterung gewichen ? aber der enormen Faszination für dieses lange Zeit von der Außenwelt abgeschottete Sagenland hat dies völlig zu Recht keinen Abbruch getan.
In Myanmar ist etwas in Bewegung geraten, was früher oder später sehr weitreichende Konsequenzen für Gesamtasien haben wird. Die suggestive Anziehungskraft Myanmars, die zuweilen in eine Art naive Verklärung umschlägt, ist dabei ganz entscheidend mit dem Wirken einer Persönlichkeit verbunden, der schon zu Lebzeiten eine herausgehobene historische Rolle attestiert wird. Die Rede ist natürlich von der Oppositionsführerin, Friedensnobelpreisträgerin und Freiheitsikone Aung San Suu Kyi.
Unabhängig davon, wie es mit dem eingeleiteten Reformprozess im Einzelnen weitergehen wird, nötigt die Courage und Beharrlichkeit, mit der diese zierliche Frau einer zynischen und vor massivem Gewalteinsatz nicht zurückschreckenden Militärclique offen die Stirn geboten hat, dem Beobachter vorbehaltlosen Respekt ab. Aber wie es mit Sehnsuchtsfiguren so ist ? hinter der strahlenden Helden-Patina verschwimmen die eigentlichen Charakter- und Wesenszüge gelegentlich bis Unkenntliche. Leider trägt auch die Biographie des schwedischen Journalisten Jesper Bengtsson nicht übermäßig viel zum Verständnis des Phänomens Suu Kyi bei. Dies mag daran liegen, dass er seine Einschätzungen primär auf Basis von Berichten von Freunden und Weggefährten aufgebaut hat. Angesichts des langen Hausarrests ist dieser Ansatz verständlich und auch in Ordnung, aber eine etwas distanzierte Herangehensweise wäre durchaus angemessen gewesen. Denn mit seiner direkten Bewunderung leistet Bengtsson der Tendenz Vorschub, die Person Suu Kyi fast schon ins Metaphysische zu überhöhen und somit mit Hoffnungen und Erwartungen zu beladen, die sie real nur enttäuschen kann.
Gleichwohl zeichnet Bengtsson ein anschauliches Bild der historischen Entwicklungen Myanmars, legt seinen Fokus auf den Aufstieg der Militärjunta und versucht, sich der Begeisterung und Verehrung von Suu Kyi durch große Teile der burmesischen Bevölkerung analytisch zu nähern. Vielleicht ist es auch nicht einfach, in den unbeständigen Zeiten des burmesischen Aufbruchs und der damit verbundenen westlichen Hoffnungen und Wünschen auf ein demokratisches Land eine politisch ausbalancierte Biographie zu schreiben, zumal der Zugang zu Informationsquellen verglichen mit Europas Medienwelt und der dort anzutreffenden Auskunftsbereitschaft der politischen Kaste deutlich schwieriger, wenn nicht gar unmöglich ist. Dies berücksichtigend ist dem Autor jedoch summa summarum ein gut lesbares Buch über Myanmar und seine jüngste Geschichte gelungen. Die Aufgabe des aufmerksamen, politisch interessierten Lesers allerdings bleibt, der Biographie Suu Kyi, ihrer politischen Weggefährten und ihrem Einfluss auf die weitere Entwicklung von Myanmar mit einer sachlichen Distanz und Nüchternheit zu begegnen.
Fazit: Das Buch ist all jenen empfehlenswert, die neben der persönlichen und politischen Entwicklung von Suu Kyi vor allem etwas über die jüngste politische und ökonomische Bildung Myanmars erfahren und einen Blick auf die (mögliche) Zukunft des kleinen südostasiatischen Landes wagen wollen.
Buchdaten
Buchtitel - Ikone der Freiheit. Aung San Suu Kyi
Buchautor - Jesper Bengtsson
Verlag - Rotbuch Verlag
Ort und Jahr - Berlin 2013
ISBN - 978-3-86789-172-1
Preis - € 19,99