BERLIN. In den ersten Monaten dieses Jahres beherrschten wieder einmal alarmierende Eilmeldungen von der Koreanischen Halbinsel die internationalen Schlagzeilen. Die noch kurz zuvor gehegten Hoffnungen auf eine nachhaltige Entspannung eines der brisantesten Konfliktherde der Weltpolitik wurden schlagartig als unrealistische Wunschvorstellung widerlegt. Auch unter Kim junior, so viel dürfte inzwischen klar sein, ist nicht mit einer grundsätzlichen politischen Öffnung des weitgehend abgeschotteten Nordteils zu rechnen. Und irgendwie scheint man sich allenthalben auch mit dem merkwürdigen Teilungszustand arrangiert zu haben.
Offenbar währt der Gegensatz einfach zu lange, als dass noch vollauf realisiert würde, wie widersinnig und anachronistisch die Teilung der koreanischen Nation im Grunde ist. Denn nüchtern betrachtet handelt es sich bei den beiden Koreas um übriggebliebene Relikte der unerbittlichen Spaltungslogik des Kalten Krieges.
Wenn also der koreanische Status quo derart tiefgehende historische Wurzeln hat, scheint eine präzise Nachzeichnung der Vorgeschichte und der einzelnen Entwicklungsetappen als zweckmäßig, um ein erhellendes Licht auf die Koreafrage zu werfen. Dies war wohl auch die Ausgangsüberlegung des Zeithistorikers Bernd Stöver, der die einzelnen Fäden des Gesamtkomplexes entwirrt, sorgfältig analysiert und in einen breiteren Kontext einbettet. Dabei wird der Leser zwar mit einer wahren Flut an Einzelaspekten und Detailinformationen konfrontiert. Andererseits wird aber deutlich, dass sich vorschnelle Urteile genauso verbieten wie wohlfeile Schuldzuweisungen. Weitgehend vergessen ist etwa, dass wohl erst das ostentativ bekundete Desinteresse der USA am ostasiatischen Festland Stalin dazu bewogen hat, den Angriffsplänen von Kim Il-sung auf den Süden zuzustimmen. Auf der anderen Seite war auch der damalige südkoreanische Präsident Rhee Syng-man alles andere als ein Demokrat.
Jedenfalls war der 1950 ausgebrochene Koreakrieg der Katalysator bei der Verfestigung des bis heute existierenden Doppelstaates. Dabei steht der Koreakrieg klar im Schatten des auch popkulturell aufgearbeiteten Vietnamkriegs. Dies ist verwunderlich, da er gewissermaßen der Startpunkt für die Aufteilung der Welt zwischen den USA und der Sowjetunion gewesen ist. Es ist Stövers Verdienst, die wahre Bedeutung dieses Krieges herausgearbeitet zu haben. Auch war der Koreakrieg ein Paradebeispiel für die neuen Stellvertreterkriege, bei der zwar die direkte atomare Konfrontation vermieden wurde, dafür aber äußert blutige Kämpfe in anderen Staaten ausgefochten wurden. Letztlich kann der Koreakrieg, dem insgesamt 4,5 Millionen Menschen zum Opfer fielen, als Folge des Unvermögens der beiden Supermächte interpretiert werden, sich auf eine gemeinsame globale Nachkriegsordnung zu verständigen. Als Langzeitfolge dieses Versagens darf sich die Weltgemeinschaft heute mit den Eskapaden Nordkoreas herumschlagen.
An der prekären Lage in Nordostasien ? so das Fazit des Autors ? dürfte sich auch so bald nichts ändern, da das nordkoreanische Establishment die Lehre verinnerlicht hat, dass es sein Überleben am besten mit einem bizarr-exzentrischen Verhalten und dem Drohen von Militärschlägen sichern kann. Denn wer will sich schon mit nuklear bewaffneten Wirrköpfen auseinandersetzen? Es scheint, dass der Schatten des Kalten Krieges noch lange über Nordostasien hängen wird.
Buchdaten
Buchtitel - Geschichte des Koreakrieges
Buchautor - Bernd Stöver
Verlag - Verlag C.H. Beck
Ort und Jahr - München 2013
ISBN - 978-3406644474
Preis - € 12,95