Dass China sein bislang überaus erfolgreiches, im Kern aber auf einer schonungslosen Ausbeutung der menschlichen und natürlichen Ressourcen basierendes Wachstumsmodell nicht ewig wird weiterführen kann, ist vielen Beobachtern schon lange klar. Was aber doch überrascht, ist die Vehemenz, mit der die neue Führung um Präsident Xi Jinping aktuell eine Neuausrichtung der Grundstruktur der chinesischen Wirtschaft anstrebt. Nachdem es schon zuvor verschiedene mehr oder weniger weitgehende Ankündigungen und Handlungsempfehlungen gegeben hat, wurde während des 3. Plenums des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei im November 2013 der gewünschte volkswirtschaftliche Kurswechsel nochmals bekräftigt und im Detail ausgeführt.
Wird der angekündigte Umbau auch nur partiell Realität, hätte dies nicht nur für die Chinesen selbst, sondern auch für die westlichen Unternehmen, die bisher sehr gut von Chinas Aufstieg gelebt haben, erhebliche Konsequenzen. In der Summe handelt es sich hierbei um ein veritables Generationenprojekt, dessen Reichweite sich aktuell kaum abschätzen lässt. In diesem unsicheren Umfeld hat sich der China-Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Christian Geinitz, mit einer ersten Taxierung der erwartbaren Geschäftsmöglichkeiten im Reich der Mitte vorgewagt. Er kommt insgesamt zu einem positiven Grundurteil, wobei speziell die deutsche Wirtschaft gut für die nächste Runde des chinesischen Aufschwungs gerüstet sei. Er untermauert dies, indem er die Branchen, die bei einer Umsetzung der Reformbeschlüsse gefördert werden, auf ihre ökonomischen Potenziale hin untersucht.
In Kurzform soll dabei vom bisherigen Exportfokus Abschied genommen und Schritt für Schritt der Binnenkonsum und die Privatwirtschaft gefördert werden. Anstatt in der Hauptsache energieintensive Industriefertigung zu betreiben, soll künftig der Anteil von Dienstleistungen an der Gesamtwirtschaft substanziell erhöht werden. Des Weiteren sollen die vorhandenen Ressourcen effizienter eingesetzt, neue Branchen für ausländische Firmen geöffnet, die Urbanisierung weiter vorangetrieben und die Wertschöpfungsprozesse im großen Stil in die Westprovinzen ausgedehnt werden. Es ist unmittelbar einleuchtend, dass hierbei insbesondere fortgeschrittene Technologien und innovative Konzepte gefragt sind. Was diese Bedarfe anbelangt, hat die deutsche Wirtschaft bekanntermaßen einiges anzubieten. Zwar hätten einige Branchen wie Hersteller von Ausrüstungs- und Investitionsgütern Einbußen zu erwarten. Dafür würden sich aber für andere Sektoren wie der Automobilindustrie oder Anbieter von hochwertigen Konsumgütern neue Chancen ergeben.
So lobenswert Geinitz ?Schatzsuche? grundsätzlich ist, fragt sich doch, ob seine frohe Botschaft nicht etwas zu überoptimistisch ist. Denn einmal ist alles andere als sicher, dass die angedachte Umstrukturierung tatsächlich funktionieren wird. Denn hier bestehen diverse Unwägbarkeiten, die von der eher auf hohe Sparraten ausgerichteten Grundmentalität der Chinesen über die rapide Alterung der Gesellschaft bis zum staatlichen Widerstand gegen wirklich neuartige Ideen reichen. Zum anderen ist nicht ausgeschlossen, dass sich China in dem Maße, wie das neue Binnenmodell etabliert wird, eher nach innen wendet und es mindestens zu einer Zunahme von protektionistischen Tendenzen kommt. So gesehen wäre man gut beraten, China noch stärker als bisher als strategische Herausforderung zu betrachten.
Buchdaten
Buchtitel - Chinas verborgene Schätze.
Buchautor - Christian Geinitz
Verlag - Frankfurter Allgemeine Buch
Ort und Jahr - Frankfurt, 2013
ISBN - 978-3956010279
Preis - € 24,90