Asien Kurier 5/2007 vom 1. November 2007
China

G�tesiegel und Qualit�tslogos

Von Klaus K�hler (Klako Group)

Mit giftigen Farben bemalte Spielzeuge im Kindermund m�gen nur skandal�s erscheinen, falsche HIV-Pr�parate und ebenso gef�lschte menschliche Blutpr�parate im Krankenhaus k�nnen t�dlich sein.

In den letzten Monaten hat das Vertrauen in chinesische Produkte stark gelitten. Mit dem R�ckruf von nahezu einer Million Mattel-Spielzeugen, die mit bleihaltigen Farben bemalt waren, erreichte der Vertrauensverlust seinen vorl�ufigen H�hepunkt. Weltweit reagierten Unternehmen und Regierungen in der Hoffnung das Problem schnell zu l�sen, ohne dabei den zunehmenden Globalisierungsprozess zu beeintr�chtigen oder gar einen Handelskrieg zwischen dem chinesischen Milliardenreich und dem Rest der Welt auszul�sen.

Die politischen Herren in Beijing haben den internationalen Aufschrei wohl wahrgenommen: die Lebensmittel-Kontrollbeh�rde best�tigte j�ngst, dass mehr als ein F�nftel der inspizierten Waren nicht einmal die minimalen inl�ndischen Standards einhalten - und diese liegen "Meilen" unter dem EU- oder US-Niveau. Angaben der "General Administration of Quality Supervision, Inspection and Quarantine" (AQSIS) zufolge, erreichten im ersten Halbjahr 19,1 Prozent der f�r den Inlandsmarkt vorgesehenen Produkte nicht das vorgeschriebene Qualit�tsniveau. Bei kleineren Herstellern erreichte die Substandard-Rate fast 30 Prozent. Ob dies nur Einzelf�lle sind, ist die gr��te Sorge der Verantwortlichen. Beamte fanden in Hospit�lern mehrere Hundert Flaschen mit falschen Blutproteinen, sowie in der Kindernahrung gro�e Mengen an Zusatzstoffen und Konservierungsmitteln. Auch die Chinesen selbst, besonders an der Ostk�ste, achten zunehmend auf die Qualit�t ihrer Lebensmittel, was zu einem enormen Vertrauensverlust gef�hrt hat.

Angesichts h�herer Standards f�r Exportprodukte, d�rften die Sicherheitsdefizite den Inlandsmarkt eher betreffen. Lebensmittel-Inspekteure fanden im August Parrafinwachs, Farbstoffe, Formaldehyd und krebserregende Verbindungen in Produkten unlizensierter und kleinerer Hersteller.

Die schlimmsten Ausw�chse betreffen den Inlandsmarkt - doch ihre Auswirkungen sind laut au�erhalb der chinesischen Grenzen zu h�ren. Das Reich der Mitte f�llt die Regale von Wal-Markt, Tesco und Sainsbury's mit Billigprodukten. Die Sicherheitsbedenken nehmen mit der steigenden globalen Pr�senz Chinas zu.

Berichtet das US-Fernsehen �ber die s�ssen kleinen, aber leider toten, Hunde und Katzen, dann ist der Schuldige leicht jenseits des Pazifiks auszumachen: hier soll verdorbene Tiernahrung der Grund gewesen sein. Passend zum aufkommenden US-Wahlkampf konnten Beamte noch rechtzeitig und �ffentlichkeitswirksam die f�r den Unabh�ngigkeitstag vorgesehenen Feuerwerksk�rper beschlagnahmen. In welche Richtung die roten, gelben und goldenen Farbb�ller geflogen w�ren, war unvorhersehbar - wieder ein Fall, den protektionistisch eingestellte US-Politiker und Lobbyisten "ausschlachten" k�nnen. F�r falsche "Pillen" und folglich unerw�nschte kleine Babys k�nnen auch die EU-B�rokraten kein Verst�ndnis haben. In den gro�en Volkswirtschaften beiderseits des Atlantiks ist "Made in China" zum warnenden Label geworden.

Zu den gr��ten Problemen des Landes z�hlen profithungrige Betriebe, die aggresiv und vors�tzlich ihre Gewinnspannen durch q ualitativ schlechtere Eingangsstoffe ausweiten wollen. Die subtilen, zunehmenden Qualit�tsver�nderungen fallen den Importeuren oft erst dann auf, wenn die Ware schon beim Verbraucher und die Negativmeldung in den Nachrichten ist. Umfangreiche Kontrollen finden beim Importeur sicherlich statt: mit den urspr�nglichen Mustern, die der chinesische Produzent in gew�nschter Qualit�t geliefert hatte. Und bei jedem neuen Produktionslauf wird gegen die Vorgaben etwas mehr verstossen.

Selbst wenn dem Importeur ein Qualit�tsschwund auff�llt, tut er selten mehr als sich zu beschweren. Der Aufwand Qualit�tsprobleme zu beseitigen wird als viel gr��er angesehen, als der Mangel an sich. Wird der Endkunde den Produktfehler �berhaupt bemerken? Nur Lieferverz�gerungen fallen generell auf.

Verlangt der Importeur vom Lieferanten doch einen Ersatz auf Herstellerkosten, dann braucht er sich nicht zu wundern, dass manch ein Produzent die Zusammenarbeit aufk�ndigt - oder er verteuert den Preis. Und wenn der Eink�ufer mit dem Wechsel des Lieferanden droht? Es bleibt eine leere Drohung, denn die Suche nach einem zuverl�ssigeren Produzenten und der Aufbau einer neuen Lieferbeziehung kosten Zeit und Geld.

Viel wichtiger ist die Frage der rechtlichen Verantwortung wenn beispielsweise eine Frostschutz-Chemikalie ihren Weg in eine Zahnpastatube findet. Ausl�ndischen Unternehmen wird langsam deutlich, dass die falschen oder verdorbenen Bestandteile zwar aus China stammen, die Produkthaftung jedoch bei ihnen liegt. Die fehlende Herstellerhaftung f�hrt zu rechtlichen Implikationen. Die Kosten des R�ckrufs von Waren tr�gt der Importeur. Ein Rechtsstreit in China ist nahezu unm�glich, nur in den seltensten F�llen gelang es, den Hersteller erfolgreich zu verklagen. Gew�hnlich werden die Waren vor dem Versand durch den Produzenten voll bezahlt. Und damit fehlt dem K�ufer die M�glichkeit die Bezahlung wegen M�ngel (teilweise) zu verweigern.

Importeure k�nnen wohl vom Exporteur Schadensersatzleistungen verlangen. Doch gew�hnlich raten ausl�ndische Anw�lte von Prozessen vor chinesischen Gerichten ab: der Chance auf eine kleine Entsch�digung steht die Tatsache meist feindlich eingestellter Richter gegen�ber.

Die Regierung der Volksrepublik ist sich des Problems wohl bewu�t und verk�ndete j�ngst neue Sicherheitsregeln unter anderem f�r Zahnpasta. Das Inspektionssystem f�r andere Waren soll �berarbeitet werden. Im August ver�ffentlichte Beijing den ersten F�nfjahresplan zur Verbesserung der Lebens- und Arzneimittelsicherheit. Im ersten Halbjahr wurden 180 Lebensmittelfabriken geschlossen, wobei gro�e Mengen an S��igkeiten und Seafood, die Formaldehyd, Industriewachs und illegale Farbstoffe enthielten, beschlagnahmt wurden. Zwei Monate zuvor wurde der ehemalige Leiter der Lebens- und Arzneimittelbeh�rde, Zheng Xiaoyu, zum Tode verurteilt: das Gericht warf ihm vor, umgerechnet etwa 615.000 Euro Schmiergelder von der Pharmaindustrie f�r die Genehmigung neuer Medikamente kassiert zu haben.

Landesweite Anstrengungen zur �berwachung von Produkten aus acht Kategorien verk�ndete die sozialistische Regierung im August. Dazu geh�ren Schweinefleisch, Agrarprodukte, verarbeitete Lebensmittel, Medikamente und Spielzeuge. Ein Plan zur Kontrolle des Herstellungsprozesses von industriellen Waren und Lebensmitteln im gesamten Riesenreich wurde vorgestellt. Bis Jahresende sollen alle Lebensmittelhersteller registriert werden; Schweine d�rfen nur noch an ausgewiesenen Pl�tzen geschlachtet; Agrargro�m�rkte und Exportzonen sollen kontrolliert werden.

Bislang sind 400 Ausfuhrunternehmen auf der Liste des "Export Blacklist Systems". Ob dies auch zu Strafen f�hrte ist unbekannt. Medienberichten zufolge verhafteten Hilfspolizisten in der nord�stlichen Provinz Heilongjiang 17 Mitglieder einer Bande, denen die F�lschung von Medikamenten vorgeworfen wird. Insgesamt beschlagnahmte die Polizei in 53 Fabriken 67 Sorten imitierter Arzneimittel.

Vor dem Hintergrund zunehmender Kritik �ber Chinas Lebensmittelsicherheit, bem�ht sich die Aufsichtsbeh�rde (AQSIQ) durch die Einf�hrung eines neuen Qualit�tssiegels Vertrauen zu schaffen. Das anno 2001 eingef�hrte System verlangt von den Herstellern die Lizensierung, wobei diese ihre Waren mit dem QS-Logo (Quality Safety) bedrucken d�rfen. Bislang umfasst dieses 16 Lebensmittelkategorien. Nach amtlichen Statistiken wurden inzwischen 71.000 Lizenzen vergeben, dies soll bezogen auf die Gesamtheit der Gruppen 95 Prozent Marktanteil entsprechen.

Auch ausl�ndische Importe sollen gepr�ft werden. Zu gerne w�rde die chinesische F�hrung die gef�lschten oder verdorbenen Produkte als ein weltweites Problem darstellen. Indonesische Fischereiprodukte traf bereits der Bann: die Lieferungen sollen verschmutzt gewesen sein. Und auch der Import von H�hner- und Schweinefleisch von sieben US-Unternehmen wurde suspendiert.

ISO 14000, HACCP, QS, CQC: mit diesen Zertifikaten soll deutlich gemacht werden, dass Waren und Hersteller den durch professionelle Agenturen verifizierten Qualit�tsstandards entsprechen. Um die Verbraucher zu �berzeugen, werden �blicherweise mehrere Logos erworben - obligatorisch ist nur das CCC-Zertifikat. Wo Wettbewerb herrscht, k�nnen freiwillige G�tesiegel den Marktwert verbessern.

China hat - nach den USA - den zweitgr��ten Inspektions- und Verifikationsmarkt der Welt. Bis Ende des Juniquartals hatten in- und ausl�ndische Agenturen mehr als 390.000 G�tesiegel vergeben, sowohl f�r das System Management als auch f�r die Produktqualit�t. Mehr als 2.600 professionelle Zertifizierungslaboratorien sind im Reich der Mitte gesch�ftlich aktiv.

Die Verbraucher sind bei der Masse der Qualit�tslogos skeptisch - sicher ist, dass die Regierung sowohl die Aufsicht als auch die Bestrafung betr�gerischer Pr�finstitute, sowie Firmen, welche unberechtigt Qualit�tslogos verwenden, verst�rkt hat. Im Januar schloss die "Certification and Accreditation Administration of China" (CAAC) f�nf Institute, elf weitere stehen unter Beobachtung.

Beim Einkauf in China muss angesichts des schnellen Wachstums streng auf Qualit�t geachtet werden. Und diese kommt nicht von selbst. F�r viele Unternehmen scheinen externe Pr�finstitute eine gute L�sung zu sein. Kein Wunder, dass das Outsourcing der Pr�fabteilung f�r Firmen auf dem Expansionspfad popul�r ist. In-house L�sungen kosten zumindest mehr Geld.

Ob externe Anbieter zum Unternehmen, seiner Produkte, seiner Struktur und seinem Management passen, muss jede Betriebsf�hrung individuell entscheiden. Manch ein Manager hat da unrealistische Vorstellungen.

Wer in China einkauft, sollte das Preis-/Wertverh�ltnis verstehen - man bekommt, was man bezahlt. In Kombination mit einem traditionellen Ansatz von Planung, Design, Technologietransfer, �berwachung und Kontrolle, l��t sich durchaus ein erfolgreiches Gesch�fts- und Lieferantenverh�ltnis aufbauen. Unternehmen sollten an Background-Checks, Fabrik- und soziale Compliance Audits denken, bevor es zu einer Zusammenarbeit mit einem neuen Lieferanten kommt.

Bei einem Handelsvolumen von 385 Milliarden Euro im ersten Halbjahr muss die Glaubw�digkeit von "Made in China" unbedingt restauriert werden. F�r die chinesische Regierung liegen die Probleme mit der Lebensmittel- und Produktqualit�t prim�r bei der gro�en Zahl von Kleinbetrieben mit ungen�gender maschineller Ausr�stung und beim schlechten Management. Gegen den Protektionismus von Provinzregierungen und lokaler Verwaltungen, sowie einer schlechten Durchsetzung von Gesetzen, muss mit mehr Ressourcen angegangen werden. Ausl�ndische Unternehmen sollten die Initiative ergreifen und bei ihren Lieferanten Kontrollsysteme implementieren, bevor die erste Lieferung auf die lange Reise geht.


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