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Asien Kurier 5/2008 vom 1. Mai 2008
Indien

Tantalus greift nach den Früchten

Von Ansgar Sadeghi

300 Millionen Inder gehören mittlerweile zu einer wachsenden Mittelschicht, für die Konsum stetig wichtiger wird, schrieb der Autor Ashish Singh im November 2007 in einem Artikel des renommierten Manager Magazins. Solche Sätze könnten die Entscheider in Handelsunternehmen, die neue Shopping Center planen, ebenso erfreuen wie potentielle Investoren.

Tatsächlich spricht eine ganze Reihe von Zahlen dafür, dass sich derartige Investitionen in Indien lohnen. Aber der Markt bleibt reglementiert und bietet ausländischen Handelsunternehmen gegenwärtig nur wenige Chancen, die Konsumfreude der Inder mit eigenen Produkten zu bedienen. Unternehmen wie Walt Mart oder Tesco nutzen allerdings die Chancen, die sie derzeit haben. Sollte irgendwann eine Liberalisierung des Einzelhandelsmarktes in Indien erfolgen, sind sie bereits präsent: Man darf auf ihre weiteren Strategien gespannt sein!

Lassen wir Zahlen sprechen. McKinsey, weltweit Unternehmensberatung, geht in einer Studie davon aus, dass sich die Ausgaben der Inder für Konsumgüter bis zum Jahr 2025 vervierfachen. Gleichzeitig konzentrieren sich die Kaufkraft und der Konsum in Indiens Städten: Hier ? so McKinsey ? werden im Jahr 2025 insgesamt 62 Prozent des Konsums getätigt, auf die ländlichen Regionen entfallen 38 Prozent. Als Verbrauchermarkt könnte das Land in Zukunft bedeutender und interessanter als Deutschland werden. Es ist kein ganz kleiner Kuchen, der da verteilt wird; aber noch immer profitieren in Indien vor allem kleine Händler von der Konsumlust der Käufer. Der in Shoppingzentren und Handelsketten organisierte Handel erwirtschaftete 2006 nur 3,5 Prozent des Umsatzes. Die Unternehmensberatung KPMG prognostiziert ihm jedoch einen auf 10 bis 15 Prozent ansteigenden Marktanteil bis zum Jahr 2010. Nicht alle dürfen sich anstellen, um von diesem Kuchen zu naschen. Ausländische Investoren dürfen sich mit maximal 51 Prozent an so genannten Single Brand Shops in Indien beteiligen. Diese Shops verkaufen Produkte einer einzigen Marke, womit dann ein Benettonshop in Bengalore möglich wäre, ein Wal Mart Shop mit verschiedensten Produkten jedoch nicht. Eigene Shops zu eröffnen, bleibt den Handelsriesen wie Wal Mart verwehrt. Und so mag man sich dort zunächst einmal wie Tantalus fühlen, der die saftigen Früchte sieht, ohne sie zu erreichen.

Wie reagiert man auf solche Reglementierungen, wenn der direkte Weg auf einen attraktiven Markt vorerst versperrt bleibt? Nun, man kann zum einen Bündnisse schließen, um indirekt auf dem Markt zu agieren. Das Unternehmen Woolworth etwa arbeitet mit dem indischen Unternehmen Infiniti zusammen; beide verkaufen über ?Croma? getaufte Shops Elektroprodukte. Wal Mart gewann Bharti Enterprises als Partner; ein Joint Venture entstand, das Großhandelsshops etablieren wird. Gleichzeitig werden Inder als Franchise-Nehmer auftreten, Shops betreiben und Produkte aus dem Wal Mart Angebot verkaufen. Wie gut der Einstieg in Indiens Einzelhandelsmarkt damit gelingt, bleibt abzuwarten, auch wenn die Strategie klug erscheint. Um Marktanteile kämpfen, muss Wal Mart etwa mit Pantaloon, dem führenden indischen Handelsunternehmen. Pantaloon verkauft unter anderem Mode, Nahrungsmittel, Bücher, Kosmetik und Unterhaltungselektronik. ?To be a leader, both in thought and business?: Führend zu sein mit neuen Ideen und mit wirtschaftlichem Erfolg auf den Märkten Indiens, das hat sich das Unternehmen selbst zum Ziel gesetzt. Bündnisse mit Anbietern wie Wal Mart liegen wohl eher nicht im Interesse von Pantaloon.

Die Metro Group hat erfahren müssen, dass ausländische Handelsunternehmen nicht überall gleich willkommen sind, auch wenn sie 2003 in Bengaluru (ehem. Bangalore) nur zwei Großhandelsshops und keine Einzelhandelszentren eröffnet hat. Im Gegensatz zum Einzelhandel ist der Großhandel in Indien für ausländisches Engagement zugänglicher. Etwa 600 Bauern demonstrierten damals gegen die Eröffnung der Metroshops. Die Metro Group verfolgt dabei ein durchaus soziales Konzept, bezieht einen Großteil der angebotenen Produkte aus indischer Produktion. Gerade bei den Bauern, die oftmals selbst auch als Händler fungieren, geht dennoch die Angst um. Sie fürchten, zu den Verlierern zu gehören, wenn große Handelsketten verstärkt nach Raum in Indien greifen. Der zunehmenden Zahl an Indern, die den Handelsketten, den Shoppingcentren Positives abgewinnen, stehen ? so die Deutsche Welle im Jahr 2006 ? mehr als 12 Millionen Kleinhändler gegenüber, die wohl zu Recht um ihre Existenz fürchten. Jede 25. Familie in Indien, berichtet die Deutsche Welle, lebt vom kleinen Einzelhandel, den sie betreibt. Und so mahnt auch McKinsey in seiner Studie nachhaltige Reformen an, mit denen sowohl die Infrastruktur Indiens als auch die soziale Absicherung der gesamten Bevölkerung gewährleistet wird. Das wäre vielleicht der beste Weg, auch für ausländische Investoren im Einzelhandel ein freundlicheres Klima zu kreieren: wenn man ihnen das für die Existenz vieler Inder Bedrohliche nimmt.





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