Asien Kurier 6/2008 vom 1. Juni 2008
Asien

Islamic Banking - Besser als der Vatikan

Von Horst Rudolf

Alle reden von Krisen: Finanzkrise, Subprime-Krise, Kreditkrise - Fluch der Globalisierung oder auch nur Gier nach Geld. Doch auch nach mehreren Monaten des Zitterns stellt sich weiterhin die bange Frage, ob auch unser sauer verdientes Geld in den renommierten Banken mit undurchsichtigen Bilanzen und schockierenden Verlusten tats�chlich so sicher ist, wie bisher angenommen.

Der brillante Sprecher des CNBC, dem wichtigsten Wirtschaftssender der USA, bringt es allabendlich auf den Punkt: "Heute Nacht haben sich die M�rkte beruhigt - Ihr Geld ist sicher". Stimmt - aber nur f�r eine Nacht? Wo ist unser Geld denn noch langfristig sicher; wo kann man seri�s investieren, welchen Wert hat noch das Wort "Bonit�t" und vor allem, wessen Analysen kann man noch trauen? Nicht nur der Finanzkredit, vor allem der Vertrauenskredit ist Not leidend.

Erstaunlicherweise - doch durchaus logisch - kommt eine Antwort nicht aus dem kapitalistischen Westen, sondern aus dem Orient. W�hrend der moralische Anspruch des christlichen Abendlandes "liebe deinen N�chsten" seit dem Spekulations-S�ndenfall des Vatikans in den siebziger Jahren st�ndig den Bach herunter gegangen ist, hat sich unter Muslimen eine neue Art kapitalistischer Ethik herausgebildet, die so ganz das Gegenteil der aktuellen politischen Islamphobie darstellt.

W�hrend die westlichen Finanzm�rkte nicht mehr ganz koscher sind - wie doppelsinnig - haben die neuen Kapitalisten am Golf oder am Indischen Ozean nicht etwa eine Kombination aus amerikanischem und chinesischem Konsum-Kapitalismus entwickelt, sondern "ehrenhafte Bankgesch�fte" im Namen Allahs. Unter der Bezeichnung "Islamic Banking" bildet sich bereits seit Jahren etwas heraus, das Aufmerksamkeit verdient - vor allem, da die Erfinder nicht zu den �rmsten dieser Welt geh�ren, im Gegenteil.

Und wer bisher beim Begriff der "Scharia" an schwarz verschleierte Frauen oder gar an die afghanischen Taliban dachte, kann sich beruhigt zur�cklehnen. Denn "Scharia-konforme" Anlagen oder "Riba-freie" Kredite sind etwas ganz Anst�ndiges. Banken, die unter diesen f�r uns exotischen Begriffen operieren, sind nichts anderes als ganz normale Kreditinstitute - eigentlich sind sie "�bernormal", denn sie folgen g�ttlichen Regelungen.

Zwar haben Koran-konforme Bankgesch�fte einen religi�sen Hintergrund, aber auch Christen oder Atheisten sollten wenig Probleme haben, damit klarzukommen. Denn ebenso wie Christus, der bekanntlich die b�sen H�ndler und Zinswucherer vor zwei Jahrtausenden ziemlich aggressiv aus dem Gotteshaus pr�gelte, stand einige Jahrhunderte vorher schon Buddha und im sechsten Jahrhundert a. D. der Prophet Mohammed vor dem gleichen Problem: Skrupellose Kapitalisten nutzten die finanziellen Notlagen der �rmeren Menschen hemmungslos aus.

Doch w�hrend sich die Christen mit Allgemeinpl�tzen wie, "Du sollst nicht stehlen", aus der Aff�re zogen und leider nie erfolgreich eine "Bank f�r N�chstenliebe" gr�ndeten, haben Allah-Gl�ubige nicht nur seit einigen Jahren den gr��ten weltweiten Zuwachs an Mitgliedern, sondern auch ein Banksystem entwickelt, das schlicht zur Regel hat, die moralischen Richtlinien und Standards gl�ubiger Menschen auch auf den Finanzsektor anzuwenden - was kann man angesichts der aktuellen Krisen mehr w�nschen?

Die zugrunde liegende Idee ist einfach: Alles, was man mit Geld tut, muss in einem sinnvollen Verh�ltnis zu einer Ware oder einer Leistung stehen. Die problematische Regelung, dass es im Islam daher keine Zinsen f�r das Geld Verleihen gibt - die sogenannte "Riba" - beruht wahrscheinlich auf der leidvollen Erfahrung des Propheten und unserer Vorfahren, dass praktisch alle Zinsen Wucherzinsen waren, wie es heute noch in der Dritten Welt Gang und Gebe ist. Doch abgesehen davon, dass man dieses "Zinsverbot" mit zeitgem��er Kreativit�t elegant in den islamischen Spielregeln des Geldgesch�ftes "neutralisiert" hat, machen einige andere Regeln durchaus Sinn.

Denn das Verbot, in alle m�glichen Spielarten "unmoralischer Gesch�fte" zu investieren, hat etwas f�r sich: also, H�nde weg von Unternehmen, die Waffen produzieren oder verbreiten, Alkoholfabrikanten, Am�siereinrichtungen, Spielkasinos oder Lebensmittelbetriebe, die Schweine verarbeiten. Bis auf die letzte Position werden sicher auch gute Christen kein Problem haben, sich mit diesen Standards zu identifizieren - was sich nun immer st�rker herumspricht, bescheiden formuliert.

Bereits vor Jahren hatte die Finanzwelt wahrgenommen, dass es sich um ein Gesch�ftsvolumen jenseits von 500 Milliarden US-Dollar handelt, das t�glich weiter w�chst, nicht nur, aber auch aufgrund steigender �lpreise. Das realistisch gesch�tzte Islam-Finanzvolumen soll 2010 bei etwa 1.400 Milliarden US-Dollar liegen, bei einem Anteil der Muslime an der Weltbev�lkerung von derzeit etwa 20 Prozent. Inzwischen sind die Gr��en im internationalen Kapitalgesch�ft auf den Scharia-Finanz-Zug aufgesprungen - Juden, Christen und Moslems eintr�chtig vereint und �berzeugt, dass Bankgesch�fte mit religi�ser Ethik durchaus g�ttliche Gewinne abwerfen k�nnen.

Die ?Mitspieler" lesen sich wie ein "Who is Who" des internationalen Bankgesch�ftes: Credit Suisse, Julius B�r, HSBC, Barclays, Standard Chartered, CitiGroup, Merrill Lynch, Franklin Tempelton und Versicherer wie AIG oder die Allianz. Nat�rlich gibt es im Nahen Osten l�ngst eine ganze Reihe "islamischer Banken", doch weitaus imposanter ist die Zahl von weltweit etwa 300 Instituten in 65 L�ndern - Tendenz kr�ftig steigend. Nicht zuletzt haben Banken, die sich nur vereinzelt den Regelungen des Koran unterwerfen k�nnen oder wollen, Islam-konforme Abteilungen, Filialen oder "Fenster" eingerichtet. Da spielt nicht nur die Deutsche Bank, sondern auch die Weltbank in Washington erfolgreich mit.

Denn das Islam-Banken-Gesch�ft ist nicht etwa aufgrund des Einfallsreichtums der Finanzwelt auf der Suche nach neuen M�rkten oder Produkten entstanden, sondern weil es eine riesige Nachfrage gab und gibt, die lange Zeit nicht befriedigt werden konnte. Denn nicht nur reiche Scheichs haben gelegentlich finanzielle Skrupel, sondern eine gro�e Zahl gl�ubiger Muslime weltweit tat sich manchmal schwer, ihr Geld "sauber" anzulegen oder einen religions-kompatiblen Kredit zu erhalten.

Beispielsweise war eine Kreditaufnahme f�r einen gl�ubigen t�rkischen H�uslebauer in Deutschland vielleicht noch verzeihbar, doch Geld f�r die obligatorische Mekkapilgerfahrt von Kuala Lumpur als Kredit aufzunehmen, durchaus mit tiefen Gewissenskonflikten verbunden. Um es verst�ndlich zu machen: Millionen von Muslimen nehmen weltweit Finanzdienstleistungen in Anspruch und t�tigen Investitionen, doch wohl war ihnen dabei nicht immer. Die "Erfindung" korankonformer Dienste st��t daher auf t�glich steigendes Interesse.

Schon vor zwei Jahren merkte dies der pfiffige damalige Schatzkanzler Gro�britanniens, Gordon Brown und schlug vor, das K�nigreich zum europ�ischen Zentrum f�r islamische Finanzgesch�fte zu machen. Dem deutschen Finanzminister muss es gegraut haben, als Brown im gleichen Atemzug auch noch andeutete, er sei bereit, das britische Steuerrecht gegebenenfalls islamfreundlich zu reformieren.

Doch nicht nur im Nahen Osten und im kapitalistischen Westen sind die Scharia-konformen M�rkte ein echter Renner, auch 650 Millionen Moslems in Asien sind ein massives Potential. Beispielhaft in dieser Region ist Malaysia, das als Vorreiter bereits 1969 das erste islamkonforme Institut er�ffnete zur korrekten Finanzierung von Mekkareisen. Heute ist Malaysia der regionale Vordenker in Sachen Islam-Banking und feiert im n�chsten Jahr die erste erfolgreiche Dekade des "Kuala Lumpur Stock Exchange Scharia Index".

Irgendwie hat sich dies alles nicht nur schnell entwickelt, sondern ist auch an vielen Investoren vorbeigegangen; oder wussten Sie, verehrte Leser, dass es bereits 2003 schon 35 islamische Finanz-Indizes gab, mit denen bereits damals der Finanzdienstleister Dow Jones in New York 1,5 Milliarden US-Dollar "Allah-Gelder" klassifizierte?

Und nun zum kr�nenden Abschluss dieser Erfolgsgeschichte berichtet sogar der "Spiegel", allerdings mit kritischem Unterton, dass die verzweifelten Immobilien-Investoren in den USA auf den Islam-Trend setzen, in der Hoffnung, dort keine Zinsen zahlen zu m�ssen.

Wir hingegen hoffen, unsere Leser haben diese kurze Einf�hrung in die Welt des Islam-Banking besser verstanden und verweisen auf die heiligen Worte des Propheten: "Oh, Sohn Adams, gib aus (auf dem Weg Allahs), so wird auch f�r dich ausgegeben werden". Wer die heutige US-Finanzpolitik zur St�rkung der amerikanischen Kaufkraft analysiert, wird daher zu dem Schluss kommen, dass auch die US-Zentralbank FED bereits Scharia-konforme Politik betreibt.

Islamic Finance

Dieser Begriff bezeichnet den versuch, Finanzdienstleistungen in �bereinstimmung mit den religi�sen Regeln des Islam und der Scharia zu gestalten.

Umfasst werden alle Finanzgesch�fte, die den islamischen Regeln des allgemeinen Zinsverbots (Riba), des Verbots der Spekulation (Gharar) und des Verbots des Gl�cksspiels (Maysir, Quimar) unterliegen. Das allgemeine Zinsverbot verbietet es Banken beispielsweis Geldzinsgesch�fte durchzuf�hren, die aber Grundlage f�r das normale Kreditgesch�ft von Banken sind. Um dennoch Kreditgesch�fte machen zu k�nnen, wurden von den Banken neue Kreditformen auf Basis von Sachmittelkrediten entwickelt, die zur Schari'a konform sind.

Murabahah kann als eine solche Form von Sachmittelkredit gesehen werden, hier kauft eine Bank im Auftrag eines Kunden ein bestimmtes Gut und verkauft es an diesen Kunden mit einem Aufschlag weiter. In einem herk�mmlichen Bankgesch�ft w�rde der Kunde einen Kredit aufnehmen, das Gut selber kaufen und dann den Kredit mit Zinsen abzahlen und das erworbene Gut w�rde eventuell als Sicherheit f�r den Kredit dienen. Diese Form der Finanzierung w�re jedoch nicht Scharia konform, da hier das Zinsverbot verletzt w�rde. Stattdessen erwirbt die Bank das Gut und verkauft es an den Kunden mit einem Aufschlag weiter, wobei dieser die M�glichkeit erh�lt, den Kaufpreis in Raten zu zahlen.

Neben dem Islamic Banking rechnen zum Islamic Finance auch islamische Versicherungen, sowie die Islamische Anleihe und auch alle privaten Finanzgesch�fte zwischen Muslimen und ebenso zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen m�ssen nach den Regeln der Scharia abgewickelt werden. H�chste Autorit�t ist hier das "Scharia-Board" des Dow Jones Islamic Market Indexes, dem sechs Gelehrte aus Syrien, Pakistan, Bahrain, Saudi-Arabien, den USA und Malaysia angeh�ren.

Instrumente des Islamic Finance

Arbun

Ein Arbun ist eine nicht zur�ckzahlbare Anzahlung (deposit) eines K�ufers, die an den Verk�ufer nach dem Zustimmen des Verkaufsvertrages gezahlt wird. Sie dient quasi als Sicherheit, dass der Kaufvertrag zum vorgegebenen Zeitpunkt pflichtgem�� erf�llt wird.

Murabahah

Eine Form des Abzahlungskredits, in der jedoch der Kreditgeber Eigentum an dem finanzierten Gut erwirbt und dieses an den Kreditnehmer auf Ratenbasis weiterverkauft. Murabahah stellt somit eine besondere Form des Abzahlungskredits dar.

Sukuk

Der Sukuk ist eine sharia-konforme Anleihe, bei der statt eines Zinses eine unternehmerischer Erl�s wie beispielsweise Miete an den Gl�ubiger gezahlt wird. Interessant ist dabei, dass die Mieterl�se h�ufig an Zinsindizes, so an den Euribor gekoppelt werden.


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