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Datum: 2022-12-31

Asien Kurier  7/2008 vom 1. Juli 2008

Asien - Goldenes Rohr

Von Horst Rudolf in Bonn.

Es gibt nur noch wenige Menschen oder Berufsgruppen, die sich �ber die enorm gestiegenen Preise f�r Roh�l und alle seine Abk�mmlinge freuen. Zu den Ausnahmen geh�ren Journalisten, die erfolgreich alle Horror- oder Erfolgsmeldungen �ber das schwarze Gold auf dem Globus aufsp�ren und den Lesern pr�sentieren.
Auch der Asien Kurier kann sich da nicht ausschlie�en, doch wird �ber das Thema derartig viel berichtet, das wir wieder einmal zur�ck an die (�l-)Quellen gehen und unseren Lesern eine �bersicht geben wollen, wo die interessantesten Entwicklungen stattfinden, und auf welche Weise die Region in der Zukunft mit dem begehrten Rohstoff versorgt wird - egal ob dickfl�ssig, verarbeitet, als Gas oder tiefgefroren.
In der fast panikartigen Preis- und Spekulationshetze der vergangenen Wochen und Monate sind auch einige interessante und langfristig positive Nachrichten unter den Tisch gefallen - wenn auch selten genug. Denn die Tatsache, dass Asien nun als gro�er weltweiter Verbraucher von Gas und �l auftritt, ist keineswegs ein Ph�nomen des zweiten Jahrtausends.
Bereits vor 100 Jahren, als der schnauzb�rtige amerikanische Au�enminister John Hay China gegen�ber offiziell die "Politik der offenen T�r" einf�hrte, war das nicht nur ein politischer Akt, der den sp�teren "Boxeraufstand" beg�nstigte, sondern der Einstieg in den transkontinentalen �lhandel. Bereits in den Drei�iger Jahren rieben sich die beiden Kulturen - hier die "Standard Oil Company" (heute Exxon), dort konfuzianisches Weltverst�ndnis.
Jetzt haben sich die Welten umgekehrt: China betreibt pragmatischen Kapitalismus und wendet sich - zusammen mit den anderen nordasiatischen Staaten Japan und Korea - dem ehemaligen Feind Russland zu, um den allumfassenden �l- und Gashunger zu stillen. Dies ist vor allem deswegen interessant, als die Vereinigten Staaten bisher weitgehend auf das Golf-Pferd gesetzt haben, doch diese Region ist inzwischen politisch hei�er, als die edlen Hengste der Scheiche.
Denn auch wenn die Russen sicher kein einfacher Verhandlungspartner sind, haben vor allem Japan und S�dkorea nur wenig Alternativen - gerade nachdem die j�ngsten Erdbeben die Anf�lligkeit der japanischen Kernkraftwerke f�r nicht kontrollierbare Risiken wieder verdeutlicht haben.
Zumindest der Grenzstreit zwischen China und Japan um die Offshore-Gasfelder im Seegebiet zwischen beiden L�ndern wurde nach jahrelangen Disputen im Juni beigelegt - nun soll gemeinsam ausgebeutet werden.
Bisher, von 1973 bis 2004 waren Importe von chinesischem Roh�l aus deren reichen "Daquing"-Feldern eine f�r beide Seiten vorteilhafte Gesch�ftsverbindung, nun ist diese ausgetrocknet. Nicht, dass das gr��te �lfeld Chinas zuende ginge, sondern weil der chinesische Bedarf jedes Jahr weiter anstieg und die Chinesen nun nationale Interessen voranstellen.
�berhaupt muss man sich wundern, warum Japan, dessen Petro-Produkte - ebenso wie bei Korea - �ber 80 Prozent aus Importen stammen, niemals eine wirklich langfristige Energie-Versorgungsstrategie entwicket hat, ganz anders, als die Chinesen. Vielleicht liegt es daran, dass das privatwirtschaftlich orientierte System in Japan angesichts guter Devisenreserven immer davon ausging, genug �l auf den Weltm�rten zu finden - solange man nur bereit ist, den Preis zu bezahlen.
Umgekehrt versucht Korea �ber seine Technologie-Giganten wie Daewoo sich im weltweiten Prospektionsgesch�ft und neuen Plattformen einzukaufen, ebenso wie China. Nur dass China daraus in den vergangenen Jahren eine von h�chster Regierungsebene machtvoll unterst�tzte weltweite Energie-Beschaffungs-Strategie bis hin nach Afrika aufgebaut hat, die weltweit einmalig ist.
Doch bevor wir uns diesen "Welt-Strategien" - bezogen auf Asien - zuwenden, noch ein abschlie�ender Blick auf Russland - nicht nur der weitsichtige Ex-Kanzler Schr�der, sondern auch die drei nordasiatischen Energiekonsumenten kamen (beziehungsweise kommen) um die riesigen russischen Reserven einfach nicht herum. Die Russen wiederum brauchen das Geld, um den Schmutz der kommunistisch-sozialistischen �re abzuwaschen - und Pipelinebau ist nicht ganz billig.
Derzeit endet das russische Pipeline-Netz auf H�he des Baikalsees - tausende von Kilometern von der "Endstation" nahe Wladivostoks. Doch angesichts der zahlungskr�ftigen Abnehmer rechnet sich die Investition, denn niemand geht davon aus, dass in 5 bis 10 Jahren die �lpreise unter dem heutigen Stand liegen. Da ebenso wenig der chinesischen Bedarf der n�chsten 20 Jahre kalkulierbar ist, gehen vor allem die Japaner auf "Schmusekurs" nicht nur mit den Chinesen, inzwischen auch mit Russland.
Wenden wir uns nach S�d-, S�dost- und Zentralasien. Hier wird das "�l- und Gas-Bild" so bunt, wie die Exotik der L�nder erwarten l��t - auch wenn die Probleme eigentlich eine lockere Betrachtungsweise verbieten. Doch angesichts der �l- und Gas-Abh�ngigkeit Europas und selbst der USA, sieht es in diesem Teil Asiens gar nicht so verzweifelt aus. Indonesien, Malaysia, die Philippinen, Thailand, Vietnam, Brunei und Myanmar verf�gen - oder k�mpfen - um eine ganze Reihe von �l- und Gasvorkommen auf dem Festland, und vor allem im S�dchinesischen Meer, aber auch im Indischen Ozean.
Wenn Indonesien k�rzlich zum Netto-Importeur von �l wurde und dabei ist, sich in diesem Jahr aus der OPEC zu verabschieden, hat das weniger mit zur�ckgehenden �lreserven des Lands der Tausend Inseln zu tun, als schlicht mit Misswirtschaft, Korruption und Vernachl�ssigung der Bohr-Infrastruktur. Und auch die Verz�gerungen bei der �lsuche- und F�rderung in den Philippinen - �hnliches gilt f�r Kambodscha - hat weniger mit Geologie zu tun, als mit internen politischen Problemen.
Vietnam und Malaysia hingegen expandieren on- und offshore mit allem, was die Plattformen hergeben. W�hrend Malaysia bereits ein "alter �lhase" ist, steht Vietnam erst am Beginn einer vielversprechenden Energie-Zeit. Und w�hrend Vietnam seine neuen Pipelines vor allem erst einmal zur Selbstversorgung baut, ist Malaysia bereits auf dem neuesten Trip: Pipelines als Dienstleistung - eine neue Art des �lgesch�ftes.
Vor dem Hintergrund des langfristig kaum zu stillenden asiatischen Energiebedarfs gibt es derzeit - neben den beschriebenen nordasiatischen Projekten - vor allem zwei sehr unterschiedliche Ans�tze: zum einen, Pipelines aus dem Nahen Osten nach Indien aber vielleicht auch bis nach China zu f�hren, zum anderen spezielle Varianten f�r den Gro�verbraucher China.
Die seit langem laufenden Verhandlungen, Gas aus dem Iran �ber Pakistan nach Indien zu pumpen, kamen erst vor kurzem wieder in die G�nge, als China sein Interesse an einer Teilnahme �u�erte - und pl�tzlich auch Pakistan merkte, dass es dringend Energie braucht. Nun ist der Baubeginn der 2.777 Kilometer langen R�hre f�r 2009 vorgesehen. Indien will sich das Gas mit Pakistan teilen, schlie�t jedoch eine sp�tere Verl�ngerung nach China nicht aus.
Ein weiteres Langstrecken-Projekt ist die Pipeline von Turkmenistan �ber Afghanistan und Pakistan
nach Indien, �ber die erst im April des Jahres in Islamabad verhandelt wurde. Ein interessantes Vorhaben, doch k�nnten nicht nur die Kosten von derzeit gesch�tzten 7,6 Milliarden US-Dollar kritsch werden, sondern auch die politische Instabilit�t in Afghanistan.
Umgekehrt l�uft es bei den "Kurzstrecken-Vorhaben". Bei diesen l�sst man die �ltanker aus der arabischen Golfregion nach Durchquerung des Indischen Ozeans irgendwo im Golf von Bengalen andocken und das �l durch Pipelines in Richtung China pumpen. Der Vorteil liegt nicht nur in einer Abk�rzung der Transportwege, sondern auch darin, dass man das nah�stliche �l nicht m�hseelig und gef�hrlich wie bisher durch die Stra�e von Malakka oder Singapur transportieren muss.
Die "Isthmus-Variante" verl�uft nach derzeitiger Planung - die eigentlich ein Jahrzehnte alter Dauerbrenner ist, und erst durch die j�ngsten Energie-Preiserh�hungen wieder aufgeheizt wird - s�dlich der thail�ndischen Grenze durch das n�rdliche Malaysia. Sie wird den Investoren nun durch eine Anzahl lukrativer Nebengesch�ften, wie Raffinerien und Chemiekonglomeraten, schmackhaft gemacht.
Kein Wunder, dass nun auch die bereits eingemotteten Projekte in Thailand, �hnliches ein paar Kilometer weiter n�rdlich zu tun, wieder Konjunktur haben. Nun sprie�en auch hier die Ger�chte, zusammen mit der brasilianischen Petrobras und Geldern der "Dubai World" werde das alte Projekt einer "Land Bridge" wieder aufgenommen und die Machbarkeitsstudien seien bereits im Gange.
Doch all dies braucht seine Zeit - und da haben es gestandene Diktaturen einfacher: w�hrend im S�den noch diskutiert, geplant und verhandelt wird, hat der Asien Kurier exklusiv aus Myanmar erfahren, dass das Bau einer West-Ost Pipeline von der zentral-myanmarischen K�ste, quer durch das Land und vorbei an den Pagoden von Mandalay zur chinesischen Westgrenze bereits vor Wochen begonnen haben soll.
Ein geniales Projekt, das eigentlich dadurch entstand, dass die Gener�le in der neuen Hauptstadt Naypyidaw nicht nur auf immer mehr lukrative Gasfelder in der s�dlichen Andaman-See stie�en - von wo l�ngst ein Teil der Stromversorgung f�r Bangkok herkommt - sondern neue ergiebige Felder im Norden, fast an der Grenze zu Bangladesch entdeckten, nur wenige hundert Kilometer vom indischen Kalkutta entfernt.
Doch als die Inder, die zusammen mit der koreanische Daewoo und trotz aller Wirtschafts-Sanktionen beraten von der US-amerikanischen Haliburton erfolgreich bohrten, sich dann aber mit Bangladesch nicht �ber die Transit-Geb�hren einigen konnten, schlug das gesch�ftst�chtige China zu.
Mehr noch, wenn man nun einen Tiefseehafen vor der K�ste Myanmars errichtet und nicht nur die Gaspipelines aus den neuen Feldern, sondern auch das �l der Supertanker auf einer parallelen Trasse ins chinesische Hinterland von Yunnan f�hrt, hat man geschlagene 3.000 Kilomenter Transport gespart.
Gut f�r China und alle beteiligten Investoren. Ob auch f�r die Bev�lkerung von Myanmar etwas abf�llt, wird sich erst langfristig zeigen - die Pipeline hingegen k�nnte schon in drei Jahren operieren.