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Datum: 2022-12-31 Asien Kurier 7/2008 vom 1. Juli 2008 Indien - Zwischen Tradition und Fortschritt Von Ansgar Sadeghi in K�ln.
Sprechen Europ�er �ber Traumfabriken, �ber Stars, Glamour und reizvolle Filmwelten, so denken sie meist zun�chst an Hollywood. Immer �fter f�llt jedoch auch ein zweiter Name: Bollywood.
In diesem Begriff verschmelzen die Worte Bombay und Hollywood; Bollywood dient im Westen oftmals als Synonym f�r Indiens gesamte Filmindustrie, was einerseits nicht ganz korrekt ist: Der Begriff steht streng genommen allein f�r die vor allem in Mumbay (einst Bombay) produzierten Hindifilme Indiens. Andererseits ist die Gleichsetzung von Indiens Filmindustrie mit Bollywood auch nicht v�llig unberechtigt. Es waren die mit �Bollywood� titulierten Filme, die die Grenzen des asiatischen Kontinents �berwanden. Heute sch�tzen Bollywoodfans in vielen L�ndern die eigenwillige Mischung aus farbenpr�chtigen Szenen und Musik, andererseits schielen internationale Filmunternehmen auf den indischen Filmmarkt. Daraus k�nnte sich m�chtige Konkurrenz f�r die Bollywood � Filmproduktion ergeben, aber auch die eine oder andere Chance der Kooperation. Mitunter erscheint es so, als sei der indische Film erst vor kurzer Zeit aus dem Nichts aufgetaucht; in Wirklichkeit war er nur f�r Europas Augen entr�ckt, begann jedoch �hnlich fr�h wie der europ�ische Film. Am 7. Juli 1896 etwa war das Hotel Watson (Mumbai) Zeuge der ersten indischen Filmvorf�hrung; 1931 folgte mit dem Film "Aram Ala" der Einzug des Tons in die Filmwelt des Landes. Es ist halt nicht immer so, dass nicht existiert, was wir nicht sehen. Der Begriff Bollywood wird etwa seit den 70er Jahren genutzt; w�hrend in den ersten Jahrzehnten viele Actionstreifen gedreht wurden, begann Mitte der 90er Jahre ein Umschwung: Seither dominieren aufw�ndige Liebesfilme, die von Fans in der ganzen Welt gesehen werden. 800 bis 900 Produktionen werden Jahr f�r Jahr auf den Markt geworfen. Viele tauchen nur in Indien selbst oder vielleicht in den Nachbarl�ndern auf. Andere bekommen internationale Aufmerksamkeit: �Monsoon Wedding� von Mira Nairs gewann 2001 den Golden Globe, Ashutosh Gowarikers �Lagaan� wurde ein Jahr sp�ter als bisher dritter indischer Film f�r den Oscar nominiert. Viele der auch in Europa bekannter werdenden Filme entsprechen dem Klischee: Sie sind aufw�ndige, farbige Spektakel mit Tanzeinlagen. Die gesamte indische Filmproduktion darauf zu reduzieren, w�rde ihr jedoch nicht gerecht. Indiens Kino wagt auch Experimente, entwickelt sich, was beispielsweise ambitionierte Projekte wie der indische Film "My Brother Nikhil" �ber einen an AIDS erkrankten Homosexuellen zeigt. Aber will das indische Publikum das sehen? Ist die weltweite �ffentlichkeit bereit f�r indische Filme abseits des bekannten? Wirtschaftliche Erfolge scheint bisher eher f�r die Wiederholung g�ngiger Muster zu sprechen. Ein Drehort f�r Bollywood Filme, aber auch f�r internationale Produktionen ist beispielsweise der riesige Studiokomplex der Ramoji Film City nahe Hyderabad. Auf einer Fl�che von �ber f�nf Quadratkilometern k�nnen hier 20 internationale und 40 indische Filme zur selben Zeit produziert werden. Gleichzeitig dient das Gel�nde als Freizeitpark. Die Ramoji Film City ist laut Guiness Buch der Rekorde gr��tes Filmstudio-Gel�nde der Welt. Hinter der Filmstadt steckt die Ramoji Group, ein HUF � Unternehmen (Hindu United Family) mit Engagement im Hotelmarkt, dem Nahrungsmittelbereich, im Pressewesen und mit Ushakiron Movies auch in der Filmproduktion. Die meisten Tochterfirmen der Ramoji Group halten sich mit der Ver�ffentlichung von Umsatzzahlen zur�ck, was es schwierig macht, ihren Erfolg einzusch�tzen. Zahlen gibt es allerdings f�r den Gesamterfolg der Bollywood � Produktionen: 2,1 Milliarden Euro betrug er 2006 f�r die gesamte indische Filmindustrie nach Angaben eines Spiegel-Artikels aus dem Jahr 2007, wobei die Zeitschrift �ber Wachstumsraten von 16 Prozent pro Jahr berichtete. Wirtschaftlich erfolgreichster Film Indiens war bisher �Sholay� aus der Curry-Western�Zeit Bollywoods: etwa 30 Millionen Euro spielte er ein. Zum Vergleich: Der dritte Teil der �Herr der Ringe� Trilogie brachte es auf ca. 760 Millionen Euro. Noch sind die wirtschaftlichen Erfolge Bollywoods also nicht vergleichbar mit internationalen Top-Produktionen. Bollywoods Filme erobern dennoch mehr und mehr die Gunst von Menschen weltweit. Umgekehrt bewegen sich etwa US-amerikanische Filmunternehmen wie Disney und Paramount Pictures mittlerweile mit eigenen Filmen auf dem indischen Markt. Bahnt sich hier f�r Bollywood Konkurrenz im eigenen Land an? Vielleicht! M�glich ist aber auch ein Austausch zwischen westlicher und indischer Filmtradition. Als gr��ter Produzent Indiens gilt das Unternehmen Eros International, dessen Profit vor Steuerabzug im September 2007 etwa 8,7 Millionen Euro betrug, was eine Steigerung gegen�ber dem September 2006 von fast 76 Prozent ausmachte. Das Film-Unternehmen arbeitet mit Overbrook Entertainment zusammen, der Produktionsfirma von Will Smith. Die gemeinsame Arbeit an Filmen k�nnte sich f�r beide Unternehmen sowohl wirtschaftlich als auch k�nstlerisch als vorteilhaft erweisen; Mindestens vier Filme pro Jahr sollen durch die Zusammenarbeit entstehen, die bestenfalls in Indien und in den USA vom breiten Publikum angenommen werden. Vielleicht entstehen dabei Filme, die aus amerikanischen und indischen Filmtraditionen etwas v�llig Neues entstehen lassen? Nicht nur f�r Bollywood w�re das eventuell ein Fortschritt. |
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