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Datum: 2022-12-31

Asien Kurier  9/2008 vom 1. September 2008

Indien - Steigende Personalkosten st�ren

Von Boris Alex, bfai-Korrespondent in Neu Delhi.

Die indische Wirtschaft hat zunehmend mit steigenden Geh�ltern und einer hohen Mitarbeiterfluktuation zu k�mpfen.
Seit 2005 legten die Personalkosten der gro�en Unternehmen um durchschnittlich 25 Prozent pro Jahr zu. Insbesondere die besch�ftigungsintensiven Branchen des Dienstleistungssektors leiden unter dieser Entwicklung. Aber auch in der verarbeitenden Industrie treibt der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern die Geh�lter nach oben. Einer Prognose zufolge wird Indien 2008 bei den Gehaltssteigerungen weltweit den ersten Platz belegen.
Auch wenn Indien nach wie vor in vielen Sektoren als Niedriglohnland gilt, haben die Unternehmen zunehmend mit steigenden Personalkosten und einer hohen Fluktuation bei den Mitarbeitern zu k�mpfen. In manchen Branchen erreichen die Geh�lter f�r hochqualifizierte Arbeitskr�fte mit mehrj�hriger Berufserfahrung durchaus das Niveau der Industriel�nder. Der Wettbewerb um die besten K�pfe wird sich in den n�chsten Jahren weiter versch�rfen, da immer mehr ausl�ndische Unternehmen auf den indischen Markt treten, von denen die meisten vergleichbare Anforderungen an ihre k�nftigen Mitarbeiter stellen.
Vor allem die gro�en Firmen m�ssen immer mehr Geld nicht nur f�r die j�hrlichen, meist zweistelligen Gehaltsteigerungen, sondern auch f�r Rekrutierungs- und Fortbildungsma�nahmen ausgeben. Im Finanzjahr 2006/07 (1.4. bis 31.3.) haben sich laut einer Erhebung der indischen Regierung die Personalkosten von 500 befragten Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 3 Milliarden indische Rupien (iR; 52 Mio. Euro; 1 Euro = 57,87 iR) um durchschnittlich 27,5 Prozent auf insgesamt 140 Milliarden Rupien (2,4 Mrd. Euro) erh�ht. Damit stieg der Anteil der Personalkosten an den Gesamtausgaben von 6,2 auf 6,4 Prozent. Das Beratungsunternehmen ECA International erwartet 2008 f�r Mitarbeiter von multinationalen Konzernen in Indien den h�chsten Gehaltsanstieg weltweit. Demnach sollen die Besch�ftigten im Schnitt 14 Prozent mehr verdienen als 2007. Damit liegt der Subkontinent vor L�ndern wie Russland (+11%) und der Volksrepublik China (+8%). Laut ECA gibt es drei Gr�nde f�r die hohen Lohnsteigerungen: Erstens w�chst Indiens Bruttoinlandsprodukt derzeit mit Raten zwischen 8 und 9 Prozent. Zweitens m�ssen die Arbeitgeber die Inflationsrate von rund 4 Prozent ausgleichen. Hinzu kommt, dass der Mangel an qualifiziertem Personal den Arbeitnehmern bei den Gehaltsverhandlungen in die H�nde spielt. Viele Unternehmen sind gezwungen, auf die Forderungen einzugehen, um den Mitarbeiter nicht zu verlieren.
Bei der Lohnentwicklung liegt die IT-Branche seit Jahren weit vorne. Nach Angaben der Unternehmensberatung IDC India stiegen die Jahresgeh�lter 2007 um durchschnittlich 11 Prozent auf 620.000 Rupien (10.700 Euro). Innerhalb dieser Branche verzeichneten die Software-Entwickler mit einem Plus von 19 Prozent den gr��ten Gehaltssprung gegen�ber dem Vorjahr. F�r 2008 erwartet die National Association of Software and Service Companies (Nasscom) allerdings moderatere Lohnerh�hungen. Der Fachverband geht von einem durchschnittlichen Plus bei den Bruttogeh�ltern von 12 bis 15 Prozent aus.
Trotz steigender L�hne z�hlen die Geh�lter der indischen IT-Professionals auf Management-Ebene im internationalen Vergleich weiterhin zu den niedrigsten. Laut einer Studie von Mercer verdienen diese im Schnitt 17.000 Euro brutto pro Jahr. Damit liegt Indien noch hinter China (24.000 Euro) und Indonesien (20.500 Euro). Die Einstiegsverg�tung im indischen IT-Sektor beziffert die Unternehmensberatung auf knapp 7.000 Euro per annum. Die Daten beziehen sich auf die "pay-to-pocket"-Verg�tung, die neben dem Gehalt auch Zusatzleistungen wie Kranken- und Rentenversicherung enth�lt.
Nicht nur die L�hne, auch die Rekrutierungskosten der Unternehmen sind nach Angaben des Personalvermittlers Teamlease in den letzten Jahren gestiegen. Mussten bis vor Kurzem noch h�chstens f�nf Kandidaten f�r eine F�hrungsposition interviewt werden, sind es heute im Schnitt 15. Schuld an dieser Entwicklung ist der zunehmende Mangel an Kandidaten mit einschl�giger Berufserfahrung. Nur ein Viertel der Hochschulabsolventen in den Ingenieursstudieng�ngen sei f�r leitende Positionen geeignet, so die Einsch�tzung von Teamlease.
Auch die Unternehmen aus der verarbeitenden Industrie m�ssen sich f�r die n�chsten Jahre auf steigende Personalkosten einstellen. Bislang waren vor allem die kaufm�nnischen Gesch�ftsbereiche von j�hrlichen Lohnerh�hungen zwischen 20 und 30 Prozent betroffen. Unternehmensvertreter erwarten k�nftig auch bei der Fertigung eine vergleichbare Entwicklung. Die Pl�tze an den Ausbildungsinstituten f�r technische Berufe reichen nicht aus, um den Bedarf des produzierenden Gewerbes zu decken. Derzeit gibt es laut All India Council for Technical Education (AICTE) 1.350 Einrichtungen mit einer Kapazit�t von 440.000 Ausbildungspl�tzen. Vor allem ausl�ndische Unternehmen kritisieren jedoch, dass die Ausbildung in vielen F�llen an den Anforderungen des Marktes vorbeiginge und die Absolventen zus�tzlich betriebsintern ausgebildet werden m�ssten. Die hohe Besch�ftigungsfluktuation bereitet den Unternehmen Kopfzerbrechen. Einer Studie der Personalberatung Emmay HR zufolge liegen die Raten je nach Branche und Betriebszugeh�rigkeit zwischen 2 und 40 Prozent. Spitzenreiter ist auch hier der Dienstleistungssektor. In den Branchen Medien, Telekommunikation, IT-Services sowie Hotel und Gastst�tten wechseln innerhalb der ersten drei Jahre zwischen 30 und 40 Prozent der Besch�ftigten den Arbeitgeber. Noch weit dahinter, allerdings laut Emmay HR mit steigender Tendenz, befinden sich die Kfz- und Zulieferindustrie sowie das Bau- und verarbeitende Gewerbe.
Nicht nur die Personalbeschaffung, sondern auch das Halten der Mitarbeiter d�rfte daher in den n�chsten Jahren eine der gr��ten Herausforderungen f�r die Human-Resources-Abteilungen der Unternehmen werden. Insbesondere im mittleren Management habe sich die Situation in den letzten zwei Jahren zugespitzt, so die Einsch�tzung eines deutschen Gesch�ftsf�hrers vor Ort. Hochqualifizierte Mitarbeiter, die innerhalb der letzten 18 Monate zwei Mal den Arbeitgeber gewechselt h�tten und bei jeder neuen Anstellung Gehaltssteigerungen von 30 bis 50 Prozent forderten, seien keine Seltenheit.
Die Unternehmen m�ssen also tief in die Trickkiste greifen, um gute Mitarbeiter zu halten. Dazu z�hlen vor allem zus�tzliche Verg�tungen, wie Krankenversicherung f�r die ganze Familie oder die �bernahme des Schulgeldes f�r die Kinder. Auch vertragliche L�sungen, wie die Vereinbarung einer Konventionalstrafe bei fr�hzeitiger K�ndigung des Arbeitnehmers, sind denkbar. Allerdings werde diese h�ufig vom abwerbenden Unternehmen gezahlt, so die Erfahrung vieler Arbeitgeber.