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Datum: 2022-12-31

Asien Kurier  9/2008 vom 1. September 2008

Thailand - Biokunststoffe - eine profitable Alternative

Von Alexander Hirschle, bfai-Korrespondent in Bangkok.

Mit umgerechnet rund 35 Millionen Euro will Thailands Regierung in den kommenden Jahren die Herstellung sogenannter Biokunststoffe f�rdern. Das s�dostasiatische Land k�nnte damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Erstens w�rde sich die angespannte Umweltsituation in Thailand verbessern, zweitens k�nnte die Produktion von Tapioka k�nftig eine h�here Wertsch�pfung erzielen. Privatfirmen reagieren bereits und investieren in diesem Sektor.
Das Kabinett in Bangkok verabschiedete Mitte 2008 ein Budget im Gesamtwert von 1,8 Milliarden Baht (fast 35 Mio. Euro; 1 Euro = 52,13 Baht; 3-Monatsmittelkurs, Tendenz deutlich fallend), um in den kommenden f�nf Jahren den Ausbau der lokalen Biokunststoffindustrie voranzutreiben. Im Rahmen des F�nfjahresplans 2009 bis 2014 sind etwa 1 Milliarden Baht f�r den Kauf von Technologie vorgesehen, die im Ausland erworben werden soll. Weitere 475 Millionen Baht sind f�r den Aufbau der Industrie und 225 Millionen Baht f�r die Erarbeitung von Normen und Standards eingeplant. Als Biokunststoffe gelten alle Kunststoffe auf der Basis nachwachsender Rohstoffe, die biologisch abbaubar sind.
Die Verwendung der Mittel liegt in H�nden der Regierungsagentur NIA (National Innovation Agency). Nach Aussagen von NIA-Direktor Supachai Lorlowhakarn in der lokalen Presse sollen die ersten Projekte gem�� der ausgearbeiteten "Road Map" voraussichtlich noch 2008 starten. Lorlowhakarn bekr�ftigt, dass die Kunststoffindustrie �u�erst konkurrenzf�hig und in der Region sehr anerkannt sei. Durch das jetzt verabschiedete Programm werde die Wettbewerbsf�higkeit des Sektors weiter gest�rkt. Dar�berhinaus folge das Land damit dem internationalen Trend, umweltfreundliche Technologien zu f�rdern. Derzeit bel�uft sich der Anteil von "Bioplastik" am gesamten weltweiten Kunststoffmarkt auf nur 0,25 Prozent mit einemVerbrauch von etwa 500.000 Jahrestonnen.
Doch w�hrend die Nachfrage nach herk�mmlichen Kunststoffen global im Schnitt in den vergangenen Jahren nur um rund 5 Prozent j�hrlich zulegen konnte, wird dem Segment Biokunststoffe ein Wachstumspotential von bis zu 30 Prozent j�hrlich zugeschrieben. Bis 2010 soll der Output nach Einsch�tzung von Experten 1 Millionen Tonnen erreichen. Als Triebfeder fungiert dabei vor allem die zunehmende Wahrnehmung der Klimaproblematik und die Erkenntnis, dass Umwelt- und Klimaschutz schnellstm�glich vorangetrieben werden m�ssen.
In Thailand k�nnte in diesem Zusammenhang der Anbau und die Verwendung von Tapioka eine h�here Wertsch�pfung erzielen. Tapioka ist eine geschmacksneutrale St�rke, die aus der Maniokwurzel hergestellt wird. W�hrend Kunststoffe, die auf Basis von petrochemischen Basisprodukten erzeugt werden, nur zu 30 Prozent wiederverwertet werden k�nnen, erreicht die Recycling-Quote bei Tapioka-Erzeugnissen bis zu 100 Prozent.
Thailand ist drittgr��ter Produzent von Tapioka weltweit, das derzeit in erster Linie als Nahrungsmittel konsumiert oder zu �thanol weiterverarbeitet wird. Der Gesamtumsatz des Sektors liegt bei etwa 60 Milliarden Baht pro Jahr. Gleichzeitig enden j�hrlich rund 2,2 Millionen Tonnen Plastik auf den Deponien. Mit der zunehmenden Verarbeitung zu Biokunststoff k�nnte sich das Marktvolumen der Tapioka-Industrie nach Sch�tzungen von NIA-Experten auf fast 150 Milliarden Baht mehr als verdoppeln. Die Privatwirtschaft hat das Potential des Sektors in Thailand bereits erkannt und will kr�ftig investieren. Die englischsprachige Tageszeitung "Bangkok Post" berichtete Mitte 2008, dass die lokale Charoen Pokphand (CP) Group gemeinsam mit dem US-Partner Nature Works ein 2-Milliarden-Baht-Engagement pr�ft. Mit den Geldern sollen die Aktivit�ten des Unternehmens im Biokunststoffsektor gest�rkt werden.
Das Joint Venture sieht eine j�hrliche Produktion von 24.000 Tonnen Polylactiden (PLA, Polymilchs�ure) vor, das im Moment noch vollst�ndig importiert werden muss. Das Vorprodukt wird in erster Linie in der Verpackungsindustrie verwendet. Im Rahmen der Kooperation zwischen CP und Nature Works w�rden die US-Amerikaner die entsprechende Technologie bereitstellen. Auf der anderen Seite k�nnte der thail�ndische Partner sein Know-how im Bereich das Anbaus von Feldfr�chten mit einbringen, die als Rohmaterial dienen sollen.
Bisher hatten in Thailand hohe Produktionskosten aufgrund geringer Skalenertr�ge die Entwicklung des Sektors gehemmt. Auch sind noch keine Regelungen in Kraft, die die Konsumenten zum Kauf umweltfreundlicher Produkte in diesem Segment animieren k�nnten. Nach Angaben von Branchenvertretern liegen die Herstellungskosten von Biokunststoffen derzeit noch um das 1,5- bis 2-fache �ber denen von konventionellen Plastikerzeugnissen. Aus diesen Gr�nden fordern Branchenvertreter von der Regierung weitere Ma�nahmen zur F�rderung des Sektors, wie beispielsweise die Senkung von Importz�llen auf PLA oder die Erh�hung von Steuern auf umweltbelastende Produkte. Das nun verabschiedete Ma�nahmenpaket wird von Experten als "erster Schritt in die richtige Richtung" gewertet.

National Innovation Agency (NIA)
3. Stock Yothee Building, 73/1, Rama 4 Road
Thungphyathai Ratchathevi
Bangkok 10400 / Thailand
Tel.: 66 2644 6000
Fax: 66 2644 84 44
Email: [email protected]
Web: www.nia.or.th

Polylactiden

Polylactid (Polymilchs�ure, PLA) entsteht durch Polymerisation von Milchs�ure, die wiederum ein Produkt der Fermentation aus Zucker und St�rke durch Milchs�urebakterien ist. Die Polymere werden nachfolgend bei der Polymerisation aus den unterschiedlichen Isomeren der Milchs�ure entsprechend der gew�nschten Kunststoff-Eigenschaften gemischt.
Das durchsichtige Material gleicht herk�mmlichen thermoplastischen Massenkunststoffen nicht nur in seinen Eigenschaften, sondern l�sst sich auch auf den vorhandenen Anlagen ohne weiteres verarbeiten. PLA und PLA-Blends werden als Granulate in verschiedenen Qualit�ten f�r die Kunststoff verarbeitende Industrie zur Herstellung von Folien, Formteilen, Dosen, Bechern, Flaschen und sonstigen Gebrauchsgegenst�nden angeboten. Vor allem f�r kurzlebige Verpackungsfolien oder Tiefziehprodukte birgt der Rohstoff gro�es Potential. Der Weltmarkt f�r das Marktsegment �Transparente Kunststoffe� betrug schon im Jahr 2001 15 Millionen Tonnen. Nicht nur bei Verpackungen ist die Durchsichtigkeit positiv, auch f�r Anwendungen in der Bauindustrie, Technik, Optik und im Automobilbau hat sie Vorteile. Au�erdem gibt es lukrative Spezialm�rkte, zum Beispiel im medizinischen und pharmazeutischen Bereich, wo PLA bereits seit l�ngerem erfolgreich zum Einsatz kommt.
Ein gro�er Vorteil von PLA ist die besondere Vielfalt dieses Biokunststoffes, der wahlweise schnell biologisch abbaubar oder auch jahrelang funktionsf�hig eingestellt werden kann. Weitere Vorteile der Polylactid-Kunststoffe sind die hohe Festigkeit, die Thermoplastizit�t und gute Verarbeitung auf den vorhandenen Anlagen der Kunststoff verarbeitenden Industrie.