)
Asien Kurier: Nachdem sie unseren Lesern den gro�en Traum vom �l- und Gasgesch�ft erl�utert und etwas tiefere Einsichten in das komplizierte Geflecht der Geschichte ?Burmas? vermittelt haben, bleibt die Frage: was hat Myanmar denn sonst zu bieten, falls sich unsere Leser intensiver mit diesem exotischen Land besch�ftigen wollen?
Horst Rudolf: Myanmar und seine Wirtschaft haben der Wall Street eines voraus: die Risiken sind weitgehend bekannt und kein Investor tr�umt vom Staat, der ihn rettet. Immerhin hat Myanmar in den letzten Jahren wieder an Attraktivit�t gewonnen - vor allem aufgrund seiner nat�rlichen Reicht�mer.Doch angesichts eines schwierigen Umfelds haben seit der Liberalisierung des Wirtschaftslebens vor �ber 15 Jahren viele Investoren wieder aufgegeben. Trotzdem versuchen selbst gro�e Konzerne, die bisher keine Nettogewinne gemacht haben, einen Fu� in der T�r zu behalten.Asien Kurier: D�rfen Sie Namen oder Beispiele nennen?Horst Rudolf: Die sind durchaus bekannt: der Textilkonzern Triumph hat sein Werk geschlossen, obwohl der Betrieb gut lief und die Mitarbeiter nachweislich zufrieden waren. Grund war, dass in Europa politischer Druck auf das Unternehmen ausge�bt wurde, um die Regierung abzustrafen. Doch man kann in Myanmar immer noch - wie fast �berall in Asien - im Textilsektor Geld verdienen.Die Deutsche Bank hat vor einigen Jahren ihre luxuri�se Repr�sentanz wieder geschlossen, da sie zwar funktionierte, aber sich angesichts der hohen Kosten nicht rechnete. Auch die Siemens AG hat ihren deutschen Vertreter in Yangon nach Hause geschickt, vor allem, da das bescheidene Gesch�ftsvolumen die Kosten nicht deckte. Auf der anderen Seite �berlegt ein deutscher Lifestyle-Konzern derzeit, seine Luxus-Marken langfristig auch hier bekannt zu machen.Asien Kurier: Wo geht es denn bereits aufw�rts? Oder sind das Wunschtr�ume?Horst Rudolf: Neben dem Gas- und �lgesch�ft, das nat�rlich seit einigen Monaten angesichts der Weltmarktentwicklung etwas abgek�hlt hat, ist es der Energiesektor - allen voran der Staudammbau. Das Land hat ein riesiges Potential an Wasserkraft. Realistisch sind zwischen 20.000 und 40.000 Megawatt an installierbarer Leistung. Derzeit produziert das s�dostasiatische Land weniger als 2.000 MW im Land, aber es besteht ja auch kein entsprechender Bedarf. Die meisten Vorhaben sollen Strom nach China oder Thailand liefern. Doch der thail�ndische Nachbar hat sein Mega-Dammprojekt am Salween-Fluss aus politischen Gr�nden erstmal auf Eis gelegt. Die Chinesen hingegen haben weiter im Norden bereits massive Bauvorhaben am Laufen, um das eigene "Hinterland", die Provinz Yunnan, zu versorgen.Asien Kurier: Gibt es auch deutsche Unternehmen, die bei den Staud�mmen beteiligt sind?Horst Rudolf: Durchaus, auch wenn die Regierung nicht viel dar�ber redet. Der gr��te Damm in Landesinneren, nahe Mandalay, wird plangerecht hochgezogen. Zwei Drittel sind bereits fertiggestellt. Und ohne die Spezialkr�ne eines bekannten deutschen Anlagenproduzenten w�re "Yeywe" mit 790 MW installierter Leistung vielleicht nicht das derzeit gr��te derartige Projekt im Land.Studiert man die Planungen von Staud�mmen und Hochspannungsleitungen, Transformerstationen, Verteilern und alles, was noch daran h�ngt, m�sste eigentlich auch f�r europ�ische Firmen einiges abfallen - wenn diese am Ball bleiben. In der Praxis, wird man �ber einen Partner aus China oder der Region informiert, oder man muss tats�chlich nach Myanmar reisen, und dort die Klinken zu putzen. Dazu geh�rt Ausdauer, Verst�ndnis und Anpassungsverm�gen - aber das ist in Indien oder im Inneren Chinas auch nicht viel anders.Asien Kurier: 790 Megawatt, nicht f�r den Export, sondern mitten im Land. Gibt es also doch Wachstum, oder wof�r wird der Strom gebraucht?Horst Rudolf: Wenn es irgendwo in Myanmar Wachstum gibt, dann in dieser Region. In Mandalay, dem Kreuzpunkt von Stra�en und Eisenbahn im Zentrum des Landes, standen nicht nur Pagoden, sondern immer viel Geld im Mittelpunkt - eine H�ndlerstadt, wo man mit US-Dollar ebenso vorankommt, wie mit Yuan bzw. Renminbis. Der neue Superflughafen s�dlich der Stadt k�nnte auch in Deutschland konkurrieren - allerdings nicht bei den Passagierzahlen.Doch der Strom wird auch f�r ein neu geplantes "Wirtschaftswunder" ben�tigt: der "Cyber-City" Yadanabon. Eine halbe Autostunde �stlich von Mandalay steht bereits das protzige "Teleport"-Geb�ude, Kernst�ck eines gerade entstehenden Zentrums f�r IT-Hard- und Software, in das nicht nur myanmarische, sondern vor allem ausl�ndische Investoren einsteigen sollen.Indiens Pr�sident Abdul Kalam hatte angeblich bei einem offiziellen Besuch vor zwei Jahren die Idee - �hnlich wie das indische Bangalore - ein Zentrum f�r Informationstechnologie zu f�rdern. Eigentlich seltsam, doch die Inder denken weiter, als nur in Konkurrenz-Kategorien. Denn ihrer Politik des ?go east?, dem intensiven Handelsverkehr mit China, steht ein unterentwickeltes Myanmar eher im Weg. Die bisherigen Versuche, Indien mit China zu verbinden, scheiterten im letzten Weltkrieg nicht nur an feindseligen Rebellen in der Grenzregion, sondern auch an ungez�hmten Fl�ssen oder im tiefen Dschungel. Die ber�hmte ?Ledo-Road? des US-Generals Stillwell endete im Nichts.Doch nun, bevor Inder und Chinesen an einen hoch interessanten, aber extrem risikoreichen Stra�en- oder gar Eisenbahnbau gehen, verlegen sie erst einmal probeweise eine preiswerte Glasfaser-Verbindung. Diese soll dann im ?Teleport?-Geb�ude von Yadanabon mit den bereits operativen Glasfasern aus China und Thailand zusammentreffen. Von den registrierten 35 in- und ausl�ndischen Investoren im ?Soft Base Factory Area? trifft man noch nicht alle an. Also kein Grund, sich �bereilt in eine Investition zu st�rzen, solange in den weitl�ufigen Gebieten des Gesamt-Vorhabens ?Yadanabon-Myotit? noch die Planierraupen kreisen - doch vergessen sollte man das Projekt auch nicht. Denn im Gegensatz zum �bereilten Bau der neuen Hauptstadt Naypyidaw ist die Lage und die Umgebung von Yadanabon mehr als ideal, ziemlich genau auf halbem Weg zwischen den beiden Wirtschaftsgiganten in der Nachbarschaft.Yadanabon liegt kurz vor der Kreisstadt Memyo oder ?Pyin Oo Lwin?. Hier lebte nicht nur der letzte K�nig der Burmesen auf einem wundersch�nen Hochland in etwa 1.000 Metern H�he. Das Klima ist so angenehm, dass auch die britischen Kolonisatoren, denen es in der damaligen Haupstadt Rangun (Yangon) ab M�rz unertr�glich hei� wurde, hier ihre Sommerresidenz errichteten. In Memyo konnten sie die k�hlen N�chte mit fast englischen Hochnebeln mitten in Asien geniessen. Kurz, warum sollten nicht auch deutsche Unternehmen in den n�chsten Jahren einmal dar�ber nachdenken, ob das bisher in Myanmar seltene Zusammentreffen von jobsuchenden und lernwilligen Arbeitskr�ften, neuem Staudamm, neuem Flughafen und Internet einen Blick wert ist.Asien Kurier: Ein anderes Thema: wie steht es um Rohstoffe und Bodensch�tze? Man h�rt, Myanmar h�tte sagenhafte Reicht�mer.Horst Rudolf: Zumindest auf Rubine kann man das Wort anwenden. Und der Ort, Mogok, wo diese vorkommen, wird derart gut bewacht, dass es wie eine Sage klingt. Doch alle Juweliere weltweit kennen diese ?sch�nsten aller Steine? aus dem Inneren Myanmars, oder haben sie im Angebot. In der Tat verdient die myanmarische Regierung jedes Jahr erhebliche Devisen an diesen und anderen Edelsteinen. W�hrend in fr�heren Zeiten so einiges unter dem Tisch verschoben wurde, reisen nun H�ndler aus aller Welt zu den regelm��igen Versteigerungen der Regierung an. Beeindruckend sind die die Jade-Bl�cke, die - von au�en oft nicht erkennbar - im Anschnitt ihre innere Sch�nheit und sehr oft Millionenwerte preisgeben.Wer es schafft, sich die alten britische-amerikanischen Generalstabskarten zu besorgen, findet bereits seit der Kolonialzeit �ber das ganze Land verstreut alle Arten von Bodensch�tzen verzeichnet. Und auch heute werden immer wieder neue Fundstellen, auch in abgelegenen Gegenden, entdeckt. Angesichts fehlender Transport-Infrastruktur und sehr zur�ckhaltender Beh�rden haben es ausl�ndische Firmen bisher nur vereinzelt geschafft, ein funktionierendes oder gar rentables Minen- oder Verh�ttungs-Unternehmen aufzubauen. Die �ber viele Jahre engagierte ?Ivenhoe? aus Kanada hat erst vor kurzem wieder aufgegeben.Asien Kurier: Was hei�t das, kann man in diesem Sektor investieren oder nicht?Horst Rudolf: Eher noch nicht, bis auf wenige Ausnahmen. Denn bisher hat die Regierung leider noch nicht gen�gend Hausaufgaben gemacht, um sich mit kompliziert denkenden westlichen Unternehmen zu verst�ndigen, beispielsweise wenn es um Umwelt- oder Arbeiterrechte geht.�hnlich problematisch ist der Bereich Tropenh�lzer. Einerseits bem�ht sich die Regierung durchaus, ihre nat�rlichen und nachwachsenden Rohstoffe zu schonen, andererseits gibt es vor allem in den nur begrenzt kontrollierbaren Grenzregionen immer wieder Missbrauch an den W�ldern. Daher gibt es derzeit auch einen EU-Boykott gegen Teakholz-Importen aus Myanmar. Immerhin wurden die meisten F�rster und Forstwirtschaftler von Myanmar in Deutschland ausgebildet, sodass zumindest beim Aufforsten fachgerecht vorgegangen wird.Asien Kurier: Hat das Land nicht auch ein riesiges Areal f�r Landwirtschaft zu bieten?Horst Rudolf: Ja, und dieses Potential wird am st�rksten untersch�tzt, bzw. vergessen. Gerade die Agrarwirtschaft ist ein komplexer Bereich, in denen sich ungeschickte staatliche Einmischung verheerend auswirkt, leider auch in Myanmar. Zur Kolonialzeit war das damalige Burma nicht nur die Kornkammer Asiens, sondern sogar der weltweit gr��te Reisexporteur. Dieses Potential ist weiterhin vorhanden, wurde aber in den Wirren nach Ende der Kolonialzeit heruntergewirtschaftet. Vor der Nargis-Katastrophe im Fr�hjahr 2008 war man soweit, wieder Reis exportieren zu k�nnen, nun muss erneut angepflanzt werden.Inzwischen ist ein neuer und lukrativer Typ von Landwirtschaft dabei, sich schnell zu verbreiten, der bisher f�r das Land wenig typisch war: die Plantagenwirtschaft. Nicht nur traditionelle Agrarprodukte f�r den Export, sondern vor allem nachwachsende Rohstoffe f�r die Produktion von �l und �thanol sind die Favoriten. Die w�ren bereits ein Renner, wenn die Wirtschaftspolitik konsistent und die Infrastruktur des Land besser entwickelt w�ren. Die Nachfrage - und damit Investitionen - kommt bisher vor allem aus der Region. Diesmal sind es die s�dostasiatischen Staaten Thailand, Malaysia und Singapur, zusammen mit lokalen Partnern.Nun wird mit einer ganzen Reihe von ?Energiespendern? experimentiert: �lpalmen, �lsaaten, Reis und Mais als Basis f�r die �thanolproduktion. Myanmar h�tte noch viele unerschlossene Fl�chen im Land, um ein ?kleines Brasilien? zu werden. Doch ein bei uns wenig bekanntes ?Unkraut? hat die Chance, noch h�here Ertr�ge relativ umweltfreundlich und wirtschaftlich zu produzieren: die Jathropa - auf Deutsch ?Brechnuss?, eine ziemlich ungenie�bare Schwester der Rizinuspflanze. Deren �lfr�chte sind ertragreich, die Str�ucher k�nnen zus�tzlich als Melasse ?recycled? und zu leichten Treibstoffen raffiniert werden. Doch von den vielen Projekten sind erst wenige vorzeigbar, die meisten kranken noch an logistischen Schw�chen und fehlenden unternehmerischen Kenntnissen.Asien Kurier: Noch ein ?Geheimtip? f�r potentielle Investoren der n�chsten Jahre?Horst Rudolf: Wenn Sie beim ersten und einzigen Winzer des Landes, Bert Morsbach, nicht weit vom wundersch�nen ?Inle-See?, den Sonnenuntergang bei einem Glas ?Aythaya? Muscat-Chiraz-Cuv�e genie�en, kommen Ihnen sicher eine Menge Gesch�ftsideen. Die schwierige Wirtschaftslage erscheint Ihnen nach dem zweiten Glas sowieso etwas rosiger - zumindest langfristig.Spa� beiseite, ein ?Geheimtip? sind zum Beispiel �ber 1.000 Inseln, die sich von der s�dlichen Landesgrenze - nord�stlich vom bekannten thail�ndischen Phuket beginnend - wie eine Perlenkette nach Norden erstrecken. Ein Archipel, das bisher kaum erschlossen ist und von professionellen Seglern und Tauchern als eines der sch�nsten Gebiete der Erde bezeichnet wird.Asien Kurier: Abschlie�end eine provozierende Frage: kann man Myanmar wirklich verstehen?Horst Rudolf: F�r uns Deutsche ist dies gar nicht so schwierig, vor allem, was die Wirtschaft angeht. Preu�en war f�r lange Zeit ein m�chtiger und reicher Staat. Doch f�r fast 50 Jahre brachte die DDR dann - trotz flei�iger und gebildeter Menschen - gerade mal den ?Trabi? und den ?Trabant? zustande. Nun ist dort wieder eine neue Zeitrechnung angebrochen. Wer diesen Zusammenhang versteht, hat auch den Schl�ssel zum Verst�ndnis von Myanmar.