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Asien Kurier 5/2008 vom 1. Mai 2008
Indien

Arbeitsmarkt mit Hürden

Von Barbara Schmidt-Ajayi (OAV)

Qualifiziertes Personal ist rar. Wenn es gefunden ist, müssen Investoren bei der Einstellung eine Vielzahl anzuwendender Gesetze beachten.

Immer mehr deutsche Unternehmen gehen dazu über, eine eigene Repräsentanz oder Niederlassung in Indien zu gründen und müssen sich deshalb automatisch mit dem indischen Arbeitsrecht auseinandersetzen. Wie eine Veranstaltung von Rödl & Partner in Kooperation mit dem OAV am 4. März 2008 in Berlin zeigte, zeichnet sich das indische Arbeitsrecht insgesamt durch eine hohe Reglementierung zugunsten der Arbeitnehmer aus. Erschwerend kommt hinzu, dass kein einheitliches Arbeitsgesetzbuch besteht. Regelungen werden sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene erlassen ? laut Schätzungen existieren 50 nationale sowie über 200 regionale Gesetze. Abhängig vom Standort muss also mit unterschiedlichen Regelungen gerechnet werden.

Die Personalsuche erfolgt in Indien in der Regel über das Arbeitsamt, das Schalten von Annoncen in Zeitungen oder Fachzeitschriften, Personalagenturen, Internet oder persönliche Empfehlungen. Die Einstellung von ausländischen und lokalen Arbeitnehmern ist dabei in der Regel ohne Einschränkung möglich. Ein Arbeitsverhältnis wird bereits mit mündlicher Vereinbarung wirksam. Insbesondere ungelernte Arbeitskräfte werden überwiegend per Handschlag eingestellt, wogegen mit Facharbeitern meist ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen wird. Ausländische Investoren sollten neue Mitarbeiter aus Nachweisgründen immer nur mit schriftlichem Arbeitsvertrag einstellen. Insgesamt gilt, dass der Arbeitsvertrag so umfangreich und detailliert wie möglich sein sollte, da beim auf dem Common-Law basierenden indischen Rechtssystem Unklarheiten oder Lücken stets zu Lasten des Erstellers ausgelegt werden.

Trotz der bisher vergleichsweise geringen Zahl an IPR-Verletzungen in Indien ist es bei Tätigkeiten mit Zugang zu Know-how zudem überlegenswert, in den Vertrag Vereinbarungen zur Geheimhaltung, Wettbewerbsverbot oder Schadenersatzregelungen zu integrieren. Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses muss ? im Gegensatz zur Einstellung ? immer schriftlich erfolgen. Im Schreiben muss ein entsprechender Kündigungsgrund angegeben werden, eine rückwirkende Kündigung ist nicht möglich. Während Krankheit oder Mutterschutz darf der Arbeitgeber keine Kündigung aussprechen.

Bei einem unbefristeten Arbeitsverhältnis kann die Kündigung aus betriebsbedingten, personenbedingten oder verhaltensbedingten Gründen erfolgen. So wird beispielsweise ein unentschuldigtes Fehlen über acht Tage als Kündigungsgrund angesehen. Bei Unternehmen mit 100 oder mehr Beschäftigten gelten strengere Kündigungsvorschriften, die eine vorherige Behördengenehmigung vorschreiben.

Die Höhe der Vergütung lokaler Arbeitnehmer variiert in Indien stark ? unter anderem hängt sie von Faktoren wie der Position, der Branche, aber auch von der jeweiligen Region ab. Der von der Regierung im Minimum Wages Act festgelegte Mindestlohn von 3.500 Rupien im Monat (58,07 Euro; 60,27 Rupien = 1 Euro, Drei-Monatsmittel Interbankenkurs) weicht in der Praxis je nach Bundesstaat oftmals nach unten ab. Der Lohn besteht dabei aus einem Grundlohn, einer an den Lebenshaltungskostenindex gekoppelten Lebenshaltungskostenzulage (Dearness Allowance) sowie sonstigen Zuwendungen des Arbeitgebers. Letztere belaufen sich ? unabhängig vom betrieblichen Ergebnis ? minimal auf 8,33 Prozent des Jahresgehalts. Ist ein Arbeitnehmer bereits mehr als fünf Jahre im Unternehmen tätig, steht ihm zudem eine Sonderzuwendung bei Kündigung, Versetzung in den Ruhestand, Tod oder Invalidität infolge eines Unfalls oder einer Krankheit zu. Für die langfristige Bindung eines Mitarbeiters an das Unternehmen sind in den meisten Fällen jedoch weitere Zusatzvereinbarungen ausschlaggebend, die den gesetzlich geregelten Lohnumfang überschreiten. Anlässlich eines besonderen Ereignisses wie der Heirat der Tochter des Arbeitnehmers kann ein Extralohn ausbezahlt werden.

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, Mitarbeitern einen Anteil am Unternehmensgewinn auszubezahlen. Viele ausländische Unternehmen stellen ihren Angestellten zudem Transport und Essen kostenlos zur Verfügung. Die Dauer der Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall variiert von Bundesstaat zu Bundesstaat. In Delhi beispielsweise erhalten Arbeitnehmer für zwölf Tage im Jahr eine Lohnfortzahlung in Höhe von 100 Prozent. Ausländische Arbeitgeber sollten Lohnfortzahlungen entsprechend der jeweils lokalen Regelungen gewähren.

Die Regelarbeitszeit in Indien umfasst für Blue-Collar-Arbeitskräfte sechs Tage beziehungsweise 48 Arbeitsstunden in der Woche. Maximal dürfen pro Tag neun Stunden gearbeitet werden. Für Bürokräfte und Angestellte in Ämtern fällt die gesetzlich vorgeschriebene Arbeitszeit mit 35 bis 40 Arbeitsstunden in der Woche etwas geringer aus. Auch die maximale Anzahl an Überstunden ist gesetzlich festgeschrieben, allerdings variiert sie von Bundesstaat zu Bundesstaat. Maximal sind acht Überstunden in der Woche zulässig, im Raum Delhi wird diese Regelung jedoch sehr viel restriktiver gehandhabt: hier dürfen pro Jahr nicht mehr als 150 Überstanden anfallen.

Der gesetzliche Anspruch auf Urlaub wird ebenfalls auf Bundesstaaten-Ebene geregelt, die Dauer variiert zwischen 12 und 20 Tagen. Der ?Annual Leave? kann ähnlich wie in Deutschland auch auf das nächste Jahr übertragen werden. Bei krankheitsbedingter Abwesenheit ? als ?Sick Leave? bezeichnet ? kann der Arbeitnehmer für etwa zwölf Tage im Jahr mit hundertprozentiger Lohnfortzahlung rechnen. Zudem gibt es in Indien den sogenannten ?Casual Leave?, der es beispielsweise bei Krankheit von Verwandten oder ähnlichen unvorhergesehenen Umständen erlaubt, der Arbeit fernzubleiben.





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