' )Macao - Regierung zieht die Notbremse
Asien Kurier 6/2008 vom 1. Juni 2008
Macao

Regierung zieht die Notbremse

Von Dr. Roland Rohde (gtai)

Nicht etwa Shanghai ist die am schnellsten wachsende Stadt Chinas, sondern die winzige Sonderverwaltungsregion (SVR) Macau. Immer neue Kasinos und Hotels werden errichtet und sorgen f�r einen leer gefegten Arbeitsmarkt sowie einen lebhaften Konsum. Doch die Schattenseiten des Booms treten immer st�rker zutage. Trotz steigenden Wohlstands mehrt sich Unruhe in der Bev�lkerung. Im Fr�hjahr 2008 k�ndigte die Regierung einen Investitionsstopp f�r den Gl�cksspielsektor an.

Noch zeichnet sich kein Ende des nahezu m�rchenhaften Wirtschaftsbooms der winzigen Sonderverwaltungsregion Macau ab. So legte deren Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2007 nach Angaben des Statistikamtes um real 27 Prozent zu. Das war noch nicht einmal ein Spitzenwert, denn drei Jahre zuvor lag die entsprechende Quote bereits bei 28 Prozent. Zwischen 2003 und 2007 hat sich damit die reale Wirtschaftsleistung der ehemaligen portugiesischen Kolonie mehr als verdoppelt.

Ausgel�st wurde das Wirtschaftswunder von der Liberalisierung des Spielbanksektors 2002. Unternehmen aus Las Vegas investierten daraufhin zweistellige Milliarden-US-Dollar-Betr�ge in den Bau von riesigen Hotel-Spielbankkomplexen. Im Jahr 2007 er�ffnete beispielsweise das "Venetian" mit 3.000 Zimmern. Bis zu 20 weitere F�nfsterne-H�user sollen bis 2012 folgen (mehr dazu im Asien Kurier vom 1. Feb. 2008, Seiten 17 und 18).

Da auf dem benachbarten chinesischen Festland und in Hongkong Gl�cksspiele offiziell verboten sind, m�ssen sich die Kasinos keine Sorgen um ausbleibende G�ste machen. 2007 kamen nach Angaben der Tourismusbeh�rde 27 Millionen ausl�ndische Besucher in die fr�here portugiesische Kolonie, ein Plus von 23 Prozent gegen�ber 2006 beziehungsweise mehr als eine Verdoppelung im Vergleich zu 2003.

Bei 85 Prozent der registrierten Ank�nfte handelt es sich um Reisende aus China und Hongkong. Viele kommen fast ausschlie�lich zum Spielen. Die Kasinos sind selbst an Wochentagen und in den fr�hen Morgenstunden gut gef�llt. Sowohl 2006 als auch 2007 lagen daher die Spielbankeink�nfte Macaus nach offiziellen Angaben h�her als diejenigen von Las Vegas. Sie steuern zudem zu rund 80 Prozent zu den Staatseinnahmen bei.

Doch wo Licht ist, existiert bekanntlich auch Schatten. Die soziale Kehrseite des Booms f�hrt zu einer immer st�rkeren Kritik an der Regierung. Die Bev�lkerung bem�ngelt vor allem, dass der Aufschwungs nur teilweise bei ihr ankommt. Zwar hat sich das BIP pro Kopf zwischen 2003 und 2007 verdoppelt und �bertraf mit 36.000 US-Dollar dasjenige Hongkongs. Doch das Pro-Kopf-Einkommen ist sehr ungleich verteilt. Hauptprofiteure des Booms sind einige wenige Kasinobesitzer und Investoren.

Erschwinglicher Wohnraum wird zudem knapp. Die Mieten und Verbraucherpreise in Macau lagen im Vergleich zu Hongkong traditionell auf einem sehr niedrigen Niveau. Dies garantierte der Bev�lkerung trotz eines merklich niedrigeren Einkommens einen gewissen Wohlstand. Doch die Grundst�ckspreise n�hern sich langsam dem Hongkonger Niveau an und auch die G�ter des allt�glichen Bedarfs werden merklich teurer. Immerhin muss sich niemand Sorgen um seinen Job machen. Der Kasinosektor, der Einzelhandel sowie das Hotelund Gastst�ttengewerbe sorgen f�r ausreichend Arbeit. Anfang 2008 lag die Erwerbslosenquote bei unter 3 Prozent. Das bedeutet Vollbesch�ftigung. In vielen Branchen herrscht sogar Arbeitskr�ftemangel. H�nderingend werden Absolventen mit chinesischen und englischen Sprachkenntnissen (in Macau wird an den Schulen im kantonesischen Dialekt unterrichtet) gesucht.

Doch Lehrer berichten in Medienberichten einstimmig, dass die Lernbereitschaft ihrer Sch�ler eher abgenommen habe. Viele wollen nicht etwa die Universit�t besuchen und Medizin, Recht oder Ingenieurwissenschaften studieren, sondern sich nach der Oberschule einen gut bezahlten Job als Croupier in einem der zahlreichen Kasinos suchen. Anfang 2008 zog die Regierung schlie�lich die Notbremse. Neue Spielbanklizenzen werden bis auf Weiteres nicht mehr erteilt. Ebenso gibt es keine Genehmigungen mehr f�r den Neubau oder die Erweiterung von bestehenden Kasinos. Die Ma�nahmen wurden laut Medienberichten auch auf sanften Druck aus Beijing beschlossen. In der Landeshauptstadt sehe man mit Sorge, dass immer mehr Chinesen ihr Geld in Macau verspielten. Auch bef�rchte die Regierung die Folgen von sozialen Unruhen.

Trotz aller Verwerfungen geht es dem Durchschnittsmacanesen insgesamt deutlich besser als noch vor f�nf Jahren. Die Einkommen sind merklich gestiegen und da die meisten Wohnungseigentum besitzen, k�nnen sie sich �ber den Anstieg der Grundst�ckspreise eher freuen. Da zudem keine Jobsorgen existieren, boomt der private Verbrauch. Viele lange zur�ckgestellten Konsumw�nsche werden nun nachgeholt. Auf Rang eins der Wunschliste der einheimischen Bev�lkerung stehen Autos. Die Touristen bevorzugen hingegen tragbare G�ter und so geh�ren Schmuck und Uhren zu den beliebtesten Kaufobjekten. Sie waren 2007 nach Angaben des Statistikamtes f�r �ber ein Siebtel aller privaten Konsumausgaben verantwortlich.

Da es kaum mehr einheimische Hersteller gibt, muss die Sonderverwaltungszone nahezu 100 Prozent ihres Bedarfes an Konsum- und Investitionsg�tern importieren. Im Jahr 2007 beliefen sich die Wareneinfuhren laut Zollstatistik auf 5,4 Milliarden US-Dollar, ein Plus von 18 Prozent gegen�ber 2005. Zwischen 2003 und 2007 haben sich die Importe sogar fast verdoppelt. �ber 40 Prozent der Einfuhren stammten 2007 aus China. Dabei handelt es sich jedoch �berwiegend um Produkte, die anschlie�end, etwa zur Umgehung von Quoten und anderen Handelsbeschr�nkungen, wieder exportiert werden.

Hongkong lag auf Rang zwei der Zollstatistik. Einen gro�en Teil seiner f�r den Inlandsbedarf bestimmten Konsumg�ter bezieht Macau �ber den Freihafen der Nachbarstadt. Deutschland lag hinter Japan und den USA auf Rang f�nf der Statistik. So lieferten deutsche Unternehmen 2007 Waren im Wert von 240 Millionen US-Dollar nach Macau, eine Steigerung von zwei Dritteln gegen�ber dem Vorjahr. Kein anderes Hauptlieferland konnte eine �hnlich hohe Wachstumsrate erzielen. Die Zunahme ist vor allem auf die starke Nachfrage nach hochpreisigen Kfz "Made in Germany" zur�ckzuf�hren.


);