Die Immobilienbranche gehört traditionell zu denjenigen Wirtschaftszweigen, die überaus empfindlich auf das konjunkturelle Auf und Ab reagieren. Insofern lässt sich am Zustand der Immobilienmärkte gut abgelesen, ob sich die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung in einem Land in einer Aufschwung- oder eher in einer Abschwungphase befindet.
Als besonders aussagekräftiger Konjunkturindikator eignet sich speziell die Nachfrage auf den gewerblichen Immobilienmärkten. Dies gilt vor allem deshalb, weil sie entscheidend von Erwartungshaltungen geprägt ist und Unternehmen nur dann mieten oder kaufen, wenn sie davon ausgehen, dass sich ihre Geschäftslage absehbar verbessern wird.
Ein Blick auf Asien zeigte im vergangenen Jahr einen weiteren Rückgang der Immobilienwerte von durchschnittlich 6 Prozent. Dies lässt den Schluss zu, dass auch die asiatischen Wachstumsökonomien nicht in der Lage waren, sich von dem weltweiten Abwärtstrend abzukoppeln. Dabei zeigten insbesondere die Büromärkte einen erheblichen Wertverlust auf. So gingen die Büromieten etwa in Shanghai im Zuge der Finanzkrise um bis zu 40 Prozent zurück. Wie anfällig dieses Segment des gewerblichen Immobilienmarktes für externe Negativentwicklungen ist, zeigte sich auch in Hongkong, wo die Spitzenmieten innerhalb des zweiten Quartals 2009 um 12 Prozent gesunken sind.
Derweil erscheint nun aber tatsächlich Licht am Ende des Krisentunnels. Verschiedene Consulting- und Marktforschungsinstitute erwarten bereits für dieses Jahr eine leichte Aufhellung der Stimmung an den Immobilienmärkten, die sich in die Sektoren Büro, Einzelhandel, Hotel, Industrie und Wohnung differenzieren lassen. Claus Thomas von der Immobilienberatungsfirma LaSalle Investment Management hat beobachtet, dass nach den überstandenen Konjunktureintrübungen die weiter gestiegenen Kapitalvermögen nach entsprechenden Investitionsmöglichkeiten suchen und diese nicht zuletzt auf den Immobilienmärkten finden (siehe Interview mit Claus Thomas, unten). Dieser Befund deckt sich mit den Ergebnissen einer Analyse des Consultingunternehmens PricewaterhouseCoopers (PwC) vom Winter 2009, wonach die Investoren - je nach Sparte unterschiedlich stark ausgeprägt - wieder in Kauflaune sind. Parallel sind auch die Büromieten seit Anfang 2010 wieder gestiegen, wobei jedoch die früheren Höchststände noch längst nicht wieder erreicht sind. Dennoch wird offenkundig übereinstimmend die Auffassung geteilt, dass Asien-Pazifik in eine robuste Konjunkturphase übergegangen ist.
Insgesamt soll das gewerbliche Immobilienvermögen im asiatisch-pazifischen Raum in den nächsten zwei Jahren um 12,3 Prozent wachsen, womit die Region die höchsten Steigerungsraten in dem weltweit auf 11,4 Billionen US$ taxierten Markt erzielen wird. Dabei wird davon ausgegangen, dass China am Ende des Jahres 2011 hinter den USA zum zweitgrößten Immobilienmarkt avancieren wird. Allerdings besteht dann immer noch ein beträchtlicher Abstand, denn Chinas Immobilienbestand wird laut einer Studie der Immobilienberatung DTZ Zadelhoff Tie Leung GmbH von Mai 2010 mit rund 1.400 Milliarden US$ auch zu diesem Zeitpunkt nur circa 40 Prozent des US-amerikanischen Immobilienwertes betragen.
In jedem Fall ist zu berücksichtigen, dass sich die einzelnen asiatischen Märkte gravierend voneinander unterscheiden. Auch die Immobilienmärkte zwischen Karatschi und Kyoto entwickeln sich nicht synchron, sondern sind in ihrer Entwicklung von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängig. Folglich lassen sich begründete Empfehlungen für Miet- und Kaufentscheidungen nur auf Basis differenzierter Marktanalysen abgeben. Das auf Investitionsaussichten bei gewerblichen Immobilien abzielende Ranking von PwC macht die Aufstiegs- und Abstiegsdynamiken deutlich: �Gewinner� der Umfrage bei Branchenkennern ist in erster Linie China mit den vier Städten Shanghai, Hongkong, Beijing und Guangzhou.
Markant verloren haben demgegenüber die Metropolen in Japan und Indien. Bemerkenswert ist die besonders ungünstige Situation für Immobilienbesitzer in der thailändischen Hauptstadt Bangkok. Das Gros der Befragten empfiehlt dort den Verkauf von Immobilien - und zwar in allen vier Segmenten (Büro, Handel, Industrie, Hotels). Die meisten Verkaufsempfehlungen wurden dabei für Hotelimmobilien abgegeben, was sowohl mit einem Überangebot oder zumindest mit einer relativen Sättigung zu tun haben könnte, als auch mit der andauernden politischen Krise. Insgesamt dürften sich in der schlechten Bewertung auch die unsicheren wirtschaftlichen und politischen Zukunftsaussichten des Landes widerspiegeln.
Dass auch in China nicht alles Gold ist, was glänzt, zeigt ein Blick auf die Hauptstadt Beijing. Während dort zum Kauf von Handelsimmobilien geraten wird, lautet das Fazit bei Hotels eher verkaufen oder allenfalls halten. Ein klares Überangebot wird bei den Büroimmobilien identifiziert, was noch den Auswirkungen des Baubooms für die Olympischen Spiele 2008 zugeschrieben werden kann. Dagegen besteht ein gewisser Mangel an Industrieimmobilien, weshalb der Rat hier �kaufen� lautet. Potenzial wird in Shanghai bei Einzelhandels- und Industrieflächen ausgemacht, wohingegen ein Drittel der Befragten zum Verkauf von Hotelimmobilien rät. Nach Auskunft des DTZ-Reports können Büroimmobilien in beiden Städten als unterbewertet gelten, was auf mögliche Preissteigerungen in der Zukunft hinweist.
Die zum Teil ungewissen Aussichten einzelner Metropolen kommen in abweichenden Experteneinschätzungen zum Ausdruck. Dies gilt etwa für die indische Hauptstadt New Delhi. Dort rät jeder vierte Befragte zum Kauf von Einzelhandelsimmobilien, derweil ein anderes Viertel eher für Verkäufe in dieser Kategorie plädiert. In Mumbai hingegen überwiegen die positiven Stimmen für den Erwerb von Büroimmobilien, während es bei den Einzelhandelsimmobilien keine eindeutige Empfehlung gibt. Hier ist der Markt wohl zu sehr fragmentiert, als dass sich ein Kauf großer Komplexe lohnen würde. Ganz klar auf Platz 1 ist Mumbai indessen bei den Industrieimmobilien, was seiner Rolle als wirtschaftliches Zentrum des Landes geschuldet sein dürfte.
In Übereinstimmung mit den generell viel versprechenden Wachstumsaussichten Vietnams werden die Perspektiven für Ho Chi Minh City, der größten Stadt des Landes, als positiv eingeschätzt. Dies wird anscheinend auch von den internationalen Investoren so gesehen, die im Jahr 2009 rund 7,6 Milliarden US$ an ausländischen Direktinvestitionen in den vietnamesischen Immobilienmarkt gepumpt haben. Neben Handelsimmobilien werden vor allem Industrieimmobilien als attraktive Investitionsobjekte angesehen. Gleichwohl ist zu bedenken, dass dieser Markt maßgeblich von der Entwicklung der einzelnen Industriesparten mit ihren jeweiligen Produktionskosten abhängig ist, die in Vietnam wiederum stark von den (steigenden) Rohstoffkosten auf den Weltmärkten beeinflusst werden. Kommt es hier zu weiteren Preissteigerungen, dürfte dies eine Wertreduktion bei den entsprechenden Immobilien nach sich ziehen. Nachdem es krisenbedingt einen erheblichen Rückgang bei den Preisen für Büroimmobilien gegeben hat, dürften diese in absehbarer Zeit wieder steigen.
Mit der Erholung des gewerblichen Immobilienmarktes in Asien verbinden viele Investoren nun die bange Frage, ob hier möglicherweise eine neuerliche Spekulationsblase entsteht. Die Forschungsabteilung der Deutschen Bank sieht diese Gefahr indes allenfalls in China und Singapur, wo die Preise in den letzten Wochen überproportional gestiegen sind. In den anderen asiatischen Metropolen seien Übertreibungen dagegen vorerst nicht zu erkennen. Und selbst in China spricht die in einigen Regionen angekündigte Einführung einer Immobiliensteuer dafür, dass durch eine tendenzielle Verteuerung der Transaktionskosten Preisspiralen vermieden werden und der Markt zu einem nachhaltigen Wachstum finden wird.
Interview mit Claus Thomas, dem Geschäftsführer der LaSalle GmbH - der deutschen Niederlassung von LaSalle Investment Management. Für LaSalle Investment Management ist er - zusammen mit seinem Team - auch als Head of Client Services Europe für die institutionellen Kunden in der Region verantwortlich.
Asien Kurier: Herr Thomas, welche Trends erwarten Sie für das Jahr 2010 auf den asiatischen Immobilienmärkten?
Claus Thomas: Der asiatisch-pazifische Raum ist über den Zeitraum der jüngsten Rezession hinweg insgesamt gewachsen. Nach Marktkapitalisierung beheimatet er mittlerweile zehn der 15 größten börsennotierten Immobiliengesellschaften weltweit. Die Bildung von Kapital vollzieht sich in Asien schneller als in allen anderen Regionen. Ein Teil dieses Kapitals sucht bereits jetzt nach Immobilieninvestment-Möglichkeiten - auch außerhalb der Region. Der Großteil dieses Kapitals zielt jedoch auf Investments in Hongkong, Singapur und den chinesischen Raum ab. In der Folge kommt es schon wieder zu signifikanten Preisanstiegen, besonders auf dem Markt für Luxus-Wohnimmobilien in Hongkong und Singapur, sowie auf dem Büroflächensektor in Hongkong.
Asien Kurier: Hat sich der Markt inzwischen beruhigt und werden wieder verstärkt gewerbliche Flächen nachgefragt?
Claus Thomas: China wird in den Jahren 2010/2011 für rund 40 Prozent des globalen Wirtschaftswachstums verantwortlich sein. Damit verbunden ist eine zunehmende Nachfrage auch nach gewerblichen Flächen. Die offene Frage für den gesamten asiatisch-pazifischen Raum ist allerdings, ob China weiterhin eine jährliche Wachstumsrate von 8 bis 10 Prozent nachhaltig realisieren kann.
Asien Kurier: Welche Immobiliensegmente in welchen Ländern besitzen die besten Wachstumsperspektiven für die nächsten ein bis zwei Jahre?
Claus Thomas: In Hongkong und Shanghai befindet sich der Büroimmobilienmarkt eindeutig im Steigflug, gleiches trifft auf den Retail-Sektor in Sydney, Singapur und Hongkong zu. Auch die Entwicklung von Logistikzentren in Singapur und Hongkong kann sich bereits wieder sehen lassen.
Asien Kurier: Welches Land/welche Stadt ist derzeit hinsichtlich seines Immobilienmarktes überbewertet?
Claus Thomas: Nach wie vor instabil in allen Sektoren sind die Märkte in Tokio und teilweise auch in Seoul.