Asien Kurier  China-Special vom 15. Oktober 2009
China

Herausforderung: Geeignete Mitarbeiter rekrutieren

Von Sonja M�ller, Leiterin vom China Competence Center der IHK Darmstadt und Frankfurt

Rund 3500 deutsche Unternehmen sind bislang in China engagiert- mehr als zwei Drittel davon arbeiten nach eigenen Angaben kostendeckend oder mit Gewinn.

Allerdings ist China kein einfacher Markt: Probleme bereiten den Unternehmen z.B. der mangelnde Schutz geistiger Eigentumsrechte, die Intransparenz, widerspr�chliche Gesetze - und das Finden geeigneten Personals. 74 Prozent der deutschen Unternehmen in China gaben in einer 2007 von den deutschen Auslandshandelskammern zusammen mit EAC erstellten Studie an, der Mangel an gutem Personal stelle f�r sie ein gro�es Problem dar. Andere Studien best�tigen dieses Ergebnis. Vor allem in den letzten Jahren wurde immer deutlicher: Erfolg oder Misserfolg des China-Engagements h�ngen ma�geblich vom richtigen Personal ab.

Expat oder Lokalkraft?

Bei der Besetzung von Stellen f�r Fach-und F�hrungskr�fte stellt sich zun�chst die Grundsatzfrage: Soll ein Deutscher aus dem Mutterhaus oder ein chinesischer Mitarbeiter vor Ort eingestellt werden? Die Strategien sind bei diesem Thema sehr verschieden. Manche Unternehmen schw�ren auf eine 100 prozentige Lokalisierung von Beginn an, also die Nutzung ausschlie�lich chinesischer Arbeitskr�fte. Andere Unternehmen bevorzugen die Expat-L�sung, das hei�t die Entsendung ein oder mehrerer deutscher Mitarbeiter nach China. Dazwischen existieren nat�rlich Mischformen.

Grunds�tzlich gilt, dass bei dieser Entscheidung viele Faktoren eine Rolle spielen. Sie h�ngt neben der Gesch�ftsform und der Jobposition auch von der Branche, der Entwicklungsphase des ausl�ndischen Unternehmens, etc. ab. Nicht immer ist ein Chinese unbedingt die bessere Wahl, nur weil er ein Chinese ist. Aber auch die Entsendung eines Expats ist nicht immer sinnvoll. Welche Besetzungsstrategie die Beste ist, muss jedes Unternehmen f�r sich selbst entscheiden. Beide haben Vor-und Nachteile: F�r die Entsendung eines Expat spricht, dass er die Muttergesellschaft, ihre Produkt- und Entscheidungswege gut kennt. Er kann das Unternehmen im Ausland entsprechend vertreten, unter Umst�nden hat er bereits in anderen L�ndern Erfahrung mit dem Aufbau eines Tochterunternehmens gesammelt und bringt internationales Management-Know-how mit. Negativ k�nnten sich jedoch seine fehlenden Mentalit�ts- und Sprachkenntnisse auswirken. Auch die nicht vorhandenen Kontakte zu lokalen Beh�rden und anderen Institutionen sind ein Handicap. Gleichzeitig ist die Entsendung in der Regel kostspielig, gerade wenn die Familie mit dabei ist.

Ein chinesischer Mitarbeiter hingegen �berzeugt gerade mit seinen Sprach- und Marktkenntnissen und im besten Falle bringt er bereits Kontakte zu Beh�rden und/oder in die Industrie mit. Andererseits wird er manchmal schwerer vom Mutterhaus akzeptiert und es kommt h�ufig zu Kommunikationsproblemen.

Der goldene Mittelweg: Deutscher mit China-Hintergrund oder Chinese mit Ausbildung in Deutschland.

Neben den beiden "Extrem"- L�sungen Expat und Lokalkraft existieren zwei weitere M�glichkeiten, die immer noch von zu wenig Unternehmen genutzt werden: Einerseits die Einstellung eines Chinesen, der in Deutschland studiert oder gearbeitet hat. Andererseits die Entscheidung f�r einen Deutschen mit China-Hintergrund - sei es durch Studium oder Arbeit. Diese beiden Ans�tze vereinen viele Vorz�ge auf sich. Hinzu kommt: Das Personal l�sst sich leicht rekrutieren, da es in Deutschland vor Ort ist. Gegenfalls kann man es im Rahmen eines Praktikums sogar vorab "testen".

Vorteile von Deutschen mit China-Hintergrund

Deutsche Hochschulabsolventen mit China-Hintergrund bieten f�r deutsche Unternehmen viele Vorteile. Sie sprechen die chinesische Sprache und sind - durch Studien- und/oder Arbeitsaufenthalte - mit der Kultur vertraut. Da sie die Verhaltensregeln beider Kulturen beherrschen, reduziert sich das Konfliktpotential erheblich. Gleichzeitig sind sie in der Regel gewillt, f�r eine l�ngere Zeit nach China zu gehen und haben keine Probleme mit einem "Kulturschock". Im besten Fall bringen sie bereits ein Netz an Kontakten vor Ort mit, die Eingliederung f�llt ihnen leicht. Sie k�nnen problemlos deutsche Produkte (Made in Germany) verkaufen und werden als Autorit�tsperson akzeptiert. Trotzdem bleiben ihnen die Gespr�che der chinesischen Mitarbeiter und Kunden nicht verschlossen.

Rekrutierung eines Sinologen, Regionalwissenschaftlers oder "International Business East Asia"- Absolventen?

Mit dem ersten Engagement deutscher Unternehmen im Reich der Mitte zu Beginn der 80er Jahre wurde bereits deutlich, dass f�r das China-Gesch�ft entsprechend ausgebildetes Personal wichtig ist. Das Ausbildungsangebot beschr�nkte sich damals in Deutschland auf den Studiengang "Sinologie" (auch "Chinakunde"). Die Sinologie z�hlt zu den Sprach- und Literaturwissenschaften und befasst sich mit dem Erlernen der chinesischen Sprache, Geschichte und Philosophie. Heute sind in dem einstmals exotischen Fach laut Statistischem Bundesamt 2.800 deutsche und ausl�ndische Studierende (WS 2007/2008) immatrikuliert.

F�r das China-Gesch�ft bevorzugen viele Unternehmen allerdings Absolventen mit Wirtschaftshintergrund. Darum wurden Ende der 80iger Jahre gleich mehrere Studieng�nge ins Leben gerufen, die Wirtschaft und chinesische Sprache verbinden: Darunter "Angewandte Wirtschaftssprachen" in Bremen im Jahr 1988, "Marketing Ostasien" an der FH Ludwigshafen ebenfalls 1988 und "Regionalwissenschaften China" in K�ln 1989. Alle diese Studieng�nge setzen sich aus einem Wirtschafts- und China/Asien-Teil zusammen. Die Studenten absolvieren ein vollst�ndiges oder abgespecktes BWL oder VWL-Studium und erlernen gleichzeitig die moderne chinesische Sprache.

Allerdings variiert die Schwerpunktsetzung an den einzelnen Hochschulen, und folglich tragen die Studienabschl�sse sehr unterschiedliche Namen. Diese reichen von "Regionalwissenschaften China" �ber "International Business Management/East Asia" bis hin zu "Wirtschaft und Kultur Chinas". Das ist f�r Unternehmen und Studierende gleicherma�en verwirrend.

Boom der China-Studieng�nge in Deutschland

W�hrend zu Beginn die Erstsemesterzahlen dieser Studieng�nge verh�ltnism��ig niedrig waren, stiegen sie um die Jahrtausendwende mit dem zunehmenden China-Boom sprunghaft an. Gleichzeitig wurden weitere �hnliche Studieng�nge ins Leben gerufen. Heute bieten 22 Universit�ten und 8 Fachhochschulen Chinabezogene Studieng�nge an. Darunter die Universit�t Hamburg, die Ruhr-Universit�t Bochum, die Technische Universit�t Duisburg-Essen, die Katholische Universit�t Eichst�tt-Ingolstadt, etc. Eine Auflistung der Studieng�nge erhalten Sie beim China Competence Center oder auf der Webseite der Universit�t Heidelberg unter: www.sino.uni-heidelberg.de/igcs/sinology/studger.htm (Stand Feb. 2003) Hinzu kommen die Angebote privater Hochschulen. Im WS 2007/2008 waren bereits 1530 Studenten in wirtschaftsbezogenen China-Studieng�ngen immatrikuliert - Tendenz steigend.

Mehr als 25.000 chinesische Studenten in Deutschland

Laut einer Umfrage des "Deutschen Akademischen Austauschdienstes" (DAAD) blieb die Zahl ausl�ndischer Studierender in Deutschland im Jahr 2008 mit 233.606 auf hohem Niveau. Das wichtigste Herkunftsland ist China, das mit 25.479 Studenten, wie schon 2007 allein 11 Prozent der Studenten stellt. Jedes Jahr werden zwischen 3000 bis 4000 Chinesen zum Studium in Deutschland zugelassen. Die Mehrheit der dieser Chinesen hat bereits ein Studium an einer chinesischen Hochschule absolviert und konnte anschlie�end erste Berufserfahrung sammeln. Folglich liegen die Vorteile f�r die Unternehmen auf der Hand: Die Studenten verf�gen durch ihren Aufenthalt in Deutschland �ber die erforderlichen interkulturellen und sprachlichen Kompetenzen. Gleichzeitig bringen Sie Berufserfahrung mit und sind daher wesentlich schneller einsatzf�hig als ein Absolvent einer chinesischen Universit�t in China.

Beliebteste F�cher chinesischer Studenten

Bei der Wahl des Studienfaches orientieren sich die chinesischen Studenten am heimischen Arbeitsmarkt, was darauf schlie�en l�sst, dass sie sp�ter nach China zur�ckkehren m�chten. Die beliebtesten F�cher sind laut dem Statistischen Bundesamt die Ingenieurwissenschaften mit 8.933, gefolgt von Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mit 7.432 Studierenden. An dritter Stelle folgen Mathematik und Naturwissenschaften mit 6.093 Studierenden. Bei der Verteilung auf die deutschen Hochschulen lag die Universit�t Stuttgart mit 1.327 chinesischen Studierenden im WS 2006/2007 an erster Stelle. Es folgte die Universit�t Duisburg-Essen mit 889 und die Rheinisch-Westf�lisch Technische Hochschule mit 873. Die Technische Universit�t Darmstadt belegt mit ihren rund 700 chinesischen Studenten ebenfalls regelm��ig einen der vorderen R�nge.

Rekrutierung chinesischer Studenten in Deutschland

Durch �nderung des Aufenthaltesgesetzes ist es ausl�ndischen Studierenden seit 2005 erlaubt, nach ihrem Abschluss innerhalb eines Jahres eine Arbeit in Deutschland aufzunehmen. Diese gesetzliche �nderung erleichtert den Unternehmen die Rekrutierung.

Zur Kontaktaufnahme mit chinesischen Studenten bestehen folgende M�glichkeiten.

- Kontakt zu jeweiligen Hochschulen, einige habe eigene Career Center eingerichtet wie z.B. die TH Aachen.
- Ansprache der chinesischen Studentenvereinigungen, die es in fast jeder Stadt gibt. Beispielsweise der "Verein chinesischer Wissenschaftler und Studenten Darmstadt" (www.vcwsd.de, in Chinesisch) oder in Karlsruhe (www.vcsw.de). Eine �bersicht zu den einzelnen Studentenvereinen findet sich auf der Webseite www.cspecial.de/cvkn/verein.htm.
- Einmal im Jahr veranstaltet das chinesische Magazin "Ouline" einen "China Career Day" - eine Art Absolventenmesse - in wechselnden deutschen St�dten. Im Jahr 2008 nahmen in Darmstadt rund 1000 chinesische Studenten teilnehmen (www.ouline.com/chinacareerday)

Kontakt

Sonja M. M�ller
Leiterin China Competence Center
IHK Darmstadt und Frankfurt
Tel.: 49 6151 871 250
Email: [email protected]