Indiens Landbev�lkerung ist besonders in den letzten Monaten in den Fokus der Unternehmen ger�ckt, angetrieben vom nachlassenden Konsum in den St�dten infolge der Finanzkrise. DerAufholbedarf ist gro�, und es d�rfte noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, bis auf dem Land eine S�ttigung erreicht ist. Doch es gibt auch Zweifel an der Nachhaltigkeit des Wachstumstrends und den M�glichkeiten, diesen Markt tats�chlich zu erschlie�en.
Mit 138 Millionen Haushalten beziehungsweise 74 Prozent der 1,2 Milliarden-Bev�lkerung sind Indiens l�ndliche Gebiete ein beachtlicher Absatzmarkt, den zunehmend auch multinationale Unternehmen f�r sich entdecken. Der durchschnittliche Verdienst liegt deutlich unter dem der Stadtbewohner, aber in der Summe steht die Landbev�lkerung f�r 56 Prozent der indischen Einkommen, 64 Prozent der Ausgaben und 33 Prozent des Sparvolumens des asiatischen Boomlandes. Auf die l�ndlichen Regionen entfallen 30 bis 60 Prozent der gesamten Verk�ufe von Konsumg�tern und langlebigen Gebrauchsg�tern - Tendenz steigend. Einige Analysten feiern sie bereits als den Zukunftsmarkt.
Eine n�here Analyse der Wachstumstreiber der letzten Jahre offenbart jedoch ein Bild, das eher Anlass zu vorsichtigem Optimismus als zu Euphorie gibt. Der Nachfrageschub auf dem Land wurde nicht unerheblich von instabilen Faktoren beg�nstigt: Die Regenzeit fiel in den letzten drei Jahren ausgesprochen gut aus und sorgte f�r reiche Ernten und gef�llte Geldbeutel. Dazu kamen Ma�nahmen der Regierung wie der Schuldenerlass f�r einen Teil der Bauern, das landwirtschaftliche Besch�ftigungsprogramm und h�here Subventionspreise f�r ausgew�hlte Agrarprodukte. Gleichzeitig stiegen die Inputkosten der Bauern kaum, wodurch sich die Eink�nfte erh�hten.
F�r dauerhaft steigende Einkommen und ein damit verbundenes Konsumwachstum sprechen der Anstieg des Exportvolumens bei Agrarprodukten und die Verschiebung der Terms of Trade zugunsten der landwirtschaftlichen Produkte gegen�ber den industriell gefertigten. Ein langfristiges Plus ist auch die verbesserte Infrastruktur. Angaben des Finanzanbieters India Infoline zufolge waren Ende 2008 gut 70 Prozent (2004: 40%) der l�ndlichen Gebiete an das Stra�ennetz angebunden. Einen Riesenschritt vorw�rts ging es dank Mobiltelefonie auch bei der Telefonanbindung. Damit haben sich die Absatzm�glichkeiten f�r Farmer sowohl im In- als auch im Ausland verbessert.
Die meisten l�ndlichen Haushalte leben von der Agrarwirtschaft. Interessant sind f�r Unternehmen aber vor allem diejenigen, die nicht oder nur teilweise von der Landwirtschaft abh�ngen, da sie konsumfreudiger sind. Ihre Einkommen sind in der Regel nicht nur h�her, sondern auch stabiler. Die wenigsten Bauern haben genug Land, um profitabel zu wirtschaften (4% haben mehr als 10 Morgen, 50% weniger als 2 Morgen), hinzu kommt die hohe Abh�ngigkeit vom Wetter. Einer aktuellen Studie der Wirtschaftsberatung MART zufolge lebt etwa ein Drittel der Haushalte nicht von der Landwirtschaft. Rund 10 Prozent der Landbev�lkerung beziehen ein Gehalt, 11 Prozent sind au�erhalb der Landwirtschaft selbstst�ndig, 36 Prozent sind Arbeiter, davon etwa die H�lfte Landarbeiter, und 40 Prozent sind Bauern. Aber auch ein Drittel der Bauern erzielt zus�tzlich landwirtschaftsfremde Einkommen.
Die Landbev�lkerung verf�gt zwar noch �ber deutlich geringere finanzielle Mittel als die in den St�dten, jedoch hat sich mit dem kr�ftigen Wirtschaftswachstum der letzten vier Jahre der Anteil der wohlhabenderen l�ndlichen Haushalte stark erh�ht. Dem Analyseinstitut National Council of Applied Economic Research (NCAER) zufolge wird sich dieser Trend auch bei geringerem Wirtschaftswachstum fortsetzen. Laut Prognose wird sich die Zahl der l�ndlichen Haushalte der niedrigsten Einkommenskategorie bis zum Finanzjahr 2015/16 (1.4. bis 31.3.) halbieren (unterstes F�nftel der Landbev�lkerung, Haushaltseinkommen circa 19.536 indische Rupien pro Jahr (knapp 286 Euro, 1 Euro = 68,30 ind. Rupien, 3-Monatsmittel). Die Zahl der Bezieher h�chster Einkommen (oberstes F�nftel der Landbev�lkerung, rund 135.936 ind. Rupien pro Jahr) d�rfte hingegen um 119 Prozent ansteigen.
Die Anzahl der Personen pro Familie ist mit durchschnittlich rund 5 Personen auf dem Land und in der Stadt fast identisch. Signifikante Unterschiede zeigen sich bei der Bildung. Mehr als ein Viertel der Hauptverdiener auf dem Land sind Analphabeten (Stadt: 8%), und nur 7 Prozent (Stadt: 29%) haben einen Universit�tsabschluss.
Das nach Abzug der Kosten f�r die Grundversorgung frei verf�gbare Einkommen nutzen l�ndliche Haushalte in erster Linie, um finanzielle Verpflichtungen zu erf�llen, gefolgt von Ausgaben f�r die Verbesserung der Lebensqualit�t. MART und NCAER haben im Rahmen einer Analyse folgende Ausgaben-Hierarchie ermittelt: Kreditr�ckzahlungen, Produktionsverm�gen, Hochzeiten und soziale Ereignisse, Verbesserung der Wohnsituation, Ausbildung der Kinder, Sparen und Versicherungen, Gebrauchsg�ter, verbesserte Ern�hrung, h�herwertige Marken bei G�tern des t�glichen Gebrauchs, Unterhaltung.
Rund ein Drittel der Haushaltsausgaben entf�llt auf Lebensmittel, gefolgt von sogenannten Fast Moving Consumer Goods (FMCG), Waren mit hoher Umschlagsh�ufigkeit. Dieses Segment legte im Septemberquartal 2008 um 20 Prozent zu. L�ndliche Gebiete und kleine St�dte stehen f�r 60 Prozent des gesamten indischen FMCG-Marktes und 63 Prozent der Verk�ufe von Gebrauchsg�tern. Auf Kleidung entf�llt ein weiterer gro�er Teil der Ausgaben. Den Analysten von MART zufolge gewinnt bei der Landjugend Kleidung von der Stange zu Lasten der ma�geschneiderten Ware an Bedeutung.
F�r die Vermarktung auf dem Land gilt - wie f�r ganz Indien -, dass die Gruppe der Konsumenten sehr heterogen ist. Eine Absatzstrategie sollte also nicht pauschal auf "das" l�ndliche Indien abzielen. Einzelne Gebiete sind unterschiedlich entwickelt, dazu kommen verschiedene Religionen, Kulturen, Sprachen etc.
Einige international ausgerichtete europ�ische Unternehmen und verschiedene US-Firmen haben bereits begonnen, ihre Verkaufsaktivit�ten auf die l�ndlichen Gegenden auszuweiten. Unilever, Phillips und Nestle sind bereits seit Jahren in diesem Markt aktiv. Der Aufbau von Vertriebsstrukturen und Marketingstrategien stellt bislang jedoch eine gro�e Herausforderung f�r Unternehmen dar. Die Infrastruktur ist zwar deutlich besser geworden, aber Verkehrsanbindung und Stromversorgung sind dennoch nicht ausreichend. Eine m�gliche Vertriebsstrategie ist deshalb die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen. ICICI Lombard kooperiert beispielsweise mit gr��eren Molkereien, um �ber deren Verkaufs- und Lieferantennetz Vieh-Versicherungen an die Bauern zu verkaufen.
Erschwerend kommt hinzu, dass kleine Ladenbesitzer auf dem Dorf anders als in der Stadt oft nicht �ber die Ressourcen verf�gen, um mehr als eine einzige Marke einer Kategorie in ihr Angebot aufzunehmen.
Hindustan Unilever vertreibt seine Produkte unter anderem �ber "Markenbotschafter" in den D�rfern: Frauen, die ihre Produkte per Bauchladen an ihre Nachbarn verkaufen und von regionalen Vertriebsmanagern geschult und beliefert werden.
Die Landbev�lkerung ist angesichts der niedrigeren Einkommen preisbewusster und scheut teure K�ufe.
Bei Konsumg�tern ziehen sie es in vielen Produktkategorien vor, kleine, g�nstigere Abpackungen zu kaufen. Unilever bietet beispielsweise Shampoo in Portionsgr��en an. Coca Cola India vermarktet seit 2002 in ausgew�hlten preissensitiven l�ndlichen Gebieten 200-ml-Flaschen zum Preis von 5 ind. Rupien statt circa 20 ind. Rupien f�r 500 ml im Rest des Landes. Au�erdem stellt der Getr�nkehersteller seinen H�ndlern kosteng�nstig K�hlboxen zur Verf�gung, da die Stromversorgung auf dem Land mangelhaft ist und sich au�erdem die wenigsten �berhaupt einen K�hlschrank leisten k�nnen. Coca Colas Niedrigpreisstrategie verfolgen auch andere Unternehmen. LG Electronics India hat besonders g�nstige Fernsehger�te, K�hlschr�nke, Waschmaschinen und Mikrowellen in das Sortiment aufgenommen.
Brancheninsidern zufolge suchen Verbraucher auf dem Land in h�herem Ma�e nach G�tern mit Mehrwert, handfesten Vorteilen sowie m�glichst variablen Einsatzm�glichkeiten bei gutem Preis-Leistungs-Verh�ltnis. Mahindra and Mahindra hat entsprechend einen Traktor auf den Markt gebracht, der sich mit dem mitgelieferten Anh�nger sowohl f�r den Einsatz in der Landwirtschaft als auch zum Transport eignet. Au�erdem bietet der Fahrzeughersteller einen kostenlosen Gesundheitscheck f�r Fahrer, w�hrend ihr Traktor gewartet wird.
Auch bei der Kommunikation m�ssen neue Wege gefunden werden, da die Kunden schlechter �ber die Massenmedien zu erreichen sind. Fernseher sind mittlerweile relativ weit verbreitet (�ber 75%), aber Printmedien, auch lokale, finden kaum Absatz. Viele bereits im Markt aktive Unternehmen werben im Radio oder pr�sentieren ihre Produkte auf Wochenm�rkten, Messen oder bei religi�sen Zusammenk�nften.